den gewünschten Fortgang aufzuheben. Mit einem Worte: die Soldaten müßten ohne Verzug dahin geführet werden, weil sie noch hitzig sind, und vor Begierde brennen, mit dem Feinde zu schlagen.
58.
Weil Kara Mustäfa Pascha merkte, daß diese beyden Paschen auchDer Weßir verhehlet seine Absichten. nicht völlig seiner Meinung waren: so stellete er sich, um seine Absichten desto besser, sowol vor Freunden als Feinden, zu verhehlen, als wenn er Teökeölis Rath billigte, und gab Befehl, daß das Heer nach Rab aufbrechen sollte; schickte auch den kaiserlichen Abgesandten, den er bisher mit sich geführet, und mit der Hoffnung des Friedens aufgehalten hatte, nach Ofen, damit derselbe kein Zeuge und Beobachter seiner Vornehmen seyn möchte.
59.
Um eben diese Zeit kam der tatarische Chan, Selim Gjiraj, mit sei-Die Tatarn stoßen zu den Türken. nen Völkern in dem osmanischen Lager an, und wurde von dem Weßire mit sehr großen und ungewöhnlichen Ehrenbezeigungen empfangen; erhielte auch von demselben ein Geschenk von einem hermelinenen Unterrocke, einem Brust- harnische, und einem Säbel mit Diamanten und andern Edelsteinen besetzt.
60.
Als der Weßir solchergestalt alle die Truppen, die er erwartete,Der Weßir überredet die Jeng-itscheri, daß sie ihre Ein- willigung zu der Belagerung von Wien geben. beysammen hatte: so trat er den Zug nach Rab an, und ging gegen das Ende des Monats Dschemaßiül ochir über den Fluß Rab, nachdem die ungarischen Soldaten, denen die Furt über denselben zu bewahren anvertrauet war, ihren Posten schändlicher Weise verlassen hatten 45; darauf derselbe sein Lager so gar unter den Wällen von Rab aufschlug. Er hatte aber kaum den Anfang mit Eröffnung der Laufgräben und Beschießung der Wälle gemacht: so brachten ihm seine Kundschafter die Zeitung, der Kaiser Leopold sey von Wien nach Linz geflohen; es sey daselbst alles in Verwirrung; die Wälle seyen in einem verfal- lenen Zustande; die Besatzung sey schwach und voll Schreckens; die Zeughäu- ser von Kriegsvorrathe, und die Vorrathshäuser von Lebensmitteln leer; und die Einwohner seyen aus Furcht vor den Türken den Todten ähnlich. Diese Nachricht machte dem Weßire einen Muth, sein Vorhaben auszuführen; und er machte sich itzo einen andern Entwurf, die Einwilligung der übrigen Feld- herren zu erzwingen. Zuerst versuchte er, die Jeng-itscheri durch mancherley Künste zu gewinnen, und ließ denselben durch gewisse Personen das Versprechen [Spaltenumbruch]
Graf Buddan habe den Verrath begangen, den Türken einen freyen Uebergang zu ver- statten. Da aber dieses Verbrechen niemals [Spaltenumbruch] klar ist erwiesen worden: so will ich die Sa- che lieber im Zweifel lassen, als ohne Grund etwas deswegen bestimmen.
thun:
3 N 2
19. Muhaͤmmed der IIII
den gewuͤnſchten Fortgang aufzuheben. Mit einem Worte: die Soldaten muͤßten ohne Verzug dahin gefuͤhret werden, weil ſie noch hitzig ſind, und vor Begierde brennen, mit dem Feinde zu ſchlagen.
58.
Weil Kara Muſtaͤfa Paſcha merkte, daß dieſe beyden Paſchen auchDer Weßir verhehlet ſeine Abſichten. nicht voͤllig ſeiner Meinung waren: ſo ſtellete er ſich, um ſeine Abſichten deſto beſſer, ſowol vor Freunden als Feinden, zu verhehlen, als wenn er Teoͤkeoͤlis Rath billigte, und gab Befehl, daß das Heer nach Rab aufbrechen ſollte; ſchickte auch den kaiſerlichen Abgeſandten, den er bisher mit ſich gefuͤhret, und mit der Hoffnung des Friedens aufgehalten hatte, nach Ofen, damit derſelbe kein Zeuge und Beobachter ſeiner Vornehmen ſeyn moͤchte.
59.
Um eben dieſe Zeit kam der tatariſche Chan, Selim Gjiraj, mit ſei-Die Tatarn ſtoßen zu den Tuͤrken. nen Voͤlkern in dem osmaniſchen Lager an, und wurde von dem Weßire mit ſehr großen und ungewoͤhnlichen Ehrenbezeigungen empfangen; erhielte auch von demſelben ein Geſchenk von einem hermelinenen Unterrocke, einem Bruſt- harniſche, und einem Saͤbel mit Diamanten und andern Edelſteinen beſetzt.
60.
Als der Weßir ſolchergeſtalt alle die Truppen, die er erwartete,Der Weßir uͤberredet die Jeng-itſcheri, daß ſie ihre Ein- willigung zu der Belagerung von Wien geben. beyſammen hatte: ſo trat er den Zug nach Rab an, und ging gegen das Ende des Monats Dſchemaßiuͤl ochir uͤber den Fluß Rab, nachdem die ungariſchen Soldaten, denen die Furt uͤber denſelben zu bewahren anvertrauet war, ihren Poſten ſchaͤndlicher Weiſe verlaſſen hatten 45; darauf derſelbe ſein Lager ſo gar unter den Waͤllen von Rab aufſchlug. Er hatte aber kaum den Anfang mit Eroͤffnung der Laufgraͤben und Beſchießung der Waͤlle gemacht: ſo brachten ihm ſeine Kundſchafter die Zeitung, der Kaiſer Leopold ſey von Wien nach Linz geflohen; es ſey daſelbſt alles in Verwirrung; die Waͤlle ſeyen in einem verfal- lenen Zuſtande; die Beſatzung ſey ſchwach und voll Schreckens; die Zeughaͤu- ſer von Kriegsvorrathe, und die Vorrathshaͤuſer von Lebensmitteln leer; und die Einwohner ſeyen aus Furcht vor den Tuͤrken den Todten aͤhnlich. Dieſe Nachricht machte dem Weßire einen Muth, ſein Vorhaben auszufuͤhren; und er machte ſich itzo einen andern Entwurf, die Einwilligung der uͤbrigen Feld- herren zu erzwingen. Zuerſt verſuchte er, die Jeng-itſcheri durch mancherley Kuͤnſte zu gewinnen, und ließ denſelben durch gewiſſe Perſonen das Verſprechen [Spaltenumbruch]
Graf Buddan habe den Verrath begangen, den Tuͤrken einen freyen Uebergang zu ver- ſtatten. Da aber dieſes Verbrechen niemals [Spaltenumbruch] klar iſt erwieſen worden: ſo will ich die Sa- che lieber im Zweifel laſſen, als ohne Grund etwas deswegen beſtimmen.
thun:
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19. Muhaͤmmed der IIII
den gewuͤnſchten Fortgang aufzuheben. Mit einem Worte: die Soldaten
muͤßten ohne Verzug dahin gefuͤhret werden, weil ſie noch hitzig ſind, und vor
Begierde brennen, mit dem Feinde zu ſchlagen.
58. Weil Kara Muſtaͤfa Paſcha merkte, daß dieſe beyden Paſchen auch
nicht voͤllig ſeiner Meinung waren: ſo ſtellete er ſich, um ſeine Abſichten deſto
beſſer, ſowol vor Freunden als Feinden, zu verhehlen, als wenn er Teoͤkeoͤlis
Rath billigte, und gab Befehl, daß das Heer nach Rab aufbrechen ſollte;
ſchickte auch den kaiſerlichen Abgeſandten, den er bisher mit ſich gefuͤhret, und
mit der Hoffnung des Friedens aufgehalten hatte, nach Ofen, damit derſelbe
kein Zeuge und Beobachter ſeiner Vornehmen ſeyn moͤchte.
Der Weßir
verhehlet ſeine
Abſichten.
59. Um eben dieſe Zeit kam der tatariſche Chan, Selim Gjiraj, mit ſei-
nen Voͤlkern in dem osmaniſchen Lager an, und wurde von dem Weßire mit
ſehr großen und ungewoͤhnlichen Ehrenbezeigungen empfangen; erhielte auch
von demſelben ein Geſchenk von einem hermelinenen Unterrocke, einem Bruſt-
harniſche, und einem Saͤbel mit Diamanten und andern Edelſteinen beſetzt.
Die Tatarn
ſtoßen zu den
Tuͤrken.
60. Als der Weßir ſolchergeſtalt alle die Truppen, die er erwartete,
beyſammen hatte: ſo trat er den Zug nach Rab an, und ging gegen das Ende
des Monats Dſchemaßiuͤl ochir uͤber den Fluß Rab, nachdem die ungariſchen
Soldaten, denen die Furt uͤber denſelben zu bewahren anvertrauet war, ihren
Poſten ſchaͤndlicher Weiſe verlaſſen hatten
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; darauf derſelbe ſein Lager ſo gar
unter den Waͤllen von Rab aufſchlug. Er hatte aber kaum den Anfang mit
Eroͤffnung der Laufgraͤben und Beſchießung der Waͤlle gemacht: ſo brachten
ihm ſeine Kundſchafter die Zeitung, der Kaiſer Leopold ſey von Wien nach Linz
geflohen; es ſey daſelbſt alles in Verwirrung; die Waͤlle ſeyen in einem verfal-
lenen Zuſtande; die Beſatzung ſey ſchwach und voll Schreckens; die Zeughaͤu-
ſer von Kriegsvorrathe, und die Vorrathshaͤuſer von Lebensmitteln leer; und
die Einwohner ſeyen aus Furcht vor den Tuͤrken den Todten aͤhnlich. Dieſe
Nachricht machte dem Weßire einen Muth, ſein Vorhaben auszufuͤhren; und
er machte ſich itzo einen andern Entwurf, die Einwilligung der uͤbrigen Feld-
herren zu erzwingen. Zuerſt verſuchte er, die Jeng-itſcheri durch mancherley
Kuͤnſte zu gewinnen, und ließ denſelben durch gewiſſe Perſonen das Verſprechen
thun:
Graf Buddan habe den Verrath begangen,
den Tuͤrken einen freyen Uebergang zu ver-
ſtatten. Da aber dieſes Verbrechen niemals
klar iſt erwieſen worden: ſo will ich die Sa-
che lieber im Zweifel laſſen, als ohne Grund
etwas deswegen beſtimmen.
Der Weßir
uͤberredet die
Jeng-itſcheri,
daß ſie ihre Ein-
willigung zu der
Belagerung von
Wien geben.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/575>, abgerufen am 23.11.2024.
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