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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
er sich nicht damit, Wein für sich selbst zu trinken; sondern er zwang sogar die
Müfti und Kaßijüläskjer, daß sie mit ihm trinken mußten: verstattete auch in
einem öffentlichen Befehle, dessen schon vorhin gedacht worden, allen Leuten
von allerhand Ständen und Gattungen, Wein zu verkaufen und zu trinken.
So ein unmäßiger Liebhaber er nun von dem Weine war: so ein Todfeind war
derselbe von dem Opium und Tabak, welches beydes er bey Lebensstrafe ver-
bote, und verschiedene Personen mit eigener Hand umbrachte, die er antraf,
daß sie Opium aßen, oder Tabak entweder rauchten oder verkauften. Indessen
entging doch einer, Namens Tiriaki, ein Tabaksschmaucher, der Strafe durch
einen witzigen Einfall. Denn, weil dieser das Schmauchen nicht lassen konnte:
so ließ er sich zu dem Ende unter seinem Zelte eine tiefe Grube graben, und die-
selbe, damit er nicht entdeckt würde, mit grünem Rasen überlegen. Als er
einsmals in seiner Grube schmauchet: so kommt der Kaiser und fraget nach
ihm; da ihn dann seine Leute verrathen und dem Kaiser zu Gesichte bringen,
mit einer Pfeife im Munde. Der Kaiser ziehet sogleich seinen Säbel heraus,
und will ihn umbringen. Als Tiriaki diese Gefahr vor Augen siehet: so rufet
er aus vollem Halse; Gehe, du Slawinnsohn! dein Befehl erstrecket sich wol
[Spaltenumbruch]
dir sie abkaufen; und alsdann werde ich
Sultan Murad seyn, und du wirst Bekjri
Mustäfa seyn. Als Murad fraget; wo er
das Geld hernehmen wollte, eine solche Stadt
zu kaufen? so antwortete Mustäfa; Darum
bekümmere du dich nicht: denn ich sage noch
mehr; ich mache mich anheischig, den Sla-
winnsohn noch dazu zu kaufen [nämlich, die
Kaiser werden alle von Slawinnen geboren].
Murad gehet den Kauf ein, und befiehlet,
daß man Mustäfa aus dem Kothe nehmen
und in den Palast bringen solle. Wenige
Stunden hernach, da die Dünste von dem
Weine vergangen waren, kommt Mustäfa
wieder zu sich selbst, und siehet, daß er in ei-
nem vergöldeten und herrlichen Zimmer lie-
get. Er fraget daher diejenigen, die ihn be-
wachten, und saget: Was bedeutet dieses?
träumet mir, oder genieße ich die Ergetzlich-
keiten des Paradieses? Die Umstehenden er-
zählen ihm, was vorgegangen sey, und was
[Spaltenumbruch]
er für einen Kauf mit dem Kaiser getroffen
habe. Der Mann geräth darüber in ein
entsetzliches Schrecken, weil ihm Murads
Heftigkeit und Grausamkeit bekannt ist. Je-
doch, die Noth machet ihn witzig, daß er auf
diese Erfindung verfället. Er stellet sich,
als wenn er sterben müßte, wenn er nicht
etwas Wein haben könnte, seine schmachten-
den Lebensgeister wieder zu ermuntern. Da-
mit nun der Mann nicht sterben möchte, ehe
er vor den Kaiser käme: so geben ihm die
Wächter eine Kanne mit Wein, und diese
verstecket er in seinen Busen. Gleich darauf
lässet ihn der Kaiser vor sich bringen, und be-
fiehlet ihm, so viele Millionen, als die Stadt
werth sey, zu bezahlen. Allein, er ziehet
seine Kanne aus dem Busen, und saget:
Dieses ist es, o Kaiser, das gestern Constan-
tinopel kaufen wollte. Und wenn ihr dieses
Gut auch besäßet: so würdet ihr es ebenfals
höher achten, als die Herrschaft der ganzen

über,

Osmaniſche Geſchichte
er ſich nicht damit, Wein fuͤr ſich ſelbſt zu trinken; ſondern er zwang ſogar die
Muͤfti und Kaßijuͤlaͤskjer, daß ſie mit ihm trinken mußten: verſtattete auch in
einem oͤffentlichen Befehle, deſſen ſchon vorhin gedacht worden, allen Leuten
von allerhand Staͤnden und Gattungen, Wein zu verkaufen und zu trinken.
So ein unmaͤßiger Liebhaber er nun von dem Weine war: ſo ein Todfeind war
derſelbe von dem Opium und Tabak, welches beydes er bey Lebensſtrafe ver-
bote, und verſchiedene Perſonen mit eigener Hand umbrachte, die er antraf,
daß ſie Opium aßen, oder Tabak entweder rauchten oder verkauften. Indeſſen
entging doch einer, Namens Tiriaki, ein Tabaksſchmaucher, der Strafe durch
einen witzigen Einfall. Denn, weil dieſer das Schmauchen nicht laſſen konnte:
ſo ließ er ſich zu dem Ende unter ſeinem Zelte eine tiefe Grube graben, und die-
ſelbe, damit er nicht entdeckt wuͤrde, mit gruͤnem Raſen uͤberlegen. Als er
einsmals in ſeiner Grube ſchmauchet: ſo kommt der Kaiſer und fraget nach
ihm; da ihn dann ſeine Leute verrathen und dem Kaiſer zu Geſichte bringen,
mit einer Pfeife im Munde. Der Kaiſer ziehet ſogleich ſeinen Saͤbel heraus,
und will ihn umbringen. Als Tiriaki dieſe Gefahr vor Augen ſiehet: ſo rufet
er aus vollem Halſe; Gehe, du Slawinnſohn! dein Befehl erſtrecket ſich wol
[Spaltenumbruch]
dir ſie abkaufen; und alsdann werde ich
Sultan Murad ſeyn, und du wirſt Bekjri
Muſtaͤfa ſeyn. Als Murad fraget; wo er
das Geld hernehmen wollte, eine ſolche Stadt
zu kaufen? ſo antwortete Muſtaͤfa; Darum
bekuͤmmere du dich nicht: denn ich ſage noch
mehr; ich mache mich anheiſchig, den Sla-
winnſohn noch dazu zu kaufen [naͤmlich, die
Kaiſer werden alle von Slawinnen geboren].
Murad gehet den Kauf ein, und befiehlet,
daß man Muſtaͤfa aus dem Kothe nehmen
und in den Palaſt bringen ſolle. Wenige
Stunden hernach, da die Duͤnſte von dem
Weine vergangen waren, kommt Muſtaͤfa
wieder zu ſich ſelbſt, und ſiehet, daß er in ei-
nem vergoͤldeten und herrlichen Zimmer lie-
get. Er fraget daher diejenigen, die ihn be-
wachten, und ſaget: Was bedeutet dieſes?
traͤumet mir, oder genieße ich die Ergetzlich-
keiten des Paradieſes? Die Umſtehenden er-
zaͤhlen ihm, was vorgegangen ſey, und was
[Spaltenumbruch]
er fuͤr einen Kauf mit dem Kaiſer getroffen
habe. Der Mann geraͤth daruͤber in ein
entſetzliches Schrecken, weil ihm Murads
Heftigkeit und Grauſamkeit bekannt iſt. Je-
doch, die Noth machet ihn witzig, daß er auf
dieſe Erfindung verfaͤllet. Er ſtellet ſich,
als wenn er ſterben muͤßte, wenn er nicht
etwas Wein haben koͤnnte, ſeine ſchmachten-
den Lebensgeiſter wieder zu ermuntern. Da-
mit nun der Mann nicht ſterben moͤchte, ehe
er vor den Kaiſer kaͤme: ſo geben ihm die
Waͤchter eine Kanne mit Wein, und dieſe
verſtecket er in ſeinen Buſen. Gleich darauf
laͤſſet ihn der Kaiſer vor ſich bringen, und be-
fiehlet ihm, ſo viele Millionen, als die Stadt
werth ſey, zu bezahlen. Allein, er ziehet
ſeine Kanne aus dem Buſen, und ſaget:
Dieſes iſt es, o Kaiſer, das geſtern Conſtan-
tinopel kaufen wollte. Und wenn ihr dieſes
Gut auch beſaͤßet: ſo wuͤrdet ihr es ebenfals
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[378/0482] Osmaniſche Geſchichte er ſich nicht damit, Wein fuͤr ſich ſelbſt zu trinken; ſondern er zwang ſogar die Muͤfti und Kaßijuͤlaͤskjer, daß ſie mit ihm trinken mußten: verſtattete auch in einem oͤffentlichen Befehle, deſſen ſchon vorhin gedacht worden, allen Leuten von allerhand Staͤnden und Gattungen, Wein zu verkaufen und zu trinken. So ein unmaͤßiger Liebhaber er nun von dem Weine war: ſo ein Todfeind war derſelbe von dem Opium und Tabak, welches beydes er bey Lebensſtrafe ver- bote, und verſchiedene Perſonen mit eigener Hand umbrachte, die er antraf, daß ſie Opium aßen, oder Tabak entweder rauchten oder verkauften. Indeſſen entging doch einer, Namens Tiriaki, ein Tabaksſchmaucher, der Strafe durch einen witzigen Einfall. Denn, weil dieſer das Schmauchen nicht laſſen konnte: ſo ließ er ſich zu dem Ende unter ſeinem Zelte eine tiefe Grube graben, und die- ſelbe, damit er nicht entdeckt wuͤrde, mit gruͤnem Raſen uͤberlegen. Als er einsmals in ſeiner Grube ſchmauchet: ſo kommt der Kaiſer und fraget nach ihm; da ihn dann ſeine Leute verrathen und dem Kaiſer zu Geſichte bringen, mit einer Pfeife im Munde. Der Kaiſer ziehet ſogleich ſeinen Saͤbel heraus, und will ihn umbringen. Als Tiriaki dieſe Gefahr vor Augen ſiehet: ſo rufet er aus vollem Halſe; Gehe, du Slawinnſohn! dein Befehl erſtrecket ſich wol uͤber, dir ſie abkaufen; und alsdann werde ich Sultan Murad ſeyn, und du wirſt Bekjri Muſtaͤfa ſeyn. Als Murad fraget; wo er das Geld hernehmen wollte, eine ſolche Stadt zu kaufen? ſo antwortete Muſtaͤfa; Darum bekuͤmmere du dich nicht: denn ich ſage noch mehr; ich mache mich anheiſchig, den Sla- winnſohn noch dazu zu kaufen [naͤmlich, die Kaiſer werden alle von Slawinnen geboren]. Murad gehet den Kauf ein, und befiehlet, daß man Muſtaͤfa aus dem Kothe nehmen und in den Palaſt bringen ſolle. Wenige Stunden hernach, da die Duͤnſte von dem Weine vergangen waren, kommt Muſtaͤfa wieder zu ſich ſelbſt, und ſiehet, daß er in ei- nem vergoͤldeten und herrlichen Zimmer lie- get. Er fraget daher diejenigen, die ihn be- wachten, und ſaget: Was bedeutet dieſes? traͤumet mir, oder genieße ich die Ergetzlich- keiten des Paradieſes? Die Umſtehenden er- zaͤhlen ihm, was vorgegangen ſey, und was er fuͤr einen Kauf mit dem Kaiſer getroffen habe. Der Mann geraͤth daruͤber in ein entſetzliches Schrecken, weil ihm Murads Heftigkeit und Grauſamkeit bekannt iſt. Je- doch, die Noth machet ihn witzig, daß er auf dieſe Erfindung verfaͤllet. Er ſtellet ſich, als wenn er ſterben muͤßte, wenn er nicht etwas Wein haben koͤnnte, ſeine ſchmachten- den Lebensgeiſter wieder zu ermuntern. Da- mit nun der Mann nicht ſterben moͤchte, ehe er vor den Kaiſer kaͤme: ſo geben ihm die Waͤchter eine Kanne mit Wein, und dieſe verſtecket er in ſeinen Buſen. Gleich darauf laͤſſet ihn der Kaiſer vor ſich bringen, und be- fiehlet ihm, ſo viele Millionen, als die Stadt werth ſey, zu bezahlen. Allein, er ziehet ſeine Kanne aus dem Buſen, und ſaget: Dieſes iſt es, o Kaiſer, das geſtern Conſtan- tinopel kaufen wollte. Und wenn ihr dieſes Gut auch beſaͤßet: ſo wuͤrdet ihr es ebenfals hoͤher achten, als die Herrſchaft der ganzen Welt.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/482>, abgerufen am 22.11.2024.