Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite

des Verfassers
lah angeführet habe, wird von den besten persischen Schriftstellern beygebracht:
nämlich die häßliche Gestalt der Scythen in Vergleichung mit den Persern;
in deren Ansehung der Name Türkj, damit man vorher das wohlgestalte Volk
der Kiptschaken benennete, von den Dichtern denselben spottweise beygeleget
worden sey. Nach Sülejmans Tode, als diese Völker zerstreuet waren, und
bey dem Einbruche Dschingjiß Chans viele persische Satrapen 10 oder Statt-
halter (die über Syrien, Armenien, Paphlagonien, Cilicien, Mesopotamien,
Phönicien, Phrygien, und die übrigen asiatischen Königreiche, die zwischen
dem schwarzen Meere, der kaspischen See und dem Euphrat liegen, gesetzet
waren) die Gelegenheit ergriffen hatten, das persische Joch abzuschütteln: so
fassete Aeladdin, Sultan von Ikonien, der mächtigste unter diesen Fürsten,
gleichfals den Entschluß, den Ueberrest der dschingjißischen Truppen, die seine
Länder unaufhörlich beunruhigten, vollends auszurotten. Nachdem er aber
von denselben geschlagen und aus seinem Reiche vertrieben worden war: so
flohe er zu seinem Freunde, dem griechischen Kaiser Michael Paläologus, und
ersuchte ihn um seinen Beystand. Da derselbe nun als ein Vertriebener starb,
und sein Sohn Melikj Schah (von Nicephorus verderbter Weise Moloko 11 genennet), der nach der Zeit den Namen Aeladdins des II annahm, merkte,
daß ihn Paläologus nur mit leeren Worten hinhielte: so machte sich derselbe,
nachdem er um Erlaubniß abzureisen vergebens angehalten hatte, durch Hülfe
seiner Leute heimlich fort und kehrete in sein Land zurück. Hier vereinigte er
sich mit den Großen in seines Vaters Reiche, und befreyete nicht allein durch
seine Tapferkeit diese und sich selbst von dem scythischen Joche; sondern brachte
auch seine väterlichen Länder wieder unter seine Gewalt, und zwang viele
von den Feinden, sich seiner Herrschaft zu unterwerfen. Diesen ließ er allen
die Waffen nehmen; und um ihren kriegerischen Geist zu dämpfen, steckte er
dieselben unter die Bauern auf dem Lande, und ließ sie den Ackerbau treiben;
[Spaltenumbruch]
11 Gregoras nennet ihn [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] (Me-
lik, nach der Aussprache der Griechen),
[Spaltenumbruch]
im fünften Buche, 5 Hauptst. 1 Abschn.

gab
f

des Verfaſſers
lah angefuͤhret habe, wird von den beſten perſiſchen Schriftſtellern beygebracht:
naͤmlich die haͤßliche Geſtalt der Scythen in Vergleichung mit den Perſern;
in deren Anſehung der Name Tuͤrkj, damit man vorher das wohlgeſtalte Volk
der Kiptſchaken benennete, von den Dichtern denſelben ſpottweiſe beygeleget
worden ſey. Nach Suͤlejmans Tode, als dieſe Voͤlker zerſtreuet waren, und
bey dem Einbruche Dſchingjiß Chans viele perſiſche Satrapen 10 oder Statt-
halter (die uͤber Syrien, Armenien, Paphlagonien, Cilicien, Meſopotamien,
Phoͤnicien, Phrygien, und die uͤbrigen aſiatiſchen Koͤnigreiche, die zwiſchen
dem ſchwarzen Meere, der kaſpiſchen See und dem Euphrat liegen, geſetzet
waren) die Gelegenheit ergriffen hatten, das perſiſche Joch abzuſchuͤtteln: ſo
faſſete Aeladdin, Sultan von Ikonien, der maͤchtigſte unter dieſen Fuͤrſten,
gleichfals den Entſchluß, den Ueberreſt der dſchingjißiſchen Truppen, die ſeine
Laͤnder unaufhoͤrlich beunruhigten, vollends auszurotten. Nachdem er aber
von denſelben geſchlagen und aus ſeinem Reiche vertrieben worden war: ſo
flohe er zu ſeinem Freunde, dem griechiſchen Kaiſer Michael Palaͤologus, und
erſuchte ihn um ſeinen Beyſtand. Da derſelbe nun als ein Vertriebener ſtarb,
und ſein Sohn Melikj Schah (von Nicephorus verderbter Weiſe Moloko 11 genennet), der nach der Zeit den Namen Aeladdins des II annahm, merkte,
daß ihn Palaͤologus nur mit leeren Worten hinhielte: ſo machte ſich derſelbe,
nachdem er um Erlaubniß abzureiſen vergebens angehalten hatte, durch Huͤlfe
ſeiner Leute heimlich fort und kehrete in ſein Land zuruͤck. Hier vereinigte er
ſich mit den Großen in ſeines Vaters Reiche, und befreyete nicht allein durch
ſeine Tapferkeit dieſe und ſich ſelbſt von dem ſcythiſchen Joche; ſondern brachte
auch ſeine vaͤterlichen Laͤnder wieder unter ſeine Gewalt, und zwang viele
von den Feinden, ſich ſeiner Herrſchaft zu unterwerfen. Dieſen ließ er allen
die Waffen nehmen; und um ihren kriegeriſchen Geiſt zu daͤmpfen, ſteckte er
dieſelben unter die Bauern auf dem Lande, und ließ ſie den Ackerbau treiben;
[Spaltenumbruch]
11 Gregoras nennet ihn [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] (Me-
lik, nach der Ausſprache der Griechen),
[Spaltenumbruch]
im fuͤnften Buche, 5 Hauptſt. 1 Abſchn.

gab
f
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0047" n="41"/><fw place="top" type="header">des Verfa&#x017F;&#x017F;ers</fw><lb/>
lah angefu&#x0364;hret habe, wird von den be&#x017F;ten per&#x017F;i&#x017F;chen Schrift&#x017F;tellern beygebracht:<lb/>
na&#x0364;mlich die ha&#x0364;ßliche Ge&#x017F;talt der Scythen in Vergleichung mit den Per&#x017F;ern;<lb/>
in deren An&#x017F;ehung der Name Tu&#x0364;rkj, damit man vorher das wohlge&#x017F;talte Volk<lb/>
der Kipt&#x017F;chaken benennete, von den Dichtern den&#x017F;elben &#x017F;pottwei&#x017F;e beygeleget<lb/>
worden &#x017F;ey. Nach Su&#x0364;lejmans Tode, als die&#x017F;e Vo&#x0364;lker zer&#x017F;treuet waren, und<lb/>
bey dem Einbruche D&#x017F;chingjiß Chans viele per&#x017F;i&#x017F;che Satrapen <note place="end" n="10"/> oder Statt-<lb/>
halter (die u&#x0364;ber Syrien, Armenien, Paphlagonien, Cilicien, Me&#x017F;opotamien,<lb/>
Pho&#x0364;nicien, Phrygien, und die u&#x0364;brigen a&#x017F;iati&#x017F;chen Ko&#x0364;nigreiche, die zwi&#x017F;chen<lb/>
dem &#x017F;chwarzen Meere, der ka&#x017F;pi&#x017F;chen See und dem Euphrat liegen, ge&#x017F;etzet<lb/>
waren) die Gelegenheit ergriffen hatten, das per&#x017F;i&#x017F;che Joch abzu&#x017F;chu&#x0364;tteln: &#x017F;o<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ete Aeladdin, Sultan von Ikonien, der ma&#x0364;chtig&#x017F;te unter die&#x017F;en Fu&#x0364;r&#x017F;ten,<lb/>
gleichfals den Ent&#x017F;chluß, den Ueberre&#x017F;t der d&#x017F;chingjißi&#x017F;chen Truppen, die &#x017F;eine<lb/>
La&#x0364;nder unaufho&#x0364;rlich beunruhigten, vollends auszurotten. Nachdem er aber<lb/>
von den&#x017F;elben ge&#x017F;chlagen und aus &#x017F;einem Reiche vertrieben worden war: &#x017F;o<lb/>
flohe er zu &#x017F;einem Freunde, dem griechi&#x017F;chen Kai&#x017F;er Michael Pala&#x0364;ologus, und<lb/>
er&#x017F;uchte ihn um &#x017F;einen Bey&#x017F;tand. Da der&#x017F;elbe nun als ein Vertriebener &#x017F;tarb,<lb/>
und &#x017F;ein Sohn Melikj Schah (von Nicephorus verderbter Wei&#x017F;e Moloko <note place="end" n="11"/><lb/>
genennet), der nach der Zeit den Namen Aeladdins des <hi rendition="#aq">II</hi> annahm, merkte,<lb/>
daß ihn Pala&#x0364;ologus nur mit leeren Worten hinhielte: &#x017F;o machte &#x017F;ich der&#x017F;elbe,<lb/>
nachdem er um Erlaubniß abzurei&#x017F;en vergebens angehalten hatte, durch Hu&#x0364;lfe<lb/>
&#x017F;einer Leute heimlich fort und kehrete in &#x017F;ein Land zuru&#x0364;ck. Hier vereinigte er<lb/>
&#x017F;ich mit den Großen in &#x017F;eines Vaters Reiche, und befreyete nicht allein durch<lb/>
&#x017F;eine Tapferkeit die&#x017F;e und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t von dem &#x017F;cythi&#x017F;chen Joche; &#x017F;ondern brachte<lb/>
auch &#x017F;eine va&#x0364;terlichen La&#x0364;nder wieder unter &#x017F;eine Gewalt, und zwang viele<lb/>
von den Feinden, &#x017F;ich &#x017F;einer Herr&#x017F;chaft zu unterwerfen. Die&#x017F;en ließ er allen<lb/>
die Waffen nehmen; und um ihren kriegeri&#x017F;chen Gei&#x017F;t zu da&#x0364;mpfen, &#x017F;teckte er<lb/>
die&#x017F;elben unter die Bauern auf dem Lande, und ließ &#x017F;ie den Ackerbau treiben;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gab</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note place="end" n="11">Gregoras nennet ihn <gap reason="fm" unit="chars"/> (Me-<lb/>
lik, nach der Aus&#x017F;prache der Griechen),<lb/><cb n="2"/><lb/>
im fu&#x0364;nften Buche, 5 Haupt&#x017F;t. 1 Ab&#x017F;chn.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">f</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[41/0047] des Verfaſſers lah angefuͤhret habe, wird von den beſten perſiſchen Schriftſtellern beygebracht: naͤmlich die haͤßliche Geſtalt der Scythen in Vergleichung mit den Perſern; in deren Anſehung der Name Tuͤrkj, damit man vorher das wohlgeſtalte Volk der Kiptſchaken benennete, von den Dichtern denſelben ſpottweiſe beygeleget worden ſey. Nach Suͤlejmans Tode, als dieſe Voͤlker zerſtreuet waren, und bey dem Einbruche Dſchingjiß Chans viele perſiſche Satrapen ¹⁰ oder Statt- halter (die uͤber Syrien, Armenien, Paphlagonien, Cilicien, Meſopotamien, Phoͤnicien, Phrygien, und die uͤbrigen aſiatiſchen Koͤnigreiche, die zwiſchen dem ſchwarzen Meere, der kaſpiſchen See und dem Euphrat liegen, geſetzet waren) die Gelegenheit ergriffen hatten, das perſiſche Joch abzuſchuͤtteln: ſo faſſete Aeladdin, Sultan von Ikonien, der maͤchtigſte unter dieſen Fuͤrſten, gleichfals den Entſchluß, den Ueberreſt der dſchingjißiſchen Truppen, die ſeine Laͤnder unaufhoͤrlich beunruhigten, vollends auszurotten. Nachdem er aber von denſelben geſchlagen und aus ſeinem Reiche vertrieben worden war: ſo flohe er zu ſeinem Freunde, dem griechiſchen Kaiſer Michael Palaͤologus, und erſuchte ihn um ſeinen Beyſtand. Da derſelbe nun als ein Vertriebener ſtarb, und ſein Sohn Melikj Schah (von Nicephorus verderbter Weiſe Moloko ¹¹ genennet), der nach der Zeit den Namen Aeladdins des II annahm, merkte, daß ihn Palaͤologus nur mit leeren Worten hinhielte: ſo machte ſich derſelbe, nachdem er um Erlaubniß abzureiſen vergebens angehalten hatte, durch Huͤlfe ſeiner Leute heimlich fort und kehrete in ſein Land zuruͤck. Hier vereinigte er ſich mit den Großen in ſeines Vaters Reiche, und befreyete nicht allein durch ſeine Tapferkeit dieſe und ſich ſelbſt von dem ſcythiſchen Joche; ſondern brachte auch ſeine vaͤterlichen Laͤnder wieder unter ſeine Gewalt, und zwang viele von den Feinden, ſich ſeiner Herrſchaft zu unterwerfen. Dieſen ließ er allen die Waffen nehmen; und um ihren kriegeriſchen Geiſt zu daͤmpfen, ſteckte er dieſelben unter die Bauern auf dem Lande, und ließ ſie den Ackerbau treiben; gab ¹¹ Gregoras nennet ihn _ (Me- lik, nach der Ausſprache der Griechen), im fuͤnften Buche, 5 Hauptſt. 1 Abſchn. f

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/47
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/47>, abgerufen am 23.11.2024.