Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.10. Sülejman der I den Flüchtigen beherzt nach, holet dieselben nicht weit von Kilis ein, greifet siemuthig an, und treibet sie aus einander. Nach diesem Siege belagert er Kilis, erobert dasselbe in wenigen Tagen, und bringet auf diese Art eine ganz neue Sandschakschaft an das Reich, von welcher Sache er die fröhliche Zeitung nach Constantinopel sendet. 32. Indem das osmanische Reich solchergestalt in Asien erweitert wird:Chäjrüddin ver- 33. Gegen das Ende des Jahres rüstete der Kaiser noch eine andereKjürfüß wird gefangen, und starb zu Stockholm. Als ich [Spaltenumbruch]
im Jahre 1712 nach Moskow kam: so traf ich ihn daselbst an, und erhielte von ihm ein Geschlechtsregister der Chane von Georgien, in das Griechische übersetzet, das mit seltsa- men Mährleinen untermischet war. In die- sem Geschlechtsregister wurde der jüdische Kö- nig David für den Stifter dieses Geschlechts angegeben, dessen Enkel von Salomons Linie aus dem jüdischen Lande nach Georgien ge- kommen wäre und daselbst ein Königreich auf- gerichtet hätte, auch zuletzt (ich weis nicht wie es zugegangen) von seinem Vater im Namen der heiligen Dreyeinigkeit getaufet worden wäre. Weil er nun diese albernen Mährleine fest glaubte: so behauptete er auf das steifste, daß er mit unserm Herrn Jesus Christus, als Menschen, dem Geblüte nach verwandt wäre. Hieraus wird der Leser leicht die Unwissenheit dieses Volkes erkennen können. 59 Chäjrüddin] Das Wort heißet sei- nem Ursprunge nach, die Güte des Glaubens. Er war ein berühmter Seeräuber, und nach- gehends Großadmiral des osmanischen Rei- ches; ein Schrecken der Christen, von denen er insgemein Barbarossa genennet wird. Nach ihm haben die Türken noch einen be- rühmten Kapudan Pascha unter dem Sultane Mustäfa gehabt. Dieses war Mezzomorts, dem die türkische Seemacht allen ihren Ruhm zu danken hat. Ungeachtet derselbe, als Ka- pudan Pascha, drey Roßschweife führete und die Würde eines Weßirs genoß: so legte er doch seine Schiffskleider niemals ab, und sagte; die türkische Kleidung schicke sich nicht für Seeleute, und kostbare Zeuge seyen für einen Seefahrenden zu tragen schimpflich. Daher pflegen von dessen Zeiten an alle Ad- mirale und Schiffsbefehlhaber nicht anders, als in ihrer Schiffskleidung, zu gehen. Flote 2 P 2
10. Suͤlejman der I den Fluͤchtigen beherzt nach, holet dieſelben nicht weit von Kilis ein, greifet ſiemuthig an, und treibet ſie aus einander. Nach dieſem Siege belagert er Kilis, erobert daſſelbe in wenigen Tagen, und bringet auf dieſe Art eine ganz neue Sandſchakſchaft an das Reich, von welcher Sache er die froͤhliche Zeitung nach Conſtantinopel ſendet. 32. Indem das osmaniſche Reich ſolchergeſtalt in Aſien erweitert wird:Chaͤjruͤddin ver- 33. Gegen das Ende des Jahres ruͤſtete der Kaiſer noch eine andereKjuͤrfuͤß wird gefangen, und ſtarb zu Stockholm. Als ich [Spaltenumbruch]
im Jahre 1712 nach Moſkow kam: ſo traf ich ihn daſelbſt an, und erhielte von ihm ein Geſchlechtsregiſter der Chane von Georgien, in das Griechiſche uͤberſetzet, das mit ſeltſa- men Maͤhrleinen untermiſchet war. In die- ſem Geſchlechtsregiſter wurde der juͤdiſche Koͤ- nig David fuͤr den Stifter dieſes Geſchlechts angegeben, deſſen Enkel von Salomons Linie aus dem juͤdiſchen Lande nach Georgien ge- kommen waͤre und daſelbſt ein Koͤnigreich auf- gerichtet haͤtte, auch zuletzt (ich weis nicht wie es zugegangen) von ſeinem Vater im Namen der heiligen Dreyeinigkeit getaufet worden waͤre. Weil er nun dieſe albernen Maͤhrleine feſt glaubte: ſo behauptete er auf das ſteifſte, daß er mit unſerm Herrn Jeſus Chriſtus, als Menſchen, dem Gebluͤte nach verwandt waͤre. Hieraus wird der Leſer leicht die Unwiſſenheit dieſes Volkes erkennen koͤnnen. 59 Chaͤjruͤddin] Das Wort heißet ſei- nem Urſprunge nach, die Guͤte des Glaubens. Er war ein beruͤhmter Seeraͤuber, und nach- gehends Großadmiral des osmaniſchen Rei- ches; ein Schrecken der Chriſten, von denen er insgemein Barbaroſſa genennet wird. Nach ihm haben die Tuͤrken noch einen be- ruͤhmten Kapudan Paſcha unter dem Sultane Muſtaͤfa gehabt. Dieſes war Mezzomorts, dem die tuͤrkiſche Seemacht allen ihren Ruhm zu danken hat. Ungeachtet derſelbe, als Ka- pudan Paſcha, drey Roßſchweife fuͤhrete und die Wuͤrde eines Weßirs genoß: ſo legte er doch ſeine Schiffskleider niemals ab, und ſagte; die tuͤrkiſche Kleidung ſchicke ſich nicht fuͤr Seeleute, und koſtbare Zeuge ſeyen fuͤr einen Seefahrenden zu tragen ſchimpflich. Daher pflegen von deſſen Zeiten an alle Ad- mirale und Schiffsbefehlhaber nicht anders, als in ihrer Schiffskleidung, zu gehen. Flote 2 P 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0389" n="299"/><fw place="top" type="header">10. Suͤlejman der <hi rendition="#aq">I</hi></fw><lb/> den Fluͤchtigen beherzt nach, holet dieſelben nicht weit von Kilis ein, greifet ſie<lb/> muthig an, und treibet ſie aus einander. Nach dieſem Siege belagert er Kilis,<lb/> erobert daſſelbe in wenigen Tagen, und bringet auf dieſe Art eine ganz neue<lb/> Sandſchakſchaft an das Reich, von welcher Sache er die froͤhliche Zeitung nach<lb/> Conſtantinopel ſendet.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>32.</head> <p>Indem das osmaniſche Reich ſolchergeſtalt in Aſien erweitert wird:<note place="right">Chaͤjruͤddin ver-<lb/> wuͤſtet Apulien.</note><lb/> ſo bekommt es zu gleicher Zeit keinen geringern Zuwachs in Weſten. Denn<lb/> Chaͤjruͤddin Paſcha <note place="end" n="59"/> (der, wie ich bereits erwaͤhnet habe, von Suͤlejman aus<lb/> einem Seeraͤuber zum Großadmiral war gemacht worden) verwuͤſtet die ganze<lb/> afrikaniſche Kuͤſte in dem mittellaͤndiſchen Meere, erobert alle Staͤdte, die ſich<lb/> nicht unterwerfen wollen, und verheret die umliegenden Laͤnder mit Feuer und<lb/> Schwerte. Nachdem er ſolchergeſtalt alle die feſten Plaͤtze in den daſigen Ge-<lb/> genden unter den Fuß gebracht hatte: ſo laͤndete er auf dem Ruͤckwege in Apu-<lb/> lien an, eroberte die Stadt Kuͤslube, uͤberſchwemmete das angrenzende Land,<lb/> und fuͤhrete eine große Anzahl Gefangenen mit ſich weg.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>33.</head> <p>Gegen das Ende des Jahres ruͤſtete der Kaiſer noch eine andere<note place="right">Kjuͤrfuͤß wird<lb/> vergebens bela-<lb/> gert.</note><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Flote</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note xml:id="P389" prev="#P388" place="end">gefangen, und ſtarb zu Stockholm. Als ich<lb/> im Jahre 1712 nach Moſkow kam: ſo traf<lb/> ich ihn daſelbſt an, und erhielte von ihm ein<lb/> Geſchlechtsregiſter der Chane von Georgien,<lb/> in das Griechiſche uͤberſetzet, das mit ſeltſa-<lb/> men Maͤhrleinen untermiſchet war. In die-<lb/> ſem Geſchlechtsregiſter wurde der juͤdiſche Koͤ-<lb/> nig David fuͤr den Stifter dieſes Geſchlechts<lb/> angegeben, deſſen Enkel von Salomons Linie<lb/> aus dem juͤdiſchen Lande nach Georgien ge-<lb/> kommen waͤre und daſelbſt ein Koͤnigreich auf-<lb/> gerichtet haͤtte, auch zuletzt (ich weis nicht<lb/> wie es zugegangen) von ſeinem Vater im<lb/> Namen der heiligen Dreyeinigkeit getaufet<lb/> worden waͤre. Weil er nun dieſe albernen<lb/> Maͤhrleine feſt glaubte: ſo behauptete er auf<lb/> das ſteifſte, daß er mit unſerm Herrn Jeſus<lb/> Chriſtus, als Menſchen, dem Gebluͤte nach<lb/> verwandt waͤre. Hieraus wird der Leſer<lb/> leicht die Unwiſſenheit dieſes Volkes erkennen<lb/> koͤnnen.</note><lb/><cb n="2"/><lb/><note place="end" n="59">Chaͤjruͤddin] Das Wort heißet ſei-<lb/> nem Urſprunge nach, die Guͤte des Glaubens.<lb/> Er war ein beruͤhmter Seeraͤuber, und nach-<lb/> gehends Großadmiral des osmaniſchen Rei-<lb/> ches; ein Schrecken der Chriſten, von denen<lb/> er insgemein Barbaroſſa genennet wird.<lb/> Nach ihm haben die Tuͤrken noch einen be-<lb/> ruͤhmten Kapudan Paſcha unter dem Sultane<lb/> Muſtaͤfa gehabt. Dieſes war Mezzomorts,<lb/> dem die tuͤrkiſche Seemacht allen ihren Ruhm<lb/> zu danken hat. Ungeachtet derſelbe, als Ka-<lb/> pudan Paſcha, drey Roßſchweife fuͤhrete und<lb/> die Wuͤrde eines Weßirs genoß: ſo legte er<lb/> doch ſeine Schiffskleider niemals ab, und<lb/> ſagte; die tuͤrkiſche Kleidung ſchicke ſich nicht<lb/> fuͤr Seeleute, und koſtbare Zeuge ſeyen fuͤr<lb/> einen Seefahrenden zu tragen ſchimpflich.<lb/> Daher pflegen von deſſen Zeiten an alle Ad-<lb/> mirale und Schiffsbefehlhaber nicht anders,<lb/> als in ihrer Schiffskleidung, zu gehen.</note><lb/> <fw place="bottom" type="sig">2 P 2</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [299/0389]
10. Suͤlejman der I
den Fluͤchtigen beherzt nach, holet dieſelben nicht weit von Kilis ein, greifet ſie
muthig an, und treibet ſie aus einander. Nach dieſem Siege belagert er Kilis,
erobert daſſelbe in wenigen Tagen, und bringet auf dieſe Art eine ganz neue
Sandſchakſchaft an das Reich, von welcher Sache er die froͤhliche Zeitung nach
Conſtantinopel ſendet.
32. Indem das osmaniſche Reich ſolchergeſtalt in Aſien erweitert wird:
ſo bekommt es zu gleicher Zeit keinen geringern Zuwachs in Weſten. Denn
Chaͤjruͤddin Paſcha
⁵⁹
(der, wie ich bereits erwaͤhnet habe, von Suͤlejman aus
einem Seeraͤuber zum Großadmiral war gemacht worden) verwuͤſtet die ganze
afrikaniſche Kuͤſte in dem mittellaͤndiſchen Meere, erobert alle Staͤdte, die ſich
nicht unterwerfen wollen, und verheret die umliegenden Laͤnder mit Feuer und
Schwerte. Nachdem er ſolchergeſtalt alle die feſten Plaͤtze in den daſigen Ge-
genden unter den Fuß gebracht hatte: ſo laͤndete er auf dem Ruͤckwege in Apu-
lien an, eroberte die Stadt Kuͤslube, uͤberſchwemmete das angrenzende Land,
und fuͤhrete eine große Anzahl Gefangenen mit ſich weg.
Chaͤjruͤddin ver-
wuͤſtet Apulien.
33. Gegen das Ende des Jahres ruͤſtete der Kaiſer noch eine andere
Flote
gefangen, und ſtarb zu Stockholm. Als ich
im Jahre 1712 nach Moſkow kam: ſo traf
ich ihn daſelbſt an, und erhielte von ihm ein
Geſchlechtsregiſter der Chane von Georgien,
in das Griechiſche uͤberſetzet, das mit ſeltſa-
men Maͤhrleinen untermiſchet war. In die-
ſem Geſchlechtsregiſter wurde der juͤdiſche Koͤ-
nig David fuͤr den Stifter dieſes Geſchlechts
angegeben, deſſen Enkel von Salomons Linie
aus dem juͤdiſchen Lande nach Georgien ge-
kommen waͤre und daſelbſt ein Koͤnigreich auf-
gerichtet haͤtte, auch zuletzt (ich weis nicht
wie es zugegangen) von ſeinem Vater im
Namen der heiligen Dreyeinigkeit getaufet
worden waͤre. Weil er nun dieſe albernen
Maͤhrleine feſt glaubte: ſo behauptete er auf
das ſteifſte, daß er mit unſerm Herrn Jeſus
Chriſtus, als Menſchen, dem Gebluͤte nach
verwandt waͤre. Hieraus wird der Leſer
leicht die Unwiſſenheit dieſes Volkes erkennen
koͤnnen.
⁵⁹ Chaͤjruͤddin] Das Wort heißet ſei-
nem Urſprunge nach, die Guͤte des Glaubens.
Er war ein beruͤhmter Seeraͤuber, und nach-
gehends Großadmiral des osmaniſchen Rei-
ches; ein Schrecken der Chriſten, von denen
er insgemein Barbaroſſa genennet wird.
Nach ihm haben die Tuͤrken noch einen be-
ruͤhmten Kapudan Paſcha unter dem Sultane
Muſtaͤfa gehabt. Dieſes war Mezzomorts,
dem die tuͤrkiſche Seemacht allen ihren Ruhm
zu danken hat. Ungeachtet derſelbe, als Ka-
pudan Paſcha, drey Roßſchweife fuͤhrete und
die Wuͤrde eines Weßirs genoß: ſo legte er
doch ſeine Schiffskleider niemals ab, und
ſagte; die tuͤrkiſche Kleidung ſchicke ſich nicht
fuͤr Seeleute, und koſtbare Zeuge ſeyen fuͤr
einen Seefahrenden zu tragen ſchimpflich.
Daher pflegen von deſſen Zeiten an alle Ad-
mirale und Schiffsbefehlhaber nicht anders,
als in ihrer Schiffskleidung, zu gehen.
Kjuͤrfuͤß wird
vergebens bela-
gert.
2 P 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |