Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.10. Sülejman der I sich allen Unternehmungen der Feinde zu widersetzen. Auf diese Weise schrecketer den Schah nicht nur von der vorgehabten Belagerung ab; sondern setzet auch denselben in solche Furcht, daß er ungesäumt Gesandten an den Kaiser abschicket und um Frieden anhalten lässet. Sülejman höret zwar dieselben mit Gelassen- heit an; schicket sie aber ohne Antwort wieder fort. 29. Im Jahre 942, als derselbe sahe, daß von den Persern nichts mehrführet seine 30. Im folgenden Jahre schiene es die Nothwendigkeit zu erfordern,lässet Gjürdschi- 57 Bitlis] Eine bekannte persische Stadt an den Grenzen von Georgien, an einem Flusse desselben Namens gelegen. Dieser Fluß führet eine große Menge einer Gattung Fische, Morunen genennet, die größte Art von Fluß- fischen, die sonst nirgends, als in der Donau und Wolga, gefunden werden. Sie bleiben niemals über Winter in diesem Flusse, sondern gehen im Frühjahre in die See, und im Herb- ste kehren sie wieder in die Wolga zurück, so daß nicht ein einziger des Winters über in der kaspischen See anzutreffen ist. Die Rus- sen, die den Ausfluß der Wolga im Besitze ha- ben und dieses wohl wissen, verstopfen die Ausgänge mit Zaunwerk von Schilf gemacht, darinnen sie eine unbeschreibliche Menge Fische [Spaltenumbruch] fangen, wann diese im Anfange des Frühjah- res in die See gehen. Als aber die Einwoh- ner von Bitlis sahen, daß ihnen ihr jährlicher Fang solchergestalt weggeschnappet wurde: so machten sie mit den Russen einen Vergleich, daß am Tage vor dem Palmsonntage, um der Christen zu Bitlis willen, wenigstens ein Zaun sollte geöffnet, und drey Tage lang of- fen gehalten werden. Nach dieser Einrich- tung fänget man gleich den Tag darauf eine große Menge Morunen in dem Flusse Bitlis. Wenn diese Umstände wahr sind (wie sie mir dann von einem Türken, der zu Bitlis wohn- haft war und es mit Augen angesehen hatte, sind erzählet worden): so muß man sich über die Behendigkeit dieses Fisches verwundern, selbst 2 P
10. Suͤlejman der I ſich allen Unternehmungen der Feinde zu widerſetzen. Auf dieſe Weiſe ſchrecketer den Schah nicht nur von der vorgehabten Belagerung ab; ſondern ſetzet auch denſelben in ſolche Furcht, daß er ungeſaͤumt Geſandten an den Kaiſer abſchicket und um Frieden anhalten laͤſſet. Suͤlejman hoͤret zwar dieſelben mit Gelaſſen- heit an; ſchicket ſie aber ohne Antwort wieder fort. 29. Im Jahre 942, als derſelbe ſahe, daß von den Perſern nichts mehrfuͤhret ſeine 30. Im folgenden Jahre ſchiene es die Nothwendigkeit zu erfordern,laͤſſet Gjuͤrdſchi- 57 Bitlis] Eine bekannte perſiſche Stadt an den Grenzen von Georgien, an einem Fluſſe deſſelben Namens gelegen. Dieſer Fluß fuͤhret eine große Menge einer Gattung Fiſche, Morunen genennet, die groͤßte Art von Fluß- fiſchen, die ſonſt nirgends, als in der Donau und Wolga, gefunden werden. Sie bleiben niemals uͤber Winter in dieſem Fluſſe, ſondern gehen im Fruͤhjahre in die See, und im Herb- ſte kehren ſie wieder in die Wolga zuruͤck, ſo daß nicht ein einziger des Winters uͤber in der kaſpiſchen See anzutreffen iſt. Die Ruſ- ſen, die den Ausfluß der Wolga im Beſitze ha- ben und dieſes wohl wiſſen, verſtopfen die Ausgaͤnge mit Zaunwerk von Schilf gemacht, darinnen ſie eine unbeſchreibliche Menge Fiſche [Spaltenumbruch] fangen, wann dieſe im Anfange des Fruͤhjah- res in die See gehen. Als aber die Einwoh- ner von Bitlis ſahen, daß ihnen ihr jaͤhrlicher Fang ſolchergeſtalt weggeſchnappet wurde: ſo machten ſie mit den Ruſſen einen Vergleich, daß am Tage vor dem Palmſonntage, um der Chriſten zu Bitlis willen, wenigſtens ein Zaun ſollte geoͤffnet, und drey Tage lang of- fen gehalten werden. Nach dieſer Einrich- tung faͤnget man gleich den Tag darauf eine große Menge Morunen in dem Fluſſe Bitlis. Wenn dieſe Umſtaͤnde wahr ſind (wie ſie mir dann von einem Tuͤrken, der zu Bitlis wohn- haft war und es mit Augen angeſehen hatte, ſind erzaͤhlet worden): ſo muß man ſich uͤber die Behendigkeit dieſes Fiſches verwundern, ſelbſt 2 P
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10. Suͤlejman der I
ſich allen Unternehmungen der Feinde zu widerſetzen. Auf dieſe Weiſe ſchrecket
er den Schah nicht nur von der vorgehabten Belagerung ab; ſondern ſetzet auch
denſelben in ſolche Furcht, daß er ungeſaͤumt Geſandten an den Kaiſer abſchicket
und um Frieden anhalten laͤſſet. Suͤlejman hoͤret zwar dieſelben mit Gelaſſen-
heit an; ſchicket ſie aber ohne Antwort wieder fort.
29. Im Jahre 942, als derſelbe ſahe, daß von den Perſern nichts mehr
zu befuͤrchten war, fuͤhret er ſeine ſiegreichen Truppen uͤber Chawit auf Der-
dſchiſche zu. Hier kommt der Chan von Bitlis
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zu dem Kaiſer in das Lager.
Nach erlangtem Gehoͤre verſpricht derſelbe nicht nur, dem osmaniſchen Reiche
inskuͤnftige unterthan zu ſeyn; ſondern uͤberreichet ihm auch in Demuth die
Schluͤſſel von allen Staͤdten, die unter ſeiner Gerichtbarkeit ſtunden, und
wird bey ſeiner Ruͤckkehre mit großen Ehrenbezeigungen von Suͤlejman entlaſ-
ſen. Nach der Abreiſe deſſelben ſetzte der Sultan ſeinen Zug uͤber Aemße nach
Aleppo fort, und hielt endlich im Monate Redſcheb zu Conſtantinopel ſeinen ſieg-
haften Einzug. Am dritten Tage darauf aber ließ derſelbe ſeinen vormals ſo
geliebten und tapfern Feldherrn Ibrahim Paſcha ums Leben bringen.
fuͤhret ſeine
Truppen nach
Hauſe, und laͤſſet
Ibrahim Paſcha
ums Leben brin-
gen:
H. 942.
J. C. 1535.
30. Im folgenden Jahre ſchiene es die Nothwendigkeit zu erfordern,
daß ein neuer Feldzug nach Perſien vorgenommen wuͤrde, um zu verhindern,
daß die letzthin gemachten Eroberungen nicht wieder verloren gingen. Weil
aber die Laͤnge und Beſchwerlichkeit der Reiſe den Kaiſer abſchreckten, denſelben
ſelbſt
⁵⁷ Bitlis] Eine bekannte perſiſche Stadt
an den Grenzen von Georgien, an einem
Fluſſe deſſelben Namens gelegen. Dieſer Fluß
fuͤhret eine große Menge einer Gattung Fiſche,
Morunen genennet, die groͤßte Art von Fluß-
fiſchen, die ſonſt nirgends, als in der Donau
und Wolga, gefunden werden. Sie bleiben
niemals uͤber Winter in dieſem Fluſſe, ſondern
gehen im Fruͤhjahre in die See, und im Herb-
ſte kehren ſie wieder in die Wolga zuruͤck, ſo
daß nicht ein einziger des Winters uͤber in
der kaſpiſchen See anzutreffen iſt. Die Ruſ-
ſen, die den Ausfluß der Wolga im Beſitze ha-
ben und dieſes wohl wiſſen, verſtopfen die
Ausgaͤnge mit Zaunwerk von Schilf gemacht,
darinnen ſie eine unbeſchreibliche Menge Fiſche
fangen, wann dieſe im Anfange des Fruͤhjah-
res in die See gehen. Als aber die Einwoh-
ner von Bitlis ſahen, daß ihnen ihr jaͤhrlicher
Fang ſolchergeſtalt weggeſchnappet wurde:
ſo machten ſie mit den Ruſſen einen Vergleich,
daß am Tage vor dem Palmſonntage, um
der Chriſten zu Bitlis willen, wenigſtens ein
Zaun ſollte geoͤffnet, und drey Tage lang of-
fen gehalten werden. Nach dieſer Einrich-
tung faͤnget man gleich den Tag darauf eine
große Menge Morunen in dem Fluſſe Bitlis.
Wenn dieſe Umſtaͤnde wahr ſind (wie ſie mir
dann von einem Tuͤrken, der zu Bitlis wohn-
haft war und es mit Augen angeſehen hatte,
ſind erzaͤhlet worden): ſo muß man ſich uͤber
die Behendigkeit dieſes Fiſches verwundern,
indem
laͤſſet Gjuͤrdſchi-
ſtan durch Me-
hemmed Chan
einnehmen.
H. 943.
J. C. 1536.
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