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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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10. Sülejman der I
sich allen Unternehmungen der Feinde zu widersetzen. Auf diese Weise schrecket
er den Schah nicht nur von der vorgehabten Belagerung ab; sondern setzet auch
denselben in solche Furcht, daß er ungesäumt Gesandten an den Kaiser abschicket
und um Frieden anhalten lässet. Sülejman höret zwar dieselben mit Gelassen-
heit an; schicket sie aber ohne Antwort wieder fort.

29.

Im Jahre 942, als derselbe sahe, daß von den Persern nichts mehrführet seine
Truppen nach
Hause, und lässet
Ibrahim Pascha
ums Leben brin-
gen:

zu befürchten war, führet er seine siegreichen Truppen über Chawit auf Der-
dschische zu. Hier kommt der Chan von Bitlis 57 zu dem Kaiser in das Lager.
Nach erlangtem Gehöre verspricht derselbe nicht nur, dem osmanischen Reiche
inskünftige unterthan zu seyn; sondern überreichet ihm auch in Demuth dieH. 942.



J. C. 1535.
Schlüssel von allen Städten, die unter seiner Gerichtbarkeit stunden, und
wird bey seiner Rückkehre mit großen Ehrenbezeigungen von Sülejman entlas-
sen. Nach der Abreise desselben setzte der Sultan seinen Zug über Aemße nach
Aleppo fort, und hielt endlich im Monate Redscheb zu Constantinopel seinen sieg-
haften Einzug. Am dritten Tage darauf aber ließ derselbe seinen vormals so
geliebten und tapfern Feldherrn Ibrahim Pascha ums Leben bringen.

30.

Im folgenden Jahre schiene es die Nothwendigkeit zu erfordern,lässet Gjürdschi-
stan durch Me-
hemmed Chan
einnehmen.

daß ein neuer Feldzug nach Persien vorgenommen würde, um zu verhindern,
daß die letzthin gemachten Eroberungen nicht wieder verloren gingen. Weil
aber die Länge und Beschwerlichkeit der Reise den Kaiser abschreckten, denselbenH. 943.



J. C. 1536.
[Spaltenumbruch]
57 Bitlis] Eine bekannte persische Stadt
an den Grenzen von Georgien, an einem
Flusse desselben Namens gelegen. Dieser Fluß
führet eine große Menge einer Gattung Fische,
Morunen genennet, die größte Art von Fluß-
fischen, die sonst nirgends, als in der Donau
und Wolga, gefunden werden. Sie bleiben
niemals über Winter in diesem Flusse, sondern
gehen im Frühjahre in die See, und im Herb-
ste kehren sie wieder in die Wolga zurück, so
daß nicht ein einziger des Winters über in
der kaspischen See anzutreffen ist. Die Rus-
sen, die den Ausfluß der Wolga im Besitze ha-
ben und dieses wohl wissen, verstopfen die
Ausgänge mit Zaunwerk von Schilf gemacht,
darinnen sie eine unbeschreibliche Menge Fische
[Spaltenumbruch]
fangen, wann diese im Anfange des Frühjah-
res in die See gehen. Als aber die Einwoh-
ner von Bitlis sahen, daß ihnen ihr jährlicher
Fang solchergestalt weggeschnappet wurde:
so machten sie mit den Russen einen Vergleich,
daß am Tage vor dem Palmsonntage, um
der Christen zu Bitlis willen, wenigstens ein
Zaun sollte geöffnet, und drey Tage lang of-
fen gehalten werden. Nach dieser Einrich-
tung fänget man gleich den Tag darauf eine
große Menge Morunen in dem Flusse Bitlis.
Wenn diese Umstände wahr sind (wie sie mir
dann von einem Türken, der zu Bitlis wohn-
haft war und es mit Augen angesehen hatte,
sind erzählet worden): so muß man sich über
die Behendigkeit dieses Fisches verwundern,

selbst
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10. Suͤlejman der I
ſich allen Unternehmungen der Feinde zu widerſetzen. Auf dieſe Weiſe ſchrecket
er den Schah nicht nur von der vorgehabten Belagerung ab; ſondern ſetzet auch
denſelben in ſolche Furcht, daß er ungeſaͤumt Geſandten an den Kaiſer abſchicket
und um Frieden anhalten laͤſſet. Suͤlejman hoͤret zwar dieſelben mit Gelaſſen-
heit an; ſchicket ſie aber ohne Antwort wieder fort.

29.

Im Jahre 942, als derſelbe ſahe, daß von den Perſern nichts mehrfuͤhret ſeine
Truppen nach
Hauſe, und laͤſſet
Ibrahim Paſcha
ums Leben brin-
gen:

zu befuͤrchten war, fuͤhret er ſeine ſiegreichen Truppen uͤber Chawit auf Der-
dſchiſche zu. Hier kommt der Chan von Bitlis 57 zu dem Kaiſer in das Lager.
Nach erlangtem Gehoͤre verſpricht derſelbe nicht nur, dem osmaniſchen Reiche
inskuͤnftige unterthan zu ſeyn; ſondern uͤberreichet ihm auch in Demuth dieH. 942.



J. C. 1535.
Schluͤſſel von allen Staͤdten, die unter ſeiner Gerichtbarkeit ſtunden, und
wird bey ſeiner Ruͤckkehre mit großen Ehrenbezeigungen von Suͤlejman entlaſ-
ſen. Nach der Abreiſe deſſelben ſetzte der Sultan ſeinen Zug uͤber Aemße nach
Aleppo fort, und hielt endlich im Monate Redſcheb zu Conſtantinopel ſeinen ſieg-
haften Einzug. Am dritten Tage darauf aber ließ derſelbe ſeinen vormals ſo
geliebten und tapfern Feldherrn Ibrahim Paſcha ums Leben bringen.

30.

Im folgenden Jahre ſchiene es die Nothwendigkeit zu erfordern,laͤſſet Gjuͤrdſchi-
ſtan durch Me-
hemmed Chan
einnehmen.

daß ein neuer Feldzug nach Perſien vorgenommen wuͤrde, um zu verhindern,
daß die letzthin gemachten Eroberungen nicht wieder verloren gingen. Weil
aber die Laͤnge und Beſchwerlichkeit der Reiſe den Kaiſer abſchreckten, denſelbenH. 943.



J. C. 1536.
[Spaltenumbruch]
57 Bitlis] Eine bekannte perſiſche Stadt
an den Grenzen von Georgien, an einem
Fluſſe deſſelben Namens gelegen. Dieſer Fluß
fuͤhret eine große Menge einer Gattung Fiſche,
Morunen genennet, die groͤßte Art von Fluß-
fiſchen, die ſonſt nirgends, als in der Donau
und Wolga, gefunden werden. Sie bleiben
niemals uͤber Winter in dieſem Fluſſe, ſondern
gehen im Fruͤhjahre in die See, und im Herb-
ſte kehren ſie wieder in die Wolga zuruͤck, ſo
daß nicht ein einziger des Winters uͤber in
der kaſpiſchen See anzutreffen iſt. Die Ruſ-
ſen, die den Ausfluß der Wolga im Beſitze ha-
ben und dieſes wohl wiſſen, verſtopfen die
Ausgaͤnge mit Zaunwerk von Schilf gemacht,
darinnen ſie eine unbeſchreibliche Menge Fiſche
[Spaltenumbruch]
fangen, wann dieſe im Anfange des Fruͤhjah-
res in die See gehen. Als aber die Einwoh-
ner von Bitlis ſahen, daß ihnen ihr jaͤhrlicher
Fang ſolchergeſtalt weggeſchnappet wurde:
ſo machten ſie mit den Ruſſen einen Vergleich,
daß am Tage vor dem Palmſonntage, um
der Chriſten zu Bitlis willen, wenigſtens ein
Zaun ſollte geoͤffnet, und drey Tage lang of-
fen gehalten werden. Nach dieſer Einrich-
tung faͤnget man gleich den Tag darauf eine
große Menge Morunen in dem Fluſſe Bitlis.
Wenn dieſe Umſtaͤnde wahr ſind (wie ſie mir
dann von einem Tuͤrken, der zu Bitlis wohn-
haft war und es mit Augen angeſehen hatte,
ſind erzaͤhlet worden): ſo muß man ſich uͤber
die Behendigkeit dieſes Fiſches verwundern,

ſelbſt
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[297/0387] 10. Suͤlejman der I ſich allen Unternehmungen der Feinde zu widerſetzen. Auf dieſe Weiſe ſchrecket er den Schah nicht nur von der vorgehabten Belagerung ab; ſondern ſetzet auch denſelben in ſolche Furcht, daß er ungeſaͤumt Geſandten an den Kaiſer abſchicket und um Frieden anhalten laͤſſet. Suͤlejman hoͤret zwar dieſelben mit Gelaſſen- heit an; ſchicket ſie aber ohne Antwort wieder fort. 29. Im Jahre 942, als derſelbe ſahe, daß von den Perſern nichts mehr zu befuͤrchten war, fuͤhret er ſeine ſiegreichen Truppen uͤber Chawit auf Der- dſchiſche zu. Hier kommt der Chan von Bitlis ⁵⁷ zu dem Kaiſer in das Lager. Nach erlangtem Gehoͤre verſpricht derſelbe nicht nur, dem osmaniſchen Reiche inskuͤnftige unterthan zu ſeyn; ſondern uͤberreichet ihm auch in Demuth die Schluͤſſel von allen Staͤdten, die unter ſeiner Gerichtbarkeit ſtunden, und wird bey ſeiner Ruͤckkehre mit großen Ehrenbezeigungen von Suͤlejman entlaſ- ſen. Nach der Abreiſe deſſelben ſetzte der Sultan ſeinen Zug uͤber Aemße nach Aleppo fort, und hielt endlich im Monate Redſcheb zu Conſtantinopel ſeinen ſieg- haften Einzug. Am dritten Tage darauf aber ließ derſelbe ſeinen vormals ſo geliebten und tapfern Feldherrn Ibrahim Paſcha ums Leben bringen. fuͤhret ſeine Truppen nach Hauſe, und laͤſſet Ibrahim Paſcha ums Leben brin- gen: H. 942. J. C. 1535. 30. Im folgenden Jahre ſchiene es die Nothwendigkeit zu erfordern, daß ein neuer Feldzug nach Perſien vorgenommen wuͤrde, um zu verhindern, daß die letzthin gemachten Eroberungen nicht wieder verloren gingen. Weil aber die Laͤnge und Beſchwerlichkeit der Reiſe den Kaiſer abſchreckten, denſelben ſelbſt ⁵⁷ Bitlis] Eine bekannte perſiſche Stadt an den Grenzen von Georgien, an einem Fluſſe deſſelben Namens gelegen. Dieſer Fluß fuͤhret eine große Menge einer Gattung Fiſche, Morunen genennet, die groͤßte Art von Fluß- fiſchen, die ſonſt nirgends, als in der Donau und Wolga, gefunden werden. Sie bleiben niemals uͤber Winter in dieſem Fluſſe, ſondern gehen im Fruͤhjahre in die See, und im Herb- ſte kehren ſie wieder in die Wolga zuruͤck, ſo daß nicht ein einziger des Winters uͤber in der kaſpiſchen See anzutreffen iſt. Die Ruſ- ſen, die den Ausfluß der Wolga im Beſitze ha- ben und dieſes wohl wiſſen, verſtopfen die Ausgaͤnge mit Zaunwerk von Schilf gemacht, darinnen ſie eine unbeſchreibliche Menge Fiſche fangen, wann dieſe im Anfange des Fruͤhjah- res in die See gehen. Als aber die Einwoh- ner von Bitlis ſahen, daß ihnen ihr jaͤhrlicher Fang ſolchergeſtalt weggeſchnappet wurde: ſo machten ſie mit den Ruſſen einen Vergleich, daß am Tage vor dem Palmſonntage, um der Chriſten zu Bitlis willen, wenigſtens ein Zaun ſollte geoͤffnet, und drey Tage lang of- fen gehalten werden. Nach dieſer Einrich- tung faͤnget man gleich den Tag darauf eine große Menge Morunen in dem Fluſſe Bitlis. Wenn dieſe Umſtaͤnde wahr ſind (wie ſie mir dann von einem Tuͤrken, der zu Bitlis wohn- haft war und es mit Augen angeſehen hatte, ſind erzaͤhlet worden): ſo muß man ſich uͤber die Behendigkeit dieſes Fiſches verwundern, indem laͤſſet Gjuͤrdſchi- ſtan durch Me- hemmed Chan einnehmen. H. 943. J. C. 1536. 2 P

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/387>, abgerufen am 22.11.2024.