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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
terdars* genau. Weil er nun befand, daß derselbe nicht allein verschiedene
Beutel Geldes zu seinem eigenen Nutzen verwendet; sondern auch sich den Geiz
so weit verleiten lassen, daß er sein Vorhaben den Persern verrathen hatte: so
befahl er, nachdem er der beleidigten Majestät schuldig erkläret worden, daß er
sollte gehenket werden. Als man den Defterdar unter den Galgen 53 bringet:
so fordert derselbe Feder, Dinte und Papier, und saget; er habe vor seinem
Ende dem Kaiser noch einige Dinge zu eröffnen. Nachdem Feder und Papier
gebracht worden: so schreibet er einen Brief an den Kaiser, und berichtet ihm,
daß der oberste Weßir, Ibrahim Pascha, eben sowol schuldig, und von den Per-
sern bestochen worden sey, dem Kaiser nach dem Leben zu trachten. Dieser
Brief, den zwar der Sultan anfangs unterdrückte 54, war die Ursache, daß die-
ser berühmte und kluge Weßir kurz hernach sein Leben lassen mußte.

schrecket die Per-
ser von der Bela-
gerung von Wanab:
28.

Indem Sülejman sich hier zu Bägdad aufhält: so kommen häufige
Botschaften von den feindlichen Grenzen an, daß der Schah von Persien mit
einem großen Kriegsheere auf dem Anzuge sey, Wan zu belagern. Daher keh-
ret derselbe unverzüglich nach Tibris zurück, und als er in den großen Dschami
daselbst gehet, der von Sultan Häsen mit unsäglichen Unkosten erbauet worden
war: so höret er in demselben die Namen der vier Nachfolger 55 Muhämmeds,
nebst seinem eigenen, von dem Chätib 56 erwähnen. Tags darauf bricht er
wieder auf, und lagert sich bey Dergedschine, um in Bereitschaft zu seyn, und
[Spaltenumbruch]

53 unter den Galgen] Das Zeugniß
sterbender Personen findet bey den Türken
großen Glauben. Denn sie sind festiglich
überredet, dasjenige, was ein Mensch, der
entweder seinem natürlichen oder gewaltsamen
Tode nahe ist, in den letzten Augenblicken
seines Lebens bekennet, sey so wahr, daß es
nicht allein die Aussage von vierzig Zeugen
übertreffe, sondern auch allen Zweifel weg-
nehme, wenn gleich die ganze Welt anderer
Meinung wäre. Daher ist es kein Wunder,
daß Sülejman diesem Zeugnisse Glauben zu-
gestellet, und auf dasselbe, ungeachtet sonst
keine Beweisthümer vorhanden waren, seinen
Weßir hat umbringen lassen.
54 unterdrückte] Es ist aller Welt be-
[Spaltenumbruch]
kannt, wie künstlich die Osmanen sich verstel-
len können, sonderlich in Sachen, welche
Verrath betreffen, oder wenn es ihre Feinde
angehet. Daher ist es ein gemeines Sprich-
wort bey ihnen: Kjesilmejen El öpilmekj
gjerekj; die Hand, die wir nicht abhauen
können, müssen wir küssen.
55 Nachfolger] Ihre Namen stehen oben
auf der 200 Seite. Die Perser leugnen die
drey erstern, und erkennen nur bloß Ali dafür.
56 Chätib] Ein Leser, wie in unsern
Kirchen die Diakonen sind: imgleichen ein
Prediger, der von der Kanzel des Kaisers
Namen in dem Gebete erwähnet.

sich
* Schatzmeisters.

Osmaniſche Geſchichte
terdars* genau. Weil er nun befand, daß derſelbe nicht allein verſchiedene
Beutel Geldes zu ſeinem eigenen Nutzen verwendet; ſondern auch ſich den Geiz
ſo weit verleiten laſſen, daß er ſein Vorhaben den Perſern verrathen hatte: ſo
befahl er, nachdem er der beleidigten Majeſtaͤt ſchuldig erklaͤret worden, daß er
ſollte gehenket werden. Als man den Defterdar unter den Galgen 53 bringet:
ſo fordert derſelbe Feder, Dinte und Papier, und ſaget; er habe vor ſeinem
Ende dem Kaiſer noch einige Dinge zu eroͤffnen. Nachdem Feder und Papier
gebracht worden: ſo ſchreibet er einen Brief an den Kaiſer, und berichtet ihm,
daß der oberſte Weßir, Ibrahim Paſcha, eben ſowol ſchuldig, und von den Per-
ſern beſtochen worden ſey, dem Kaiſer nach dem Leben zu trachten. Dieſer
Brief, den zwar der Sultan anfangs unterdruͤckte 54, war die Urſache, daß die-
ſer beruͤhmte und kluge Weßir kurz hernach ſein Leben laſſen mußte.

ſchrecket die Per-
ſer von der Bela-
gerung von Wanab:
28.

Indem Suͤlejman ſich hier zu Baͤgdad aufhaͤlt: ſo kommen haͤufige
Botſchaften von den feindlichen Grenzen an, daß der Schah von Perſien mit
einem großen Kriegsheere auf dem Anzuge ſey, Wan zu belagern. Daher keh-
ret derſelbe unverzuͤglich nach Tibris zuruͤck, und als er in den großen Dſchami
daſelbſt gehet, der von Sultan Haͤſen mit unſaͤglichen Unkoſten erbauet worden
war: ſo hoͤret er in demſelben die Namen der vier Nachfolger 55 Muhaͤmmeds,
nebſt ſeinem eigenen, von dem Chaͤtib 56 erwaͤhnen. Tags darauf bricht er
wieder auf, und lagert ſich bey Dergedſchine, um in Bereitſchaft zu ſeyn, und
[Spaltenumbruch]

53 unter den Galgen] Das Zeugniß
ſterbender Perſonen findet bey den Tuͤrken
großen Glauben. Denn ſie ſind feſtiglich
uͤberredet, dasjenige, was ein Menſch, der
entweder ſeinem natuͤrlichen oder gewaltſamen
Tode nahe iſt, in den letzten Augenblicken
ſeines Lebens bekennet, ſey ſo wahr, daß es
nicht allein die Auſſage von vierzig Zeugen
uͤbertreffe, ſondern auch allen Zweifel weg-
nehme, wenn gleich die ganze Welt anderer
Meinung waͤre. Daher iſt es kein Wunder,
daß Suͤlejman dieſem Zeugniſſe Glauben zu-
geſtellet, und auf daſſelbe, ungeachtet ſonſt
keine Beweisthuͤmer vorhanden waren, ſeinen
Weßir hat umbringen laſſen.
54 unterdruͤckte] Es iſt aller Welt be-
[Spaltenumbruch]
kannt, wie kuͤnſtlich die Osmanen ſich verſtel-
len koͤnnen, ſonderlich in Sachen, welche
Verrath betreffen, oder wenn es ihre Feinde
angehet. Daher iſt es ein gemeines Sprich-
wort bey ihnen: Kjeſilmejen El oͤpilmekj
gjerekj; die Hand, die wir nicht abhauen
koͤnnen, muͤſſen wir kuͤſſen.
55 Nachfolger] Ihre Namen ſtehen oben
auf der 200 Seite. Die Perſer leugnen die
drey erſtern, und erkennen nur bloß Ali dafuͤr.
56 Chaͤtib] Ein Leſer, wie in unſern
Kirchen die Diakonen ſind: imgleichen ein
Prediger, der von der Kanzel des Kaiſers
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* Schatzmeiſters.
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[296/0386] Osmaniſche Geſchichte terdars * genau. Weil er nun befand, daß derſelbe nicht allein verſchiedene Beutel Geldes zu ſeinem eigenen Nutzen verwendet; ſondern auch ſich den Geiz ſo weit verleiten laſſen, daß er ſein Vorhaben den Perſern verrathen hatte: ſo befahl er, nachdem er der beleidigten Majeſtaͤt ſchuldig erklaͤret worden, daß er ſollte gehenket werden. Als man den Defterdar unter den Galgen ⁵³ bringet: ſo fordert derſelbe Feder, Dinte und Papier, und ſaget; er habe vor ſeinem Ende dem Kaiſer noch einige Dinge zu eroͤffnen. Nachdem Feder und Papier gebracht worden: ſo ſchreibet er einen Brief an den Kaiſer, und berichtet ihm, daß der oberſte Weßir, Ibrahim Paſcha, eben ſowol ſchuldig, und von den Per- ſern beſtochen worden ſey, dem Kaiſer nach dem Leben zu trachten. Dieſer Brief, den zwar der Sultan anfangs unterdruͤckte ⁵⁴ , war die Urſache, daß die- ſer beruͤhmte und kluge Weßir kurz hernach ſein Leben laſſen mußte. 28. Indem Suͤlejman ſich hier zu Baͤgdad aufhaͤlt: ſo kommen haͤufige Botſchaften von den feindlichen Grenzen an, daß der Schah von Perſien mit einem großen Kriegsheere auf dem Anzuge ſey, Wan zu belagern. Daher keh- ret derſelbe unverzuͤglich nach Tibris zuruͤck, und als er in den großen Dſchami daſelbſt gehet, der von Sultan Haͤſen mit unſaͤglichen Unkoſten erbauet worden war: ſo hoͤret er in demſelben die Namen der vier Nachfolger ⁵⁵ Muhaͤmmeds, nebſt ſeinem eigenen, von dem Chaͤtib ⁵⁶ erwaͤhnen. Tags darauf bricht er wieder auf, und lagert ſich bey Dergedſchine, um in Bereitſchaft zu ſeyn, und ſich ⁵³ unter den Galgen] Das Zeugniß ſterbender Perſonen findet bey den Tuͤrken großen Glauben. Denn ſie ſind feſtiglich uͤberredet, dasjenige, was ein Menſch, der entweder ſeinem natuͤrlichen oder gewaltſamen Tode nahe iſt, in den letzten Augenblicken ſeines Lebens bekennet, ſey ſo wahr, daß es nicht allein die Auſſage von vierzig Zeugen uͤbertreffe, ſondern auch allen Zweifel weg- nehme, wenn gleich die ganze Welt anderer Meinung waͤre. Daher iſt es kein Wunder, daß Suͤlejman dieſem Zeugniſſe Glauben zu- geſtellet, und auf daſſelbe, ungeachtet ſonſt keine Beweisthuͤmer vorhanden waren, ſeinen Weßir hat umbringen laſſen. ⁵⁴ unterdruͤckte] Es iſt aller Welt be- kannt, wie kuͤnſtlich die Osmanen ſich verſtel- len koͤnnen, ſonderlich in Sachen, welche Verrath betreffen, oder wenn es ihre Feinde angehet. Daher iſt es ein gemeines Sprich- wort bey ihnen: Kjeſilmejen El oͤpilmekj gjerekj; die Hand, die wir nicht abhauen koͤnnen, muͤſſen wir kuͤſſen. ⁵⁵ Nachfolger] Ihre Namen ſtehen oben auf der 200 Seite. Die Perſer leugnen die drey erſtern, und erkennen nur bloß Ali dafuͤr. ⁵⁶ Chaͤtib] Ein Leſer, wie in unſern Kirchen die Diakonen ſind: imgleichen ein Prediger, der von der Kanzel des Kaiſers Namen in dem Gebete erwaͤhnet. * Schatzmeiſters.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/386>, abgerufen am 22.11.2024.