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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Vorrede
ziemlich genau ausgerechnet werden kann: so fangen sie doch niemals weder
den Remäßan noch das Bäjram 4 eher an, als bis einige Leute bezeuget, daß
sie den neuen Mond gesehen haben. Aus dieser Ursache werden alle Jahre
um diese Zeit gewisse Personen von dem Sultane auf einen hohen Berg aus-
gesendet (Istrandschadagi genennet, der ungefähr zwölf Stunden Weges 5 von Constantinopel gegen das schwarze Meer zu lieget), um den Augenblick
zu bemerken, da der neue Mond sich ihrem Gesichte zeiget. Wann sie denselben
ansichtig werden: so begeben sich unverzüglich drey von ihnen zu Istambol
Efendisi oder dem Richter von Constantinopel, deren einer die Anzeige thut,
daß er den neuen Mond gesehen habe, die beyden andern aber seine Anzeige
durch ihre Aussage bekräftigen. Nachdem nun solchergestalt die Erscheinung
des neuen Mondes durch drey Zeugen bestätiget ist (denn in Ermangelung
dieser Zahl würde man in diesem Falle dem Sultane selbst nicht glauben):
so sendet Istambol Efendisi augenblicklich Ausrufer durch die ganze Stadt,
es mag seyn um welche Uhre es will, den Remäßan oder das Bäjram öffent-
lich anzukündigen; da dann, wie ich selbst gesehen habe, die Muhämmedischen,
wann dieselben über dem Essen und Trinken begriffen sind, und die Stimme
des Ausrufers hören, so gar dasjenige, was sie in dem Munde haben, aus-
speien und die Fasten anfangen. Wenn der Himmel trübe ist, daß man
den Mond nicht sehen kann; oder wenn die Boten unterweges aufgehalten
werden: so wartet man den ersten und den andern Tag; am dritten Tage
[Spaltenumbruch]
4 [Remäßan, oder, wie die Araber insge-
mein das Wort aussprechen, Rämädan, ist
der neunte Monat in dem türkischen Jahre,
welchen hindurch die Türken alle Tage eine
gänzliche Enthaltung beobachten von Essen,
Trinken, und Weibern, vom Aufgange der
Sonne an bis in die Nacht. Wann aber der
neue Mond wiederum erscheinet: so gehet
das Bäjram an, das eine Zeit ist, da man
schmauset und sich lustig machet. Mit einem
Worte, der Remäßan kommt mit der Fasten-
[Spaltenumbruch]
zeit der Christen, und das Bäjram mit dem
päbstischen Carnaval überein.
Unser Verfasser scheinet hier die Türken
zu tadeln, daß sie den Neumond von dem
zweyten Tage an rechnen; da doch dieses
am Ende mit ihrer Absicht ganz wohl zusam-
men stimmet, und eine Sache ist, die auch bey
den Juden gewöhnlich war. Ich möchte aber
gerne wissen, was ein gelehrter Türk von un-
serm kirchlichen oder eingebildeten Vollmonde

aber
denken

Vorrede
ziemlich genau ausgerechnet werden kann: ſo fangen ſie doch niemals weder
den Remaͤßan noch das Baͤjram 4 eher an, als bis einige Leute bezeuget, daß
ſie den neuen Mond geſehen haben. Aus dieſer Urſache werden alle Jahre
um dieſe Zeit gewiſſe Perſonen von dem Sultane auf einen hohen Berg aus-
geſendet (Iſtrandſchadagi genennet, der ungefaͤhr zwoͤlf Stunden Weges 5 von Conſtantinopel gegen das ſchwarze Meer zu lieget), um den Augenblick
zu bemerken, da der neue Mond ſich ihrem Geſichte zeiget. Wann ſie denſelben
anſichtig werden: ſo begeben ſich unverzuͤglich drey von ihnen zu Iſtambol
Efendiſi oder dem Richter von Conſtantinopel, deren einer die Anzeige thut,
daß er den neuen Mond geſehen habe, die beyden andern aber ſeine Anzeige
durch ihre Ausſage bekraͤftigen. Nachdem nun ſolchergeſtalt die Erſcheinung
des neuen Mondes durch drey Zeugen beſtaͤtiget iſt (denn in Ermangelung
dieſer Zahl wuͤrde man in dieſem Falle dem Sultane ſelbſt nicht glauben):
ſo ſendet Iſtambol Efendiſi augenblicklich Ausrufer durch die ganze Stadt,
es mag ſeyn um welche Uhre es will, den Remaͤßan oder das Baͤjram oͤffent-
lich anzukuͤndigen; da dann, wie ich ſelbſt geſehen habe, die Muhaͤmmediſchen,
wann dieſelben uͤber dem Eſſen und Trinken begriffen ſind, und die Stimme
des Ausrufers hoͤren, ſo gar dasjenige, was ſie in dem Munde haben, aus-
ſpeien und die Faſten anfangen. Wenn der Himmel truͤbe iſt, daß man
den Mond nicht ſehen kann; oder wenn die Boten unterweges aufgehalten
werden: ſo wartet man den erſten und den andern Tag; am dritten Tage
[Spaltenumbruch]
4 [Remaͤßan, oder, wie die Araber insge-
mein das Wort ausſprechen, Raͤmaͤdan, iſt
der neunte Monat in dem tuͤrkiſchen Jahre,
welchen hindurch die Tuͤrken alle Tage eine
gaͤnzliche Enthaltung beobachten von Eſſen,
Trinken, und Weibern, vom Aufgange der
Sonne an bis in die Nacht. Wann aber der
neue Mond wiederum erſcheinet: ſo gehet
das Baͤjram an, das eine Zeit iſt, da man
ſchmauſet und ſich luſtig machet. Mit einem
Worte, der Remaͤßan kommt mit der Faſten-
[Spaltenumbruch]
zeit der Chriſten, und das Baͤjram mit dem
paͤbſtiſchen Carnaval uͤberein.
Unſer Verfaſſer ſcheinet hier die Tuͤrken
zu tadeln, daß ſie den Neumond von dem
zweyten Tage an rechnen; da doch dieſes
am Ende mit ihrer Abſicht ganz wohl zuſam-
men ſtimmet, und eine Sache iſt, die auch bey
den Juden gewoͤhnlich war. Ich moͤchte aber
gerne wiſſen, was ein gelehrter Tuͤrk von un-
ſerm kirchlichen oder eingebildeten Vollmonde

aber
denken
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[32/0038] Vorrede ziemlich genau ausgerechnet werden kann: ſo fangen ſie doch niemals weder den Remaͤßan noch das Baͤjram ⁴ eher an, als bis einige Leute bezeuget, daß ſie den neuen Mond geſehen haben. Aus dieſer Urſache werden alle Jahre um dieſe Zeit gewiſſe Perſonen von dem Sultane auf einen hohen Berg aus- geſendet (Iſtrandſchadagi genennet, der ungefaͤhr zwoͤlf Stunden Weges ⁵ von Conſtantinopel gegen das ſchwarze Meer zu lieget), um den Augenblick zu bemerken, da der neue Mond ſich ihrem Geſichte zeiget. Wann ſie denſelben anſichtig werden: ſo begeben ſich unverzuͤglich drey von ihnen zu Iſtambol Efendiſi oder dem Richter von Conſtantinopel, deren einer die Anzeige thut, daß er den neuen Mond geſehen habe, die beyden andern aber ſeine Anzeige durch ihre Ausſage bekraͤftigen. Nachdem nun ſolchergeſtalt die Erſcheinung des neuen Mondes durch drey Zeugen beſtaͤtiget iſt (denn in Ermangelung dieſer Zahl wuͤrde man in dieſem Falle dem Sultane ſelbſt nicht glauben): ſo ſendet Iſtambol Efendiſi augenblicklich Ausrufer durch die ganze Stadt, es mag ſeyn um welche Uhre es will, den Remaͤßan oder das Baͤjram oͤffent- lich anzukuͤndigen; da dann, wie ich ſelbſt geſehen habe, die Muhaͤmmediſchen, wann dieſelben uͤber dem Eſſen und Trinken begriffen ſind, und die Stimme des Ausrufers hoͤren, ſo gar dasjenige, was ſie in dem Munde haben, aus- ſpeien und die Faſten anfangen. Wenn der Himmel truͤbe iſt, daß man den Mond nicht ſehen kann; oder wenn die Boten unterweges aufgehalten werden: ſo wartet man den erſten und den andern Tag; am dritten Tage aber ⁴ [Remaͤßan, oder, wie die Araber insge- mein das Wort ausſprechen, Raͤmaͤdan, iſt der neunte Monat in dem tuͤrkiſchen Jahre, welchen hindurch die Tuͤrken alle Tage eine gaͤnzliche Enthaltung beobachten von Eſſen, Trinken, und Weibern, vom Aufgange der Sonne an bis in die Nacht. Wann aber der neue Mond wiederum erſcheinet: ſo gehet das Baͤjram an, das eine Zeit iſt, da man ſchmauſet und ſich luſtig machet. Mit einem Worte, der Remaͤßan kommt mit der Faſten- zeit der Chriſten, und das Baͤjram mit dem paͤbſtiſchen Carnaval uͤberein. Unſer Verfaſſer ſcheinet hier die Tuͤrken zu tadeln, daß ſie den Neumond von dem zweyten Tage an rechnen; da doch dieſes am Ende mit ihrer Abſicht ganz wohl zuſam- men ſtimmet, und eine Sache iſt, die auch bey den Juden gewoͤhnlich war. Ich moͤchte aber gerne wiſſen, was ein gelehrter Tuͤrk von un- ſerm kirchlichen oder eingebildeten Vollmonde denken

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/38>, abgerufen am 23.11.2024.