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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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des Verfassers
"erschienen ist. Daher fangen die Araber ihren Neumond an am sechsten
"Tage der Woche oder am Freytage, der itzo bey ihnen für heilig gehalten
"wird." Da Riccioli hier zwoer verschiedenen Arten zu rechnen erwähnet,
ohne den Grund davon anzuzeigen: so wird es nicht undienlich seyn, den Leser
zu unterrichten, daß Muhämmed, als derselbe seine Religion in der Welt
einführete, wegen des Anfangs des Neumonds dem Volke, das der Stern-
wissenschaft ganz unkundig war, diese allgemeine Regel gegeben hat; Wann
ihr den Mond sehet: so fanget die Fasten an; wann ihr den Mond sehet:
so feiert das Bäjram. Da nun der Mond niemals am ersten Tage zu sehen
ist; sondern manchmal am zweyten, manchmal auch (wann nämlich der Neu-
mond bey der Sonne Untergang einfällt) nicht eher, als am dritten Tage:
so hat man sich nicht zu verwundern, daß Muhämmed selbst, als der ein Unge-
lehrter war, oder die Völker, die von seinem Aberglauben eingenommen sind,
und glauben, daß sie ihrem Gesetzgeber mehr zu trauen hätten, als ihrer Ver-
nunft; den andern Tag des Mondes für den Neumond selbst annehmen, und
nach dieser Regel ihre Monate, Fasten und Festtage einrichten. Es ist auch
sehr wahrscheinlich, daß Muhämmed die Rechnung der Hidschret von seiner
Flucht aus Mekka angefangen habe. Seine Nachfolger haben, um dem Ge-
setze nicht entgegen zu handeln, oder aber aus Unachtsamkeit oder Unwissenheit,
den Anfang der Zeitrechnung nicht auf den astronomischen Neumond gesetzet
(der, nach dem Zeugnisse aller Mathematikverständigen, sich am Donnerstage
den funfzehenten Julius begeben hat); sondern auf den bürgerlichen, der
am Freytage des folgenden Tages einfiel, und also diesen Tag zum ersten Tage
des Monats Muhärrem bestimmet. Was hier gesaget worden ist, das wird
durch ihre gegenwärtige Art zu rechnen bestätiget; davon ich ein Zeuge bin,
der es selbst mit Augen angesehen hat. Nämlich, ungeachtet heutiges Tages
nicht allein der Tag und die Stunde; sondern auch die Minute des Neumonds
aus ihren Tageregistern (Ephemerides), bey ihnen Rußname 3 genennet,
[Spaltenumbruch]
3 [Name, wie d'Herbelot schreibet, heißet
in der persischen Sprache ein Buch, Brief,
und ist der Titel vieler persischen und türkischen
[Spaltenumbruch]
Schriften: als Karaman Name; Kjar Name
(ein Abriß); Iskjender Name; u. s. w.]

ziemlich

des Verfaſſers
“erſchienen iſt. Daher fangen die Araber ihren Neumond an am ſechsten
“Tage der Woche oder am Freytage, der itzo bey ihnen fuͤr heilig gehalten
“wird.„ Da Riccioli hier zwoer verſchiedenen Arten zu rechnen erwaͤhnet,
ohne den Grund davon anzuzeigen: ſo wird es nicht undienlich ſeyn, den Leſer
zu unterrichten, daß Muhaͤmmed, als derſelbe ſeine Religion in der Welt
einfuͤhrete, wegen des Anfangs des Neumonds dem Volke, das der Stern-
wiſſenſchaft ganz unkundig war, dieſe allgemeine Regel gegeben hat; Wann
ihr den Mond ſehet: ſo fanget die Faſten an; wann ihr den Mond ſehet:
ſo feiert das Baͤjram. Da nun der Mond niemals am erſten Tage zu ſehen
iſt; ſondern manchmal am zweyten, manchmal auch (wann naͤmlich der Neu-
mond bey der Sonne Untergang einfaͤllt) nicht eher, als am dritten Tage:
ſo hat man ſich nicht zu verwundern, daß Muhaͤmmed ſelbſt, als der ein Unge-
lehrter war, oder die Voͤlker, die von ſeinem Aberglauben eingenommen ſind,
und glauben, daß ſie ihrem Geſetzgeber mehr zu trauen haͤtten, als ihrer Ver-
nunft; den andern Tag des Mondes fuͤr den Neumond ſelbſt annehmen, und
nach dieſer Regel ihre Monate, Faſten und Feſttage einrichten. Es iſt auch
ſehr wahrſcheinlich, daß Muhaͤmmed die Rechnung der Hidſchret von ſeiner
Flucht aus Mekka angefangen habe. Seine Nachfolger haben, um dem Ge-
ſetze nicht entgegen zu handeln, oder aber aus Unachtſamkeit oder Unwiſſenheit,
den Anfang der Zeitrechnung nicht auf den aſtronomiſchen Neumond geſetzet
(der, nach dem Zeugniſſe aller Mathematikverſtaͤndigen, ſich am Donnerstage
den funfzehenten Julius begeben hat); ſondern auf den buͤrgerlichen, der
am Freytage des folgenden Tages einfiel, und alſo dieſen Tag zum erſten Tage
des Monats Muhaͤrrem beſtimmet. Was hier geſaget worden iſt, das wird
durch ihre gegenwaͤrtige Art zu rechnen beſtaͤtiget; davon ich ein Zeuge bin,
der es ſelbſt mit Augen angeſehen hat. Naͤmlich, ungeachtet heutiges Tages
nicht allein der Tag und die Stunde; ſondern auch die Minute des Neumonds
aus ihren Tageregiſtern (Ephemerides), bey ihnen Rußname 3 genennet,
[Spaltenumbruch]
3 [Name, wie d'Herbelot ſchreibet, heißet
in der perſiſchen Sprache ein Buch, Brief,
und iſt der Titel vieler perſiſchen und tuͤrkiſchen
[Spaltenumbruch]
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[31/0037] des Verfaſſers “erſchienen iſt. Daher fangen die Araber ihren Neumond an am ſechsten “Tage der Woche oder am Freytage, der itzo bey ihnen fuͤr heilig gehalten “wird.„ Da Riccioli hier zwoer verſchiedenen Arten zu rechnen erwaͤhnet, ohne den Grund davon anzuzeigen: ſo wird es nicht undienlich ſeyn, den Leſer zu unterrichten, daß Muhaͤmmed, als derſelbe ſeine Religion in der Welt einfuͤhrete, wegen des Anfangs des Neumonds dem Volke, das der Stern- wiſſenſchaft ganz unkundig war, dieſe allgemeine Regel gegeben hat; Wann ihr den Mond ſehet: ſo fanget die Faſten an; wann ihr den Mond ſehet: ſo feiert das Baͤjram. Da nun der Mond niemals am erſten Tage zu ſehen iſt; ſondern manchmal am zweyten, manchmal auch (wann naͤmlich der Neu- mond bey der Sonne Untergang einfaͤllt) nicht eher, als am dritten Tage: ſo hat man ſich nicht zu verwundern, daß Muhaͤmmed ſelbſt, als der ein Unge- lehrter war, oder die Voͤlker, die von ſeinem Aberglauben eingenommen ſind, und glauben, daß ſie ihrem Geſetzgeber mehr zu trauen haͤtten, als ihrer Ver- nunft; den andern Tag des Mondes fuͤr den Neumond ſelbſt annehmen, und nach dieſer Regel ihre Monate, Faſten und Feſttage einrichten. Es iſt auch ſehr wahrſcheinlich, daß Muhaͤmmed die Rechnung der Hidſchret von ſeiner Flucht aus Mekka angefangen habe. Seine Nachfolger haben, um dem Ge- ſetze nicht entgegen zu handeln, oder aber aus Unachtſamkeit oder Unwiſſenheit, den Anfang der Zeitrechnung nicht auf den aſtronomiſchen Neumond geſetzet (der, nach dem Zeugniſſe aller Mathematikverſtaͤndigen, ſich am Donnerstage den funfzehenten Julius begeben hat); ſondern auf den buͤrgerlichen, der am Freytage des folgenden Tages einfiel, und alſo dieſen Tag zum erſten Tage des Monats Muhaͤrrem beſtimmet. Was hier geſaget worden iſt, das wird durch ihre gegenwaͤrtige Art zu rechnen beſtaͤtiget; davon ich ein Zeuge bin, der es ſelbſt mit Augen angeſehen hat. Naͤmlich, ungeachtet heutiges Tages nicht allein der Tag und die Stunde; ſondern auch die Minute des Neumonds aus ihren Tageregiſtern (Ephemerides), bey ihnen Rußname ³ genennet, ziemlich ³ [Name, wie d'Herbelot ſchreibet, heißet in der perſiſchen Sprache ein Buch, Brief, und iſt der Titel vieler perſiſchen und tuͤrkiſchen Schriften: als Karaman Name; Kjar Name (ein Abriß); Iskjender Name; u. ſ. w.]

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/37>, abgerufen am 28.04.2024.