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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
erreichet, als er merkte, daß sein Geblüt in eine Jährung gerieth, und er mit
einem gelinden Fieber befallen wurde. Des andern Tages zeigte sich ein tödt-
liches Geschwür an seinem Schenkel, das ihn dergestalt quälete und schwächte,
daß alle Sehnen an seinem Leibe und seinen Füßen 56 zusammenschrumpfeten
und eindorreten. Das Geschwür wurde zwar durch einen geschickten Wund-
arzt geöffnet, und alle Mittel angewendet, das Gift der Krankheit wegzuschaf-
fen: allein man merkete, daß sein Tod unvermeidlich sey; denn das hartnäckige
Geschwür machte alle Vorsorge der Aerzte zu nichte, und steckte den ganzen Leib
mit einem Pestilenzgifte dergestalt an, daß nach vierzigtägiger erduldeten Marter
vielmehr, als Krankheit, der Glanz des osmanischen Reiches an einem Sonn-
tage, welches war der neunte des Monats Schewwal, nach Untergange der
Sonne verlosche.

der von den
Weßiren verheh-let wird.
27.

Als Selim solchergestalt ein zuvor wenig bekanntes Dorf durch sei-
nen Tod berühmt gemacht hatte: so verhehlete Ferhad Pascha, der sich damals
allein bey ihm befunden hatte, des Kaisers Absterben vor dem Volke; den übri-
gen Weßiren aber, die zu Adrianopel mit Ungeduld auf dessen Ankunft warteten,
gab er von dieser Begebenheit Nachricht. Diese baten ihn inständig, er möchte
thun, als wenn der Kaiser noch im Leben wäre, und inzwischen die Geschäffte
in dessen Namen verwalten: damit nicht ein Aufruhr entstünde, ehe der Nach-
folger desselben anlangete. Ferner that derselbe Sülejman, Selims Sohne,
der damals seinen Sitz zu Trapeßond hatte, den Tod seines Vaters zu wissen,
und rieth demselben, ohne Verzug zu kommen, und die Regierung anzutreten.
Nach Empfang dieses Briefes begab sich Sülejman in aller Eile auf den Weg
nach Constantinopel: und sobald hiervon Nachricht einliefe; so machten die Weßire
des Kaisers Tod öffentlich bekannt, ließen das Heer aus einander gehen, und
verfügten sich insgesamt, außer Mustäfa Pascha, der allein zu Bewahrung der
Schatzkammer zurück gelassen wurde, nebst dem ganzen kaiserlichen Hofe, in die
kaiserliche Residenzstadt, um ihrem neuen Herrn ihre Unterthänigkeit zu bezeigen.

[Spaltenumbruch]
durch vieles Bitten erlanget hat. Gehe nicht
über die Brücke eines garstigen unfreundlichen
Mannes: besser ist es, sich von dem Wasser
verschlingen zu lassen*.
[Spaltenumbruch]
56 Füßen] Es scheinet, die Türken zie-
len hier auf Selims Eid, daß er seinen Fuß
nicht eher zurückziehen wollte, als bis er das
ganze persische Reich unter seine Botmäßigkeit
28. Sol-
* Den Worten nach heißet es: An statt des Geruchs einer Rose aus Gewogenheit, nimm eine Schwert-
lilie

Osmaniſche Geſchichte
erreichet, als er merkte, daß ſein Gebluͤt in eine Jaͤhrung gerieth, und er mit
einem gelinden Fieber befallen wurde. Des andern Tages zeigte ſich ein toͤdt-
liches Geſchwuͤr an ſeinem Schenkel, das ihn dergeſtalt quaͤlete und ſchwaͤchte,
daß alle Sehnen an ſeinem Leibe und ſeinen Fuͤßen 56 zuſammenſchrumpfeten
und eindorreten. Das Geſchwuͤr wurde zwar durch einen geſchickten Wund-
arzt geoͤffnet, und alle Mittel angewendet, das Gift der Krankheit wegzuſchaf-
fen: allein man merkete, daß ſein Tod unvermeidlich ſey; denn das hartnaͤckige
Geſchwuͤr machte alle Vorſorge der Aerzte zu nichte, und ſteckte den ganzen Leib
mit einem Peſtilenzgifte dergeſtalt an, daß nach vierzigtaͤgiger erduldeten Marter
vielmehr, als Krankheit, der Glanz des osmaniſchen Reiches an einem Sonn-
tage, welches war der neunte des Monats Schewwal, nach Untergange der
Sonne verloſche.

der von den
Weßiren verheh-let wird.
27.

Als Selim ſolchergeſtalt ein zuvor wenig bekanntes Dorf durch ſei-
nen Tod beruͤhmt gemacht hatte: ſo verhehlete Ferhad Paſcha, der ſich damals
allein bey ihm befunden hatte, des Kaiſers Abſterben vor dem Volke; den uͤbri-
gen Weßiren aber, die zu Adrianopel mit Ungeduld auf deſſen Ankunft warteten,
gab er von dieſer Begebenheit Nachricht. Dieſe baten ihn inſtaͤndig, er moͤchte
thun, als wenn der Kaiſer noch im Leben waͤre, und inzwiſchen die Geſchaͤffte
in deſſen Namen verwalten: damit nicht ein Aufruhr entſtuͤnde, ehe der Nach-
folger deſſelben anlangete. Ferner that derſelbe Suͤlejman, Selims Sohne,
der damals ſeinen Sitz zu Trapeßond hatte, den Tod ſeines Vaters zu wiſſen,
und rieth demſelben, ohne Verzug zu kommen, und die Regierung anzutreten.
Nach Empfang dieſes Briefes begab ſich Suͤlejman in aller Eile auf den Weg
nach Conſtantinopel: und ſobald hiervon Nachricht einliefe; ſo machten die Weßire
des Kaiſers Tod oͤffentlich bekannt, ließen das Heer aus einander gehen, und
verfuͤgten ſich insgeſamt, außer Muſtaͤfa Paſcha, der allein zu Bewahrung der
Schatzkammer zuruͤck gelaſſen wurde, nebſt dem ganzen kaiſerlichen Hofe, in die
kaiſerliche Reſidenzſtadt, um ihrem neuen Herrn ihre Unterthaͤnigkeit zu bezeigen.

[Spaltenumbruch]
durch vieles Bitten erlanget hat. Gehe nicht
uͤber die Bruͤcke eines garſtigen unfreundlichen
Mannes: beſſer iſt es, ſich von dem Waſſer
verſchlingen zu laſſen*.
[Spaltenumbruch]
56 Fuͤßen] Es ſcheinet, die Tuͤrken zie-
len hier auf Selims Eid, daß er ſeinen Fuß
nicht eher zuruͤckziehen wollte, als bis er das
ganze perſiſche Reich unter ſeine Botmaͤßigkeit
28. Sol-
* Den Worten nach heißet es: An ſtatt des Geruchs einer Roſe aus Gewogenheit, nimm eine Schwert-
lilie
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[256/0344] Osmaniſche Geſchichte erreichet, als er merkte, daß ſein Gebluͤt in eine Jaͤhrung gerieth, und er mit einem gelinden Fieber befallen wurde. Des andern Tages zeigte ſich ein toͤdt- liches Geſchwuͤr an ſeinem Schenkel, das ihn dergeſtalt quaͤlete und ſchwaͤchte, daß alle Sehnen an ſeinem Leibe und ſeinen Fuͤßen ⁵⁶ zuſammenſchrumpfeten und eindorreten. Das Geſchwuͤr wurde zwar durch einen geſchickten Wund- arzt geoͤffnet, und alle Mittel angewendet, das Gift der Krankheit wegzuſchaf- fen: allein man merkete, daß ſein Tod unvermeidlich ſey; denn das hartnaͤckige Geſchwuͤr machte alle Vorſorge der Aerzte zu nichte, und ſteckte den ganzen Leib mit einem Peſtilenzgifte dergeſtalt an, daß nach vierzigtaͤgiger erduldeten Marter vielmehr, als Krankheit, der Glanz des osmaniſchen Reiches an einem Sonn- tage, welches war der neunte des Monats Schewwal, nach Untergange der Sonne verloſche. 27. Als Selim ſolchergeſtalt ein zuvor wenig bekanntes Dorf durch ſei- nen Tod beruͤhmt gemacht hatte: ſo verhehlete Ferhad Paſcha, der ſich damals allein bey ihm befunden hatte, des Kaiſers Abſterben vor dem Volke; den uͤbri- gen Weßiren aber, die zu Adrianopel mit Ungeduld auf deſſen Ankunft warteten, gab er von dieſer Begebenheit Nachricht. Dieſe baten ihn inſtaͤndig, er moͤchte thun, als wenn der Kaiſer noch im Leben waͤre, und inzwiſchen die Geſchaͤffte in deſſen Namen verwalten: damit nicht ein Aufruhr entſtuͤnde, ehe der Nach- folger deſſelben anlangete. Ferner that derſelbe Suͤlejman, Selims Sohne, der damals ſeinen Sitz zu Trapeßond hatte, den Tod ſeines Vaters zu wiſſen, und rieth demſelben, ohne Verzug zu kommen, und die Regierung anzutreten. Nach Empfang dieſes Briefes begab ſich Suͤlejman in aller Eile auf den Weg nach Conſtantinopel: und ſobald hiervon Nachricht einliefe; ſo machten die Weßire des Kaiſers Tod oͤffentlich bekannt, ließen das Heer aus einander gehen, und verfuͤgten ſich insgeſamt, außer Muſtaͤfa Paſcha, der allein zu Bewahrung der Schatzkammer zuruͤck gelaſſen wurde, nebſt dem ganzen kaiſerlichen Hofe, in die kaiſerliche Reſidenzſtadt, um ihrem neuen Herrn ihre Unterthaͤnigkeit zu bezeigen. 28. Sol- durch vieles Bitten erlanget hat. Gehe nicht uͤber die Bruͤcke eines garſtigen unfreundlichen Mannes: beſſer iſt es, ſich von dem Waſſer verſchlingen zu laſſen * . ⁵⁶ Fuͤßen] Es ſcheinet, die Tuͤrken zie- len hier auf Selims Eid, daß er ſeinen Fuß nicht eher zuruͤckziehen wollte, als bis er das ganze perſiſche Reich unter ſeine Botmaͤßigkeit gebracht * Den Worten nach heißet es: An ſtatt des Geruchs einer Roſe aus Gewogenheit, nimm eine Schwert- lilie

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/344>, abgerufen am 27.11.2024.