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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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9. Selim der I
28.

Solchergestalt bewillkommeten alle Weßire, mit Trauerkleidern an-Sülejman wird
als Kaiser bewill-
kommet.

gethan, Sülejman bey dessen Ankunft zu Constantinopel als ihren Kaiser, wel-
ches geschahe in den letzten Tagen 57 des Monats Schewwal, im Jahre 926,H. 926.



J. C. 1520.
und bezeigten demselben ihre Betrübniß über das frühzeitige Absterben seines
Vaters. Sülejman selbst begab sich noch an demselben Tage, des Nachmittags,
mit allen seinen Hofbedienten vor die Stadt hinaus, seines Vaters Leiche abzu-
holen, begleitete den Leichnam mit großem Prachte bis in den Dschami, den
Muhämmed, der Eroberer der Stadt, erbauet hat, und ließ ihn daselbst bey-
setzen. Folgende Grabschrift hat man auf sein Grabmal gesetzet.

Bäka Mülkjine äßmi idüp Sefer kildi bu dir Tarich: kojüp Sultan
Selim baki Dschihan Mülkjin Sülejmane.
"In diesem Jahre ging Sultan Selim in das ewige Reich, und
"hinterließ das irdische Reich Sülejman*."
29.

Auf diese Weise schied Selim, der Beschützer des osmanischen Rei-Selims Eigen-
schaften.

ches, aus der Welt, nachdem er neun Jahre und acht Monate regieret, und
sein Leben auf vier und funfzig Jahre gebracht hatte. Der Jahre seiner Regie-
rung sind zwar wenig; aber so beschaffen, daß die darinnen geschehenen Thaten
kaum ihres gleichen haben. Denn durch seinen Fleiß und seine Tapferkeit wur-
den nicht allein die asiatischen Länder von allen feindlichen Einfällen befreyet;
sondern auch dessen Nachfolgern durch die gute Einrichtung in Osten ein weites
Feld eröffnet, ihre Herrschaft gegen Westen auszubreiten. Er hatte alle Eigen-
schaften eines Helden an sich; einen schicklichen Kopf, starke Arme, und großen
Witz im Erfinden: er war unermüdet, wo es die Wohlfahrt des Stats er-
heischte; sehr geschickt, ein Geschäffte auszuführen; und ungemein scharfsich-
tig, geheime Verbindungen und andere verborgene Anschläge zu entdecken.
[Spaltenumbruch]

gebracht hätte. Daher habe die göttliche Ra-
che ihn zuerst an seinen Füßen durch Ein-
schrumpfung der Sehnen gestrafet, sowol um
den Hochmuth des Mannes zu erniedrigen,
als ihre Gerechtigkeit zu zeigen.
[Spaltenumbruch]
57 letzten Tagen] das ist, an einem
Tage zwischen dem zwanzigsten und dreyßig-
sten des Monats Schewwal. Von dieser Art
die Monatstage zu rechnen, sehe man die vor-
hergehende 43 Anmerkung, auf der 244 Seite.

Er
lilie in die Hand. Gehe nicht über die Brücke eines nichtswürdigen Mannes, und sollte dich auch
das Wasser wegführen.
* Eigentlich: In diesem Jahre that der unsterbliche Sultan Selim den Zug nach seinem ewigen Reiche;
und überließ sein irdisches Reich Sülejman.
2 K
9. Selim der I
28.

Solchergeſtalt bewillkommeten alle Weßire, mit Trauerkleidern an-Suͤlejman wird
als Kaiſer bewill-
kommet.

gethan, Suͤlejman bey deſſen Ankunft zu Conſtantinopel als ihren Kaiſer, wel-
ches geſchahe in den letzten Tagen 57 des Monats Schewwal, im Jahre 926,H. 926.



J. C. 1520.
und bezeigten demſelben ihre Betruͤbniß uͤber das fruͤhzeitige Abſterben ſeines
Vaters. Suͤlejman ſelbſt begab ſich noch an demſelben Tage, des Nachmittags,
mit allen ſeinen Hofbedienten vor die Stadt hinaus, ſeines Vaters Leiche abzu-
holen, begleitete den Leichnam mit großem Prachte bis in den Dſchami, den
Muhaͤmmed, der Eroberer der Stadt, erbauet hat, und ließ ihn daſelbſt bey-
ſetzen. Folgende Grabſchrift hat man auf ſein Grabmal geſetzet.

Baͤka Muͤlkjine aͤßmi iduͤp Sefer kildi bu dir Tarich: kojuͤp Sultan
Selim baki Dſchihan Muͤlkjin Suͤlejmane.
“In dieſem Jahre ging Sultan Selim in das ewige Reich, und
“hinterließ das irdiſche Reich Suͤlejman*.„
29.

Auf dieſe Weiſe ſchied Selim, der Beſchuͤtzer des osmaniſchen Rei-Selims Eigen-
ſchaften.

ches, aus der Welt, nachdem er neun Jahre und acht Monate regieret, und
ſein Leben auf vier und funfzig Jahre gebracht hatte. Der Jahre ſeiner Regie-
rung ſind zwar wenig; aber ſo beſchaffen, daß die darinnen geſchehenen Thaten
kaum ihres gleichen haben. Denn durch ſeinen Fleiß und ſeine Tapferkeit wur-
den nicht allein die aſiatiſchen Laͤnder von allen feindlichen Einfaͤllen befreyet;
ſondern auch deſſen Nachfolgern durch die gute Einrichtung in Oſten ein weites
Feld eroͤffnet, ihre Herrſchaft gegen Weſten auszubreiten. Er hatte alle Eigen-
ſchaften eines Helden an ſich; einen ſchicklichen Kopf, ſtarke Arme, und großen
Witz im Erfinden: er war unermuͤdet, wo es die Wohlfahrt des Stats er-
heiſchte; ſehr geſchickt, ein Geſchaͤffte auszufuͤhren; und ungemein ſcharfſich-
tig, geheime Verbindungen und andere verborgene Anſchlaͤge zu entdecken.
[Spaltenumbruch]

gebracht haͤtte. Daher habe die goͤttliche Ra-
che ihn zuerſt an ſeinen Fuͤßen durch Ein-
ſchrumpfung der Sehnen geſtrafet, ſowol um
den Hochmuth des Mannes zu erniedrigen,
als ihre Gerechtigkeit zu zeigen.
[Spaltenumbruch]
57 letzten Tagen] das iſt, an einem
Tage zwiſchen dem zwanzigſten und dreyßig-
ſten des Monats Schewwal. Von dieſer Art
die Monatstage zu rechnen, ſehe man die vor-
hergehende 43 Anmerkung, auf der 244 Seite.

Er
lilie in die Hand. Gehe nicht uͤber die Bruͤcke eines nichtswuͤrdigen Mannes, und ſollte dich auch
das Waſſer wegfuͤhren.
* Eigentlich: In dieſem Jahre that der unſterbliche Sultan Selim den Zug nach ſeinem ewigen Reiche;
und uͤberließ ſein irdiſches Reich Suͤlejman.
2 K
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[257/0345] 9. Selim der I 28. Solchergeſtalt bewillkommeten alle Weßire, mit Trauerkleidern an- gethan, Suͤlejman bey deſſen Ankunft zu Conſtantinopel als ihren Kaiſer, wel- ches geſchahe in den letzten Tagen ⁵⁷ des Monats Schewwal, im Jahre 926, und bezeigten demſelben ihre Betruͤbniß uͤber das fruͤhzeitige Abſterben ſeines Vaters. Suͤlejman ſelbſt begab ſich noch an demſelben Tage, des Nachmittags, mit allen ſeinen Hofbedienten vor die Stadt hinaus, ſeines Vaters Leiche abzu- holen, begleitete den Leichnam mit großem Prachte bis in den Dſchami, den Muhaͤmmed, der Eroberer der Stadt, erbauet hat, und ließ ihn daſelbſt bey- ſetzen. Folgende Grabſchrift hat man auf ſein Grabmal geſetzet. Suͤlejman wird als Kaiſer bewill- kommet. H. 926. J. C. 1520. Baͤka Muͤlkjine aͤßmi iduͤp Sefer kildi bu dir Tarich: kojuͤp Sultan Selim baki Dſchihan Muͤlkjin Suͤlejmane. “In dieſem Jahre ging Sultan Selim in das ewige Reich, und “hinterließ das irdiſche Reich Suͤlejman *.„ 29. Auf dieſe Weiſe ſchied Selim, der Beſchuͤtzer des osmaniſchen Rei- ches, aus der Welt, nachdem er neun Jahre und acht Monate regieret, und ſein Leben auf vier und funfzig Jahre gebracht hatte. Der Jahre ſeiner Regie- rung ſind zwar wenig; aber ſo beſchaffen, daß die darinnen geſchehenen Thaten kaum ihres gleichen haben. Denn durch ſeinen Fleiß und ſeine Tapferkeit wur- den nicht allein die aſiatiſchen Laͤnder von allen feindlichen Einfaͤllen befreyet; ſondern auch deſſen Nachfolgern durch die gute Einrichtung in Oſten ein weites Feld eroͤffnet, ihre Herrſchaft gegen Weſten auszubreiten. Er hatte alle Eigen- ſchaften eines Helden an ſich; einen ſchicklichen Kopf, ſtarke Arme, und großen Witz im Erfinden: er war unermuͤdet, wo es die Wohlfahrt des Stats er- heiſchte; ſehr geſchickt, ein Geſchaͤffte auszufuͤhren; und ungemein ſcharfſich- tig, geheime Verbindungen und andere verborgene Anſchlaͤge zu entdecken. Er gebracht haͤtte. Daher habe die goͤttliche Ra- che ihn zuerſt an ſeinen Fuͤßen durch Ein- ſchrumpfung der Sehnen geſtrafet, ſowol um den Hochmuth des Mannes zu erniedrigen, als ihre Gerechtigkeit zu zeigen. ⁵⁷ letzten Tagen] das iſt, an einem Tage zwiſchen dem zwanzigſten und dreyßig- ſten des Monats Schewwal. Von dieſer Art die Monatstage zu rechnen, ſehe man die vor- hergehende 43 Anmerkung, auf der 244 Seite. * Selims Eigen- ſchaften. * Eigentlich: In dieſem Jahre that der unſterbliche Sultan Selim den Zug nach ſeinem ewigen Reiche; und uͤberließ ſein irdiſches Reich Suͤlejman. * lilie in die Hand. Gehe nicht uͤber die Bruͤcke eines nichtswuͤrdigen Mannes, und ſollte dich auch das Waſſer wegfuͤhren. 2 K

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/345>, abgerufen am 20.05.2024.