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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Kriegesheere ohne Bewegung in ihren Gezelten bleiben, träget es sich zu, daß
einige Tscherkassier, entweder mit Nachsicht ihres Herrn, oder aus gewöhnlicher
Verwegenheit der Soldaten, etliche beladene Kamele, die in Selims Lager
wollten, auffangen und plündern. Selim wird dadurch aufgebracht, und leget
es so aus, als wenn ihm dieses zum Schimpfe geschehen wäre. Er entschlie-
ßet sich daher diesen Augenblick, den Zorn, den er gegen die Perser gefasset hatte,
auf die Köpfe der Aegypter auszuschütten, kündiget den Tscherkassiern den Krieg
an, weil sie ihn ohne Ursache beleidiget hätten, und nimmt sich vor, ganz Aegyp-
ten unter den Fuß zu bringen.

überwindet die-
selben durch den
Verrath ihrerFeldherren.
17.

Nachdem Selim solchergestalt sein Vorhaben, in Persien einzufallen,
fahren gelassen, und dafür den Krieg mit Aegypten erwählet hatte: so erhält er
Briefe von Chäjrbegj, Statthalter von Damaskus 30, und von Gäßelibegj,
Statthalter von Aleppo (zwischen denen und dem Sultan Gäwri, wiewol heimlich,
eine Todfeindschaft waltete), darinnen sie erzählen, was sie Gäwri für Dienste
geleistet hätten, und dabey dessen Tiranney, Undankbarkeit, Geiz und Eifer-
sucht anführen, die ihn dahin gebracht, daß er ihnen nach dem Leben getrachtet
hätte. Sie versprechen ihm zugleich, die Tscherkassier mitten in dem Treffen
zu verlassen, und künftig seine Unterthanen zu seyn. Und dafür begehren sie
[Spaltenumbruch]

schas sind gedemüthiget worden: so ist der
Pascha daselbst seines Lebens etwas mehr
sicher, obzwar nicht ohne alle Gefahr. Die
Art, wie es in Aegypten mit den Erbschaften
zugehet, ist folgende. Die sterbende Person
schließet alle ihre Söhne von der Erbschaft
aus, und setzet einen gewissen Slawen oder
Gefangenen von bewährter Tugend und Red-
lichkeit zum einzigen Erben ein: dieser nimmt
auch gleich nach seines Herrn Tode von allen
dessen Gütern Besitz, und machet des Verstor-
benen Söhne zu seinen Sais oder Knechten;
mit welchem Stande sie auch zufrieden seyn,
und ihres Vaters Slawen ihre ganze Lebens-
zeit hindurch gehorchen müssen. Dieses
schreibet man insgemein Josephs Segen über
die Slawen zu, und es kann auch ohne gro-
ßen Nachtheil des gemeinen Wesens nicht
geändert werden, weil die eingebornen Ae-
gypter von Natur zu der bürgerlichen Regie-
[Spaltenumbruch]
rung ganz und gar untüchtig sind. Es ha-
ben viele ägyptischen Fürsten öfters versuchet,
ihre rohen Söhne zu bessern Sitten anzuge-
wöhnen: sie haben aber befunden, daß alle
ihre Mühe vergeblich war. Weil nun sol-
chergestalt die Erbschaft in Aegypten nicht
auf die Kinder fället, sondern auf die Sla-
wen, welche Tugend besitzen: so hüten sich
die Türken, daß sie das Amt eines Pascha
daselbst keinem Gefangenen, sonderlich keinem
Tscherkassier, anvertrauen; sondern einem
Türken, oder einer andern freyen Person, die
sich zu dem muhämmedischen Glauben gewen-
det hat. Denn sie glauben, es sey von dem
Verhängnisse beschlossen, daß man ihnen das
Königreich Aegypten anders nicht aus den
Händen reißen könne, als wann es von einem
Slawen regieret werde.
30 Statthalter von Damaskus] oder,

keine

Osmaniſche Geſchichte
Kriegesheere ohne Bewegung in ihren Gezelten bleiben, traͤget es ſich zu, daß
einige Tſcherkaſſier, entweder mit Nachſicht ihres Herrn, oder aus gewoͤhnlicher
Verwegenheit der Soldaten, etliche beladene Kamele, die in Selims Lager
wollten, auffangen und pluͤndern. Selim wird dadurch aufgebracht, und leget
es ſo aus, als wenn ihm dieſes zum Schimpfe geſchehen waͤre. Er entſchlie-
ßet ſich daher dieſen Augenblick, den Zorn, den er gegen die Perſer gefaſſet hatte,
auf die Koͤpfe der Aegypter auszuſchuͤtten, kuͤndiget den Tſcherkaſſiern den Krieg
an, weil ſie ihn ohne Urſache beleidiget haͤtten, und nimmt ſich vor, ganz Aegyp-
ten unter den Fuß zu bringen.

uͤberwindet die-
ſelben durch den
Verrath ihrerFeldherren.
17.

Nachdem Selim ſolchergeſtalt ſein Vorhaben, in Perſien einzufallen,
fahren gelaſſen, und dafuͤr den Krieg mit Aegypten erwaͤhlet hatte: ſo erhaͤlt er
Briefe von Chaͤjrbegj, Statthalter von Damaskus 30, und von Gaͤßelibegj,
Statthalter von Aleppo (zwiſchen denen und dem Sultan Gaͤwri, wiewol heimlich,
eine Todfeindſchaft waltete), darinnen ſie erzaͤhlen, was ſie Gaͤwri fuͤr Dienſte
geleiſtet haͤtten, und dabey deſſen Tiranney, Undankbarkeit, Geiz und Eifer-
ſucht anfuͤhren, die ihn dahin gebracht, daß er ihnen nach dem Leben getrachtet
haͤtte. Sie verſprechen ihm zugleich, die Tſcherkaſſier mitten in dem Treffen
zu verlaſſen, und kuͤnftig ſeine Unterthanen zu ſeyn. Und dafuͤr begehren ſie
[Spaltenumbruch]

ſchas ſind gedemuͤthiget worden: ſo iſt der
Paſcha daſelbſt ſeines Lebens etwas mehr
ſicher, obzwar nicht ohne alle Gefahr. Die
Art, wie es in Aegypten mit den Erbſchaften
zugehet, iſt folgende. Die ſterbende Perſon
ſchließet alle ihre Soͤhne von der Erbſchaft
aus, und ſetzet einen gewiſſen Slawen oder
Gefangenen von bewaͤhrter Tugend und Red-
lichkeit zum einzigen Erben ein: dieſer nimmt
auch gleich nach ſeines Herrn Tode von allen
deſſen Guͤtern Beſitz, und machet des Verſtor-
benen Soͤhne zu ſeinen Sais oder Knechten;
mit welchem Stande ſie auch zufrieden ſeyn,
und ihres Vaters Slawen ihre ganze Lebens-
zeit hindurch gehorchen muͤſſen. Dieſes
ſchreibet man insgemein Joſephs Segen uͤber
die Slawen zu, und es kann auch ohne gro-
ßen Nachtheil des gemeinen Weſens nicht
geaͤndert werden, weil die eingebornen Ae-
gypter von Natur zu der buͤrgerlichen Regie-
[Spaltenumbruch]
rung ganz und gar untuͤchtig ſind. Es ha-
ben viele aͤgyptiſchen Fuͤrſten oͤfters verſuchet,
ihre rohen Soͤhne zu beſſern Sitten anzuge-
woͤhnen: ſie haben aber befunden, daß alle
ihre Muͤhe vergeblich war. Weil nun ſol-
chergeſtalt die Erbſchaft in Aegypten nicht
auf die Kinder faͤllet, ſondern auf die Sla-
wen, welche Tugend beſitzen: ſo huͤten ſich
die Tuͤrken, daß ſie das Amt eines Paſcha
daſelbſt keinem Gefangenen, ſonderlich keinem
Tſcherkaſſier, anvertrauen; ſondern einem
Tuͤrken, oder einer andern freyen Perſon, die
ſich zu dem muhaͤmmediſchen Glauben gewen-
det hat. Denn ſie glauben, es ſey von dem
Verhaͤngniſſe beſchloſſen, daß man ihnen das
Koͤnigreich Aegypten anders nicht aus den
Haͤnden reißen koͤnne, als wann es von einem
Slawen regieret werde.
30 Statthalter von Damaskus] oder,

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[234/0322] Osmaniſche Geſchichte Kriegesheere ohne Bewegung in ihren Gezelten bleiben, traͤget es ſich zu, daß einige Tſcherkaſſier, entweder mit Nachſicht ihres Herrn, oder aus gewoͤhnlicher Verwegenheit der Soldaten, etliche beladene Kamele, die in Selims Lager wollten, auffangen und pluͤndern. Selim wird dadurch aufgebracht, und leget es ſo aus, als wenn ihm dieſes zum Schimpfe geſchehen waͤre. Er entſchlie- ßet ſich daher dieſen Augenblick, den Zorn, den er gegen die Perſer gefaſſet hatte, auf die Koͤpfe der Aegypter auszuſchuͤtten, kuͤndiget den Tſcherkaſſiern den Krieg an, weil ſie ihn ohne Urſache beleidiget haͤtten, und nimmt ſich vor, ganz Aegyp- ten unter den Fuß zu bringen. 17. Nachdem Selim ſolchergeſtalt ſein Vorhaben, in Perſien einzufallen, fahren gelaſſen, und dafuͤr den Krieg mit Aegypten erwaͤhlet hatte: ſo erhaͤlt er Briefe von Chaͤjrbegj, Statthalter von Damaskus ³⁰ , und von Gaͤßelibegj, Statthalter von Aleppo (zwiſchen denen und dem Sultan Gaͤwri, wiewol heimlich, eine Todfeindſchaft waltete), darinnen ſie erzaͤhlen, was ſie Gaͤwri fuͤr Dienſte geleiſtet haͤtten, und dabey deſſen Tiranney, Undankbarkeit, Geiz und Eifer- ſucht anfuͤhren, die ihn dahin gebracht, daß er ihnen nach dem Leben getrachtet haͤtte. Sie verſprechen ihm zugleich, die Tſcherkaſſier mitten in dem Treffen zu verlaſſen, und kuͤnftig ſeine Unterthanen zu ſeyn. Und dafuͤr begehren ſie keine ſchas ſind gedemuͤthiget worden: ſo iſt der Paſcha daſelbſt ſeines Lebens etwas mehr ſicher, obzwar nicht ohne alle Gefahr. Die Art, wie es in Aegypten mit den Erbſchaften zugehet, iſt folgende. Die ſterbende Perſon ſchließet alle ihre Soͤhne von der Erbſchaft aus, und ſetzet einen gewiſſen Slawen oder Gefangenen von bewaͤhrter Tugend und Red- lichkeit zum einzigen Erben ein: dieſer nimmt auch gleich nach ſeines Herrn Tode von allen deſſen Guͤtern Beſitz, und machet des Verſtor- benen Soͤhne zu ſeinen Sais oder Knechten; mit welchem Stande ſie auch zufrieden ſeyn, und ihres Vaters Slawen ihre ganze Lebens- zeit hindurch gehorchen muͤſſen. Dieſes ſchreibet man insgemein Joſephs Segen uͤber die Slawen zu, und es kann auch ohne gro- ßen Nachtheil des gemeinen Weſens nicht geaͤndert werden, weil die eingebornen Ae- gypter von Natur zu der buͤrgerlichen Regie- rung ganz und gar untuͤchtig ſind. Es ha- ben viele aͤgyptiſchen Fuͤrſten oͤfters verſuchet, ihre rohen Soͤhne zu beſſern Sitten anzuge- woͤhnen: ſie haben aber befunden, daß alle ihre Muͤhe vergeblich war. Weil nun ſol- chergeſtalt die Erbſchaft in Aegypten nicht auf die Kinder faͤllet, ſondern auf die Sla- wen, welche Tugend beſitzen: ſo huͤten ſich die Tuͤrken, daß ſie das Amt eines Paſcha daſelbſt keinem Gefangenen, ſonderlich keinem Tſcherkaſſier, anvertrauen; ſondern einem Tuͤrken, oder einer andern freyen Perſon, die ſich zu dem muhaͤmmediſchen Glauben gewen- det hat. Denn ſie glauben, es ſey von dem Verhaͤngniſſe beſchloſſen, daß man ihnen das Koͤnigreich Aegypten anders nicht aus den Haͤnden reißen koͤnne, als wann es von einem Slawen regieret werde. ³⁰ Statthalter von Damaskus] oder, wie

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/322>, abgerufen am 25.11.2024.