Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite
9. Selim der I
16.

Der schnelle Lauf seiner Siege brachte Selim auf die Gedanken,Selim ziehet
gegen die Perser
aus; ändert aber
sein Vorhaben
plötzlich, und
greifet die Ae-
gypter an:

das ganze persische Reich über einen Haufen zu werfen, oder, wenn dieses nicht
geschehen könnte, dasselbe doch gänzlich zu schwächen. Er zog daher im Jahre
923 von Constantinopel aus, seine Absichten auszuführen, und zwar mit einem
weit zahlreichern Heere, als er bisher gethan hatte, und lagerte sich nahe bey
Aleppo 28. Nicht weit von demselben Platze kam ihm der tscherkassische KönigH. 923.



J. C. 1517.
in Aegypten, Sultan Gäwri 29, mit einer gleichen Anzahl Truppen entgegen,
schickte Gesandten an ihn ab, und ließ ihm seine Freundschaft anbieten, mit dem
Versprechen, ihm wider die Perser beyzustehen. Mittlerweile nun, da beyde
[Spaltenumbruch]
äußersten Grenzen Asiens hinein kommen lie-
ßen), bis auf die Zeit der Regierung Selims.
Die Aegypter sind von einem alten Aberglau-
ben eingenommen (der zwar ursprünglich
aus wahren Quellen herrühret), nämlich:
es sey von dem Verhängnisse beschlossen, daß
in ihrem Lande die Gefangenen regieren, und
die Eingebornen denselben unterthan seyn
sollten. Sowol die Türken als Araber sind
der Meinung, daß der Segen des Patriarchen
Josephs dieses verursachet habe*: und ob es
gleich den Gesetzen des Kurous zuwider ist;
so wird es dennoch von ihnen bis auf den
heutigen Tag genau beobachtet. Denn Ae-
gypten ist zwar dem osmanischen Reiche un-
terworfen, und der Hof giebt demselben nach
Belieben einen Pascha, und setzet ihn wieder
ab: dabey aber werden doch alle Statsge-
schäffte von vier und zwanzig Begjen oder Für-
sten verwaltet, deren keiner eine Erbschaft
bekommen, oder zu der Regierung gelangen
kann, wenn er nicht zuvor ein Slaw gewesen
ist. Diese bekennen zwar öffentlich, daß sie
den osmanischen Befehlen gehorchen wollten:
in der That aber folgen sie ihrem eigenen
Sinne und Gutdünken. Es geschiehet sehr
oft, daß ein Pascha, der ihnen von dem Sul-
tane gegeben worden, durch ihre Gewalt ab-
gesetzet, in einem Thurm, Kjöschkji Jusüf
[Spaltenumbruch]
(Josephs Palast) genennet, eingesperret,
aller seiner Güter beraubet, und nacket und
bloß fortgejaget wird. Damit aber doch
auch die Majestät des osmanischen Reiches
dabey erhalten werden möge: so schicken sie
nachgehends eine Abordnung an den Hof, und
halten um einen andern Pascha an. Manch-
mal fordern sie ihn, nachdem sie ihn abgesetzet
haben, gar zur Rechenschaft, und ihn desto
mehr zu beschimpfen, schicken sie Särraf Ba-
schi (den Münzmeister2*), welches ein Jud ist,
zu ihm. Dieser kommt und redet ihn nach
vorhergängigem Selam (Gruße) also an:
"Die Herren Fürsten befehlen euch, daß ihr
"alles das Geld, was ihr den Gesetzen zu-
"wider unrechtmäßiger Weise zusammenge-
"häufet habt, wieder herausgeben sollt."
Wann nun der Pascha sich dessen geweigert
oder einige Entschuldigung gemacht hat: so
hat wol ehedem der Jud seine Forderung mit
mehrerm Ungestüme wiederholet, und gesaget:
"Ihr müsset es in der That wieder heraus-
"geben, höchstglücklicher Pascha." Die-
ses war vor diesem ihre Weise mit den Paschen
zu verfahren, die sie so beständig beobach-
teten, daß unter zehen kaum einer mit Ehren
aus ihren Händen kam. Seit dem aber die
ägyptischen Fürsten, bey unserer Väter Ge-
denken, durch Veranstaltung Ibrahim Pa-

Krieges-
* 191 S. 31 Anm.
2* den obersten Wechsler.
2 G
9. Selim der I
16.

Der ſchnelle Lauf ſeiner Siege brachte Selim auf die Gedanken,Selim ziehet
gegen die Perſer
aus; aͤndert aber
ſein Vorhaben
ploͤtzlich, und
greifet die Ae-
gypter an:

das ganze perſiſche Reich uͤber einen Haufen zu werfen, oder, wenn dieſes nicht
geſchehen koͤnnte, daſſelbe doch gaͤnzlich zu ſchwaͤchen. Er zog daher im Jahre
923 von Conſtantinopel aus, ſeine Abſichten auszufuͤhren, und zwar mit einem
weit zahlreichern Heere, als er bisher gethan hatte, und lagerte ſich nahe bey
Aleppo 28. Nicht weit von demſelben Platze kam ihm der tſcherkaſſiſche KoͤnigH. 923.



J. C. 1517.
in Aegypten, Sultan Gaͤwri 29, mit einer gleichen Anzahl Truppen entgegen,
ſchickte Geſandten an ihn ab, und ließ ihm ſeine Freundſchaft anbieten, mit dem
Verſprechen, ihm wider die Perſer beyzuſtehen. Mittlerweile nun, da beyde
[Spaltenumbruch]
aͤußerſten Grenzen Aſiens hinein kommen lie-
ßen), bis auf die Zeit der Regierung Selims.
Die Aegypter ſind von einem alten Aberglau-
ben eingenommen (der zwar urſpruͤnglich
aus wahren Quellen herruͤhret), naͤmlich:
es ſey von dem Verhaͤngniſſe beſchloſſen, daß
in ihrem Lande die Gefangenen regieren, und
die Eingebornen denſelben unterthan ſeyn
ſollten. Sowol die Tuͤrken als Araber ſind
der Meinung, daß der Segen des Patriarchen
Joſephs dieſes verurſachet habe*: und ob es
gleich den Geſetzen des Kurous zuwider iſt;
ſo wird es dennoch von ihnen bis auf den
heutigen Tag genau beobachtet. Denn Ae-
gypten iſt zwar dem osmaniſchen Reiche un-
terworfen, und der Hof giebt demſelben nach
Belieben einen Paſcha, und ſetzet ihn wieder
ab: dabey aber werden doch alle Statsge-
ſchaͤffte von vier und zwanzig Begjen oder Fuͤr-
ſten verwaltet, deren keiner eine Erbſchaft
bekommen, oder zu der Regierung gelangen
kann, wenn er nicht zuvor ein Slaw geweſen
iſt. Dieſe bekennen zwar oͤffentlich, daß ſie
den osmaniſchen Befehlen gehorchen wollten:
in der That aber folgen ſie ihrem eigenen
Sinne und Gutduͤnken. Es geſchiehet ſehr
oft, daß ein Paſcha, der ihnen von dem Sul-
tane gegeben worden, durch ihre Gewalt ab-
geſetzet, in einem Thurm, Kjoͤſchkji Juſuͤf
[Spaltenumbruch]
(Joſephs Palaſt) genennet, eingeſperret,
aller ſeiner Guͤter beraubet, und nacket und
bloß fortgejaget wird. Damit aber doch
auch die Majeſtaͤt des osmaniſchen Reiches
dabey erhalten werden moͤge: ſo ſchicken ſie
nachgehends eine Abordnung an den Hof, und
halten um einen andern Paſcha an. Manch-
mal fordern ſie ihn, nachdem ſie ihn abgeſetzet
haben, gar zur Rechenſchaft, und ihn deſto
mehr zu beſchimpfen, ſchicken ſie Saͤrraf Ba-
ſchi (den Muͤnzmeiſter2*), welches ein Jud iſt,
zu ihm. Dieſer kommt und redet ihn nach
vorhergaͤngigem Selam (Gruße) alſo an:
“Die Herren Fuͤrſten befehlen euch, daß ihr
“alles das Geld, was ihr den Geſetzen zu-
“wider unrechtmaͤßiger Weiſe zuſammenge-
“haͤufet habt, wieder herausgeben ſollt.„
Wann nun der Paſcha ſich deſſen geweigert
oder einige Entſchuldigung gemacht hat: ſo
hat wol ehedem der Jud ſeine Forderung mit
mehrerm Ungeſtuͤme wiederholet, und geſaget:
“Ihr muͤſſet es in der That wieder heraus-
“geben, hoͤchſtgluͤcklicher Paſcha.„ Die-
ſes war vor dieſem ihre Weiſe mit den Paſchen
zu verfahren, die ſie ſo beſtaͤndig beobach-
teten, daß unter zehen kaum einer mit Ehren
aus ihren Haͤnden kam. Seit dem aber die
aͤgyptiſchen Fuͤrſten, bey unſerer Vaͤter Ge-
denken, durch Veranſtaltung Ibrahim Pa-

Krieges-
* 191 S. 31 Anm.
2* den oberſten Wechsler.
2 G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0321" n="233"/>
          <fw place="top" type="header">9. Selim der <hi rendition="#aq">I</hi></fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>16.</head>
            <p>Der &#x017F;chnelle Lauf &#x017F;einer Siege brachte Selim auf die Gedanken,<note place="right">Selim ziehet<lb/>
gegen die Per&#x017F;er<lb/>
aus; a&#x0364;ndert aber<lb/>
&#x017F;ein Vorhaben<lb/>
plo&#x0364;tzlich, und<lb/>
greifet die Ae-<lb/>
gypter an:</note><lb/>
das ganze per&#x017F;i&#x017F;che Reich u&#x0364;ber einen Haufen zu werfen, oder, wenn die&#x017F;es nicht<lb/>
ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nnte, da&#x017F;&#x017F;elbe doch ga&#x0364;nzlich zu &#x017F;chwa&#x0364;chen. Er zog daher im Jahre<lb/>
923 von Con&#x017F;tantinopel aus, &#x017F;eine Ab&#x017F;ichten auszufu&#x0364;hren, und zwar mit einem<lb/>
weit zahlreichern Heere, als er bisher gethan hatte, und lagerte &#x017F;ich nahe bey<lb/>
Aleppo <note place="end" n="28"/>. Nicht weit von dem&#x017F;elben Platze kam ihm der t&#x017F;cherka&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Ko&#x0364;nig<note place="right">H. 923.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
J. C. 1517.</note><lb/>
in Aegypten, Sultan Ga&#x0364;wri <note place="end" n="29"/>, mit einer gleichen Anzahl Truppen entgegen,<lb/>
&#x017F;chickte Ge&#x017F;andten an ihn ab, und ließ ihm &#x017F;eine Freund&#x017F;chaft anbieten, mit dem<lb/>
Ver&#x017F;prechen, ihm wider die Per&#x017F;er beyzu&#x017F;tehen. Mittlerweile nun, da beyde<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Krieges-</fw><lb/><cb n="1"/><lb/><note xml:id="N321" prev="#N320" place="end" next="#N322">a&#x0364;ußer&#x017F;ten Grenzen A&#x017F;iens hinein kommen lie-<lb/>
ßen), bis auf die Zeit der Regierung Selims.<lb/>
Die Aegypter &#x017F;ind von einem alten Aberglau-<lb/>
ben eingenommen (der zwar ur&#x017F;pru&#x0364;nglich<lb/>
aus wahren Quellen herru&#x0364;hret), na&#x0364;mlich:<lb/>
es &#x017F;ey von dem Verha&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
in ihrem Lande die Gefangenen regieren, und<lb/>
die Eingebornen den&#x017F;elben unterthan &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ollten. Sowol die Tu&#x0364;rken als Araber &#x017F;ind<lb/>
der Meinung, daß der Segen des Patriarchen<lb/>
Jo&#x017F;ephs die&#x017F;es verur&#x017F;achet habe<note place="foot" n="*">191 S. 31 Anm.</note>: und ob es<lb/>
gleich den Ge&#x017F;etzen des Kurous zuwider i&#x017F;t;<lb/>
&#x017F;o wird es dennoch von ihnen bis auf den<lb/>
heutigen Tag genau beobachtet. Denn Ae-<lb/>
gypten i&#x017F;t zwar dem osmani&#x017F;chen Reiche un-<lb/>
terworfen, und der Hof giebt dem&#x017F;elben nach<lb/>
Belieben einen Pa&#x017F;cha, und &#x017F;etzet ihn wieder<lb/>
ab: dabey aber werden doch alle Statsge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ffte von vier und zwanzig Begjen oder Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten verwaltet, deren keiner eine Erb&#x017F;chaft<lb/>
bekommen, oder zu der Regierung gelangen<lb/>
kann, wenn er nicht zuvor ein Slaw gewe&#x017F;en<lb/>
i&#x017F;t. Die&#x017F;e bekennen zwar o&#x0364;ffentlich, daß &#x017F;ie<lb/>
den osmani&#x017F;chen Befehlen gehorchen wollten:<lb/>
in der That aber folgen &#x017F;ie ihrem eigenen<lb/>
Sinne und Gutdu&#x0364;nken. Es ge&#x017F;chiehet &#x017F;ehr<lb/>
oft, daß ein Pa&#x017F;cha, der ihnen von dem Sul-<lb/>
tane gegeben worden, durch ihre Gewalt ab-<lb/>
ge&#x017F;etzet, in einem Thurm, Kjo&#x0364;&#x017F;chkji Ju&#x017F;u&#x0364;f<lb/><cb n="2"/><lb/>
(Jo&#x017F;ephs Pala&#x017F;t) genennet, einge&#x017F;perret,<lb/>
aller &#x017F;einer Gu&#x0364;ter beraubet, und nacket und<lb/>
bloß fortgejaget wird. Damit aber doch<lb/>
auch die Maje&#x017F;ta&#x0364;t des osmani&#x017F;chen Reiches<lb/>
dabey erhalten werden mo&#x0364;ge: &#x017F;o &#x017F;chicken &#x017F;ie<lb/>
nachgehends eine Abordnung an den Hof, und<lb/>
halten um einen andern Pa&#x017F;cha an. Manch-<lb/>
mal fordern &#x017F;ie ihn, nachdem &#x017F;ie ihn abge&#x017F;etzet<lb/>
haben, gar zur Rechen&#x017F;chaft, und ihn de&#x017F;to<lb/>
mehr zu be&#x017F;chimpfen, &#x017F;chicken &#x017F;ie Sa&#x0364;rraf Ba-<lb/>
&#x017F;chi (den Mu&#x0364;nzmei&#x017F;ter<note place="foot" n="2*">den ober&#x017F;ten Wechsler.</note>), welches ein Jud i&#x017F;t,<lb/>
zu ihm. Die&#x017F;er kommt und redet ihn nach<lb/>
vorherga&#x0364;ngigem Selam (Gruße) al&#x017F;o an:<lb/>
&#x201C;Die Herren Fu&#x0364;r&#x017F;ten befehlen euch, daß ihr<lb/>
&#x201C;alles das Geld, was ihr den Ge&#x017F;etzen zu-<lb/>
&#x201C;wider unrechtma&#x0364;ßiger Wei&#x017F;e zu&#x017F;ammenge-<lb/>
&#x201C;ha&#x0364;ufet habt, wieder herausgeben &#x017F;ollt.&#x201E;<lb/>
Wann nun der Pa&#x017F;cha &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en geweigert<lb/>
oder einige Ent&#x017F;chuldigung gemacht hat: &#x017F;o<lb/>
hat wol ehedem der Jud &#x017F;eine Forderung mit<lb/>
mehrerm Unge&#x017F;tu&#x0364;me wiederholet, und ge&#x017F;aget:<lb/>
&#x201C;Ihr mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et es in der That wieder heraus-<lb/>
&#x201C;geben, ho&#x0364;ch&#x017F;tglu&#x0364;cklicher Pa&#x017F;cha.&#x201E; Die-<lb/>
&#x017F;es war vor die&#x017F;em ihre Wei&#x017F;e mit den Pa&#x017F;chen<lb/>
zu verfahren, die &#x017F;ie &#x017F;o be&#x017F;ta&#x0364;ndig beobach-<lb/>
teten, daß unter zehen kaum einer mit Ehren<lb/>
aus ihren Ha&#x0364;nden kam. Seit dem aber die<lb/>
a&#x0364;gypti&#x017F;chen Fu&#x0364;r&#x017F;ten, bey un&#x017F;erer Va&#x0364;ter Ge-<lb/>
denken, durch Veran&#x017F;taltung Ibrahim Pa-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chas</fw></note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2 G</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0321] 9. Selim der I 16. Der ſchnelle Lauf ſeiner Siege brachte Selim auf die Gedanken, das ganze perſiſche Reich uͤber einen Haufen zu werfen, oder, wenn dieſes nicht geſchehen koͤnnte, daſſelbe doch gaͤnzlich zu ſchwaͤchen. Er zog daher im Jahre 923 von Conſtantinopel aus, ſeine Abſichten auszufuͤhren, und zwar mit einem weit zahlreichern Heere, als er bisher gethan hatte, und lagerte ſich nahe bey Aleppo ²⁸ . Nicht weit von demſelben Platze kam ihm der tſcherkaſſiſche Koͤnig in Aegypten, Sultan Gaͤwri ²⁹ , mit einer gleichen Anzahl Truppen entgegen, ſchickte Geſandten an ihn ab, und ließ ihm ſeine Freundſchaft anbieten, mit dem Verſprechen, ihm wider die Perſer beyzuſtehen. Mittlerweile nun, da beyde Krieges- aͤußerſten Grenzen Aſiens hinein kommen lie- ßen), bis auf die Zeit der Regierung Selims. Die Aegypter ſind von einem alten Aberglau- ben eingenommen (der zwar urſpruͤnglich aus wahren Quellen herruͤhret), naͤmlich: es ſey von dem Verhaͤngniſſe beſchloſſen, daß in ihrem Lande die Gefangenen regieren, und die Eingebornen denſelben unterthan ſeyn ſollten. Sowol die Tuͤrken als Araber ſind der Meinung, daß der Segen des Patriarchen Joſephs dieſes verurſachet habe *: und ob es gleich den Geſetzen des Kurous zuwider iſt; ſo wird es dennoch von ihnen bis auf den heutigen Tag genau beobachtet. Denn Ae- gypten iſt zwar dem osmaniſchen Reiche un- terworfen, und der Hof giebt demſelben nach Belieben einen Paſcha, und ſetzet ihn wieder ab: dabey aber werden doch alle Statsge- ſchaͤffte von vier und zwanzig Begjen oder Fuͤr- ſten verwaltet, deren keiner eine Erbſchaft bekommen, oder zu der Regierung gelangen kann, wenn er nicht zuvor ein Slaw geweſen iſt. Dieſe bekennen zwar oͤffentlich, daß ſie den osmaniſchen Befehlen gehorchen wollten: in der That aber folgen ſie ihrem eigenen Sinne und Gutduͤnken. Es geſchiehet ſehr oft, daß ein Paſcha, der ihnen von dem Sul- tane gegeben worden, durch ihre Gewalt ab- geſetzet, in einem Thurm, Kjoͤſchkji Juſuͤf (Joſephs Palaſt) genennet, eingeſperret, aller ſeiner Guͤter beraubet, und nacket und bloß fortgejaget wird. Damit aber doch auch die Majeſtaͤt des osmaniſchen Reiches dabey erhalten werden moͤge: ſo ſchicken ſie nachgehends eine Abordnung an den Hof, und halten um einen andern Paſcha an. Manch- mal fordern ſie ihn, nachdem ſie ihn abgeſetzet haben, gar zur Rechenſchaft, und ihn deſto mehr zu beſchimpfen, ſchicken ſie Saͤrraf Ba- ſchi (den Muͤnzmeiſter 2*), welches ein Jud iſt, zu ihm. Dieſer kommt und redet ihn nach vorhergaͤngigem Selam (Gruße) alſo an: “Die Herren Fuͤrſten befehlen euch, daß ihr “alles das Geld, was ihr den Geſetzen zu- “wider unrechtmaͤßiger Weiſe zuſammenge- “haͤufet habt, wieder herausgeben ſollt.„ Wann nun der Paſcha ſich deſſen geweigert oder einige Entſchuldigung gemacht hat: ſo hat wol ehedem der Jud ſeine Forderung mit mehrerm Ungeſtuͤme wiederholet, und geſaget: “Ihr muͤſſet es in der That wieder heraus- “geben, hoͤchſtgluͤcklicher Paſcha.„ Die- ſes war vor dieſem ihre Weiſe mit den Paſchen zu verfahren, die ſie ſo beſtaͤndig beobach- teten, daß unter zehen kaum einer mit Ehren aus ihren Haͤnden kam. Seit dem aber die aͤgyptiſchen Fuͤrſten, bey unſerer Vaͤter Ge- denken, durch Veranſtaltung Ibrahim Pa- ſchas Selim ziehet gegen die Perſer aus; aͤndert aber ſein Vorhaben ploͤtzlich, und greifet die Ae- gypter an: H. 923. J. C. 1517. * 191 S. 31 Anm. 2* den oberſten Wechsler. 2 G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/321
Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/321>, abgerufen am 20.05.2024.