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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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7. Muhämmed der II
Sultan berichtet, daß ein gewisser muhämmedischer Feldherr, Ebu Ejjub* En-
[Spaltenumbruch]
Kurons für einen Ausspruch hierinnen be-
kannt machen werde, dabey wolle er es be-
wenden lassen. Wenn ihm aber die Gerech-
tigkeit verweigert werden sollte: so wolle er
die Seelen und Sünden seiner und seines gan-
zen Volkes in einer andern Welt und vor ei-
nem andern Gerichte suchen. Der Kaimmä-
kam schicket die Antwort des Patriarchen an
den Weßir, und zwar in einem Briefe einge-
schlossen, wie ihm anbefohlen war, und da-
bey eine demüthige Bittschrift der Christen.
Als dieses überreichet und verlesen ist: so ge-
het der Müfti mit dem Weßire zu dem Kaiser,
und berichtet demselben, daß der Patriarch zu
Constantinopel sich weigere, dessen Befehle
Gehorsam zu leisten, und zur Ursache seines
Ungehorsams anführe, es müßte erst ein ge-
richtliches Verhör zwischen ihm und dem Kai-
ser darüber angestellet werden. Da nun
aber, setzte der Müfti hinzu, auf den Aus-
spruch Emrischeriins: der Wille der Gerech-
tigkeit müsse geschehen; auch fließende Wasser
stille stehen müssen: so halte ich es nicht mehr
als für billig, daß eure Majestät seine Klagen
anhören und dieselben beantworten zu lassen
geruhen. Weil nun der Kaiser wohl weis, daß
er nicht mit der Gewalt durchdringen und der
Meinung des Müfti entgegen handeln kann:
so saget er darauf; Es mag dann so seyn:
und giebt Befehl, daß der Patriarch, die Me-
tropoliten und einige andere von den Vorste-
hern der Geistlichkeit, zu Adrianopel vor ihn
kommen sollten. Als sie daselbst in dem Di-
wan erscheinen: so beschweren sie sich, daß
des Kaisers Befehl nicht allein gegen sie selbst
höchst unbillig sey, sondern auch dadurch
der Vergleich, den die Vorfahrer desselben
mit ihnen eingegangen und mit einem Eide
[Spaltenumbruch]
bekräftiget hätten, erschrecklich verletzet und
mit Füßen getreten werde. Des Kaisers
Defterdar Efendi (denn dieser vertheidiget
allezeit die Sache des Sultans) fraget sie:
was dieses für ein Vergleich sey, davon sie
redeten? Hierauf giebt der Patriarch fol-
gende Antwort. "Eure Majestät lasse sich
"benachrichtigen, daß unsere Vorfahrer die
"eine Hälfte der Stadt Constantinopel an
"Muhämmed Fatih auf folgende Bedingun-
"gen übergeben haben: erstlich, daß die Kir-
"chen der Christen nicht in Dschami ver-
"wandelt werden sollten; zum andern, daß
"die Ehen, Leichenbegängnisse und andere
"Gebräuche des christlichen Gottesdienstes,
"öffentlich und mit den gewöhnlichen Feier-
"lichkeiten, ohne einige Hinderniß oder Be-
"einträchtigung, verrichtet werden sollten;
"zum dritten, daß das Osterfest in völliger
"Freyheit gefeiert, und zu dem Ende das
"Thor Phenar drey Tage lang für die Chri-
"sten offen gelassen werden sollte, damit
"dieselben von den Vorstädten herein kom-
"men und den nächtlichen Gottesdienst in
"der Patriarchalkirche mit abwarten könn-
"ten. Unter diesen Bedingungen (sage
"ich) haben wir die Stadt eurer Majestät
"Großvater übergeben, durch Ueberreichung
"der Schlüssel in güldenen Schalen, und
"sind durch das gegebene Wort desselben bis
"auf den heutigen Tag in dem Besitze un-
"serer Kirchen bestätiget und von zweenen
"ihrer Vorfahrer gegen alle Gewalt heilig
"geschützet worden. Diese Rechte wollen
"eure Majestät uns itzo gewaltthätiger Weise
"entziehen: mit welchem Unrechte aber; ha-
"be ich nicht nöthig erst zu sagen. Gegen
"das andere Stück eurer Majestät Befehls,

sari,
* ist der Name Hiob.

7. Muhaͤmmed der II
Sultan berichtet, daß ein gewiſſer muhaͤmmediſcher Feldherr, Ebu Ejjub* En-
[Spaltenumbruch]
Kurons fuͤr einen Ausſpruch hierinnen be-
kannt machen werde, dabey wolle er es be-
wenden laſſen. Wenn ihm aber die Gerech-
tigkeit verweigert werden ſollte: ſo wolle er
die Seelen und Suͤnden ſeiner und ſeines gan-
zen Volkes in einer andern Welt und vor ei-
nem andern Gerichte ſuchen. Der Kaimmaͤ-
kam ſchicket die Antwort des Patriarchen an
den Weßir, und zwar in einem Briefe einge-
ſchloſſen, wie ihm anbefohlen war, und da-
bey eine demuͤthige Bittſchrift der Chriſten.
Als dieſes uͤberreichet und verleſen iſt: ſo ge-
het der Muͤfti mit dem Weßire zu dem Kaiſer,
und berichtet demſelben, daß der Patriarch zu
Conſtantinopel ſich weigere, deſſen Befehle
Gehorſam zu leiſten, und zur Urſache ſeines
Ungehorſams anfuͤhre, es muͤßte erſt ein ge-
richtliches Verhoͤr zwiſchen ihm und dem Kai-
ſer daruͤber angeſtellet werden. Da nun
aber, ſetzte der Muͤfti hinzu, auf den Aus-
ſpruch Emriſcheriins: der Wille der Gerech-
tigkeit muͤſſe geſchehen; auch fließende Waſſer
ſtille ſtehen muͤſſen: ſo halte ich es nicht mehr
als fuͤr billig, daß eure Majeſtaͤt ſeine Klagen
anhoͤren und dieſelben beantworten zu laſſen
geruhen. Weil nun der Kaiſer wohl weis, daß
er nicht mit der Gewalt durchdringen und der
Meinung des Muͤfti entgegen handeln kann:
ſo ſaget er darauf; Es mag dann ſo ſeyn:
und giebt Befehl, daß der Patriarch, die Me-
tropoliten und einige andere von den Vorſte-
hern der Geiſtlichkeit, zu Adrianopel vor ihn
kommen ſollten. Als ſie daſelbſt in dem Di-
wan erſcheinen: ſo beſchweren ſie ſich, daß
des Kaiſers Befehl nicht allein gegen ſie ſelbſt
hoͤchſt unbillig ſey, ſondern auch dadurch
der Vergleich, den die Vorfahrer deſſelben
mit ihnen eingegangen und mit einem Eide
[Spaltenumbruch]
bekraͤftiget haͤtten, erſchrecklich verletzet und
mit Fuͤßen getreten werde. Des Kaiſers
Defterdar Efendi (denn dieſer vertheidiget
allezeit die Sache des Sultans) fraget ſie:
was dieſes fuͤr ein Vergleich ſey, davon ſie
redeten? Hierauf giebt der Patriarch fol-
gende Antwort. “Eure Majeſtaͤt laſſe ſich
“benachrichtigen, daß unſere Vorfahrer die
“eine Haͤlfte der Stadt Conſtantinopel an
“Muhaͤmmed Fatih auf folgende Bedingun-
“gen uͤbergeben haben: erſtlich, daß die Kir-
“chen der Chriſten nicht in Dſchami ver-
“wandelt werden ſollten; zum andern, daß
“die Ehen, Leichenbegaͤngniſſe und andere
“Gebraͤuche des chriſtlichen Gottesdienſtes,
“oͤffentlich und mit den gewoͤhnlichen Feier-
“lichkeiten, ohne einige Hinderniß oder Be-
“eintraͤchtigung, verrichtet werden ſollten;
“zum dritten, daß das Oſterfeſt in voͤlliger
“Freyheit gefeiert, und zu dem Ende das
“Thor Phenar drey Tage lang fuͤr die Chri-
“ſten offen gelaſſen werden ſollte, damit
“dieſelben von den Vorſtaͤdten herein kom-
“men und den naͤchtlichen Gottesdienſt in
“der Patriarchalkirche mit abwarten koͤnn-
“ten. Unter dieſen Bedingungen (ſage
“ich) haben wir die Stadt eurer Majeſtaͤt
“Großvater uͤbergeben, durch Ueberreichung
“der Schluͤſſel in guͤldenen Schalen, und
“ſind durch das gegebene Wort deſſelben bis
“auf den heutigen Tag in dem Beſitze un-
“ſerer Kirchen beſtaͤtiget und von zweenen
“ihrer Vorfahrer gegen alle Gewalt heilig
“geſchuͤtzet worden. Dieſe Rechte wollen
“eure Majeſtaͤt uns itzo gewaltthaͤtiger Weiſe
“entziehen: mit welchem Unrechte aber; ha-
“be ich nicht noͤthig erſt zu ſagen. Gegen
“das andere Stuͤck eurer Majeſtaͤt Befehls,

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* iſt der Name Hiob.
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[151/0235] 7. Muhaͤmmed der II Sultan berichtet, daß ein gewiſſer muhaͤmmediſcher Feldherr, Ebu Ejjub * En- ſari, Kurons fuͤr einen Ausſpruch hierinnen be- kannt machen werde, dabey wolle er es be- wenden laſſen. Wenn ihm aber die Gerech- tigkeit verweigert werden ſollte: ſo wolle er die Seelen und Suͤnden ſeiner und ſeines gan- zen Volkes in einer andern Welt und vor ei- nem andern Gerichte ſuchen. Der Kaimmaͤ- kam ſchicket die Antwort des Patriarchen an den Weßir, und zwar in einem Briefe einge- ſchloſſen, wie ihm anbefohlen war, und da- bey eine demuͤthige Bittſchrift der Chriſten. Als dieſes uͤberreichet und verleſen iſt: ſo ge- het der Muͤfti mit dem Weßire zu dem Kaiſer, und berichtet demſelben, daß der Patriarch zu Conſtantinopel ſich weigere, deſſen Befehle Gehorſam zu leiſten, und zur Urſache ſeines Ungehorſams anfuͤhre, es muͤßte erſt ein ge- richtliches Verhoͤr zwiſchen ihm und dem Kai- ſer daruͤber angeſtellet werden. Da nun aber, ſetzte der Muͤfti hinzu, auf den Aus- ſpruch Emriſcheriins: der Wille der Gerech- tigkeit muͤſſe geſchehen; auch fließende Waſſer ſtille ſtehen muͤſſen: ſo halte ich es nicht mehr als fuͤr billig, daß eure Majeſtaͤt ſeine Klagen anhoͤren und dieſelben beantworten zu laſſen geruhen. Weil nun der Kaiſer wohl weis, daß er nicht mit der Gewalt durchdringen und der Meinung des Muͤfti entgegen handeln kann: ſo ſaget er darauf; Es mag dann ſo ſeyn: und giebt Befehl, daß der Patriarch, die Me- tropoliten und einige andere von den Vorſte- hern der Geiſtlichkeit, zu Adrianopel vor ihn kommen ſollten. Als ſie daſelbſt in dem Di- wan erſcheinen: ſo beſchweren ſie ſich, daß des Kaiſers Befehl nicht allein gegen ſie ſelbſt hoͤchſt unbillig ſey, ſondern auch dadurch der Vergleich, den die Vorfahrer deſſelben mit ihnen eingegangen und mit einem Eide bekraͤftiget haͤtten, erſchrecklich verletzet und mit Fuͤßen getreten werde. Des Kaiſers Defterdar Efendi (denn dieſer vertheidiget allezeit die Sache des Sultans) fraget ſie: was dieſes fuͤr ein Vergleich ſey, davon ſie redeten? Hierauf giebt der Patriarch fol- gende Antwort. “Eure Majeſtaͤt laſſe ſich “benachrichtigen, daß unſere Vorfahrer die “eine Haͤlfte der Stadt Conſtantinopel an “Muhaͤmmed Fatih auf folgende Bedingun- “gen uͤbergeben haben: erſtlich, daß die Kir- “chen der Chriſten nicht in Dſchami ver- “wandelt werden ſollten; zum andern, daß “die Ehen, Leichenbegaͤngniſſe und andere “Gebraͤuche des chriſtlichen Gottesdienſtes, “oͤffentlich und mit den gewoͤhnlichen Feier- “lichkeiten, ohne einige Hinderniß oder Be- “eintraͤchtigung, verrichtet werden ſollten; “zum dritten, daß das Oſterfeſt in voͤlliger “Freyheit gefeiert, und zu dem Ende das “Thor Phenar drey Tage lang fuͤr die Chri- “ſten offen gelaſſen werden ſollte, damit “dieſelben von den Vorſtaͤdten herein kom- “men und den naͤchtlichen Gottesdienſt in “der Patriarchalkirche mit abwarten koͤnn- “ten. Unter dieſen Bedingungen (ſage “ich) haben wir die Stadt eurer Majeſtaͤt “Großvater uͤbergeben, durch Ueberreichung “der Schluͤſſel in guͤldenen Schalen, und “ſind durch das gegebene Wort deſſelben bis “auf den heutigen Tag in dem Beſitze un- “ſerer Kirchen beſtaͤtiget und von zweenen “ihrer Vorfahrer gegen alle Gewalt heilig “geſchuͤtzet worden. Dieſe Rechte wollen “eure Majeſtaͤt uns itzo gewaltthaͤtiger Weiſe “entziehen: mit welchem Unrechte aber; ha- “be ich nicht noͤthig erſt zu ſagen. Gegen “das andere Stuͤck eurer Majeſtaͤt Befehls, “das * iſt der Name Hiob.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/235>, abgerufen am 23.11.2024.