Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte noch die Mauren erreichen: so befiehlet Muhämmed, weil er ihnen noch etwaszu sagen hat, daß man sie zurückrufen solle. Die Abgeschickten setzen also den Gesandten (die bereits ein gutes Stück voraus waren) mit der größten Eile nach. Die Eilfertigkeit dieser türkischen Bande erregte den Schildwachen auf den Wällen den Verdacht, daß Muhämmed arglistiger Weise vorhätte, mit den Gesandten in die Stadt zu dringen. Sie geben daher Feuer auf die Tür- ken, die sich dessen nicht versahen, um zu verhindern, daß sie nicht näher kom- men sollten. Als die Türken unerwarteter Weise sehen, daß ihre Gesellen schwer verwundet sind: so blasen sie zum Abzuge, kehren zu dem Sultane zu- rück, und berichten, was ihnen begegnet sey. Muhämmed bildet sich ein, die Griechen hätten sich ihres Vergleichs reuen lassen, und seine Leute verrätherischer Weise verwundet. Er wird daher voll Grimmes, und giebt seinen Soldaten Befehl, sich bereit zu machen, und den meineidigen Feind durch ihre Tapferkeit vollends aufzureiben. Als auf der andern Seite dem griechischen Kaiser von der Schildwache angezeiget wurde, das türkische Heer versuche die Stadt mit List einzunehmen, und nähere sich schon den Mauren: so befahl derselbe seinen Leuten, die Waffen zu ergreifen, und in dieser höchsten Noth ihr äußerstes zu thun. Die Griechen fassen in der gegenwärtigen Gefahr frischen Muth; und weil sie sehen, daß die Verzweifelung ihre einzige Zuflucht ist: so entschließen sie sich, ihre Stadt tapfer zu vertheidigen. Hierauf erfolget ein hartnäckiges und blutiges Gefechte, weil ein Theil für seine Religion, Freyheit und Leben, und der andere für den Sieg und sein Reich kämpfet. Indem aber die Grie- chen auf der Landseite muthig fechten: so werden die andern, die die Stadt auf der Seite des Hafens vertheidigten, durch das Geschoß des Feindes von den Mauren herunter getrieben, und geben dadurch den türkischen Truppen Gele- genheit, in die Stadt zu dringen. kommt um dasLeben. 6. In diesem Sturme kam der Kaiser selbst um das Leben, nachdem er 12 Sandschaktar Jokuschi] Das ist, eine Höhe oder ein Hügel mit Fahnen auf dem- selben. Es ist ein hoher Berg, auf dessen Spitze, nicht weit von der Domkirche, ein Tempel zu Ehren der Jungfrau Maria ge- bauet ist. Dieses ist die einzige alte Kirche, [Spaltenumbruch] die die Türken den Christen gelassen haben. 13 Akseraj] der weiße Palast. So nen- nen die Türken die Straße, die nach dem Meere von Marmora zu gehet, in der itzo schöne Zimmer der Jeng-itscheri, von den schen
Osmaniſche Geſchichte noch die Mauren erreichen: ſo befiehlet Muhaͤmmed, weil er ihnen noch etwaszu ſagen hat, daß man ſie zuruͤckrufen ſolle. Die Abgeſchickten ſetzen alſo den Geſandten (die bereits ein gutes Stuͤck voraus waren) mit der groͤßten Eile nach. Die Eilfertigkeit dieſer tuͤrkiſchen Bande erregte den Schildwachen auf den Waͤllen den Verdacht, daß Muhaͤmmed argliſtiger Weiſe vorhaͤtte, mit den Geſandten in die Stadt zu dringen. Sie geben daher Feuer auf die Tuͤr- ken, die ſich deſſen nicht verſahen, um zu verhindern, daß ſie nicht naͤher kom- men ſollten. Als die Tuͤrken unerwarteter Weiſe ſehen, daß ihre Geſellen ſchwer verwundet ſind: ſo blaſen ſie zum Abzuge, kehren zu dem Sultane zu- ruͤck, und berichten, was ihnen begegnet ſey. Muhaͤmmed bildet ſich ein, die Griechen haͤtten ſich ihres Vergleichs reuen laſſen, und ſeine Leute verraͤtheriſcher Weiſe verwundet. Er wird daher voll Grimmes, und giebt ſeinen Soldaten Befehl, ſich bereit zu machen, und den meineidigen Feind durch ihre Tapferkeit vollends aufzureiben. Als auf der andern Seite dem griechiſchen Kaiſer von der Schildwache angezeiget wurde, das tuͤrkiſche Heer verſuche die Stadt mit Liſt einzunehmen, und naͤhere ſich ſchon den Mauren: ſo befahl derſelbe ſeinen Leuten, die Waffen zu ergreifen, und in dieſer hoͤchſten Noth ihr aͤußerſtes zu thun. Die Griechen faſſen in der gegenwaͤrtigen Gefahr friſchen Muth; und weil ſie ſehen, daß die Verzweifelung ihre einzige Zuflucht iſt: ſo entſchließen ſie ſich, ihre Stadt tapfer zu vertheidigen. Hierauf erfolget ein hartnaͤckiges und blutiges Gefechte, weil ein Theil fuͤr ſeine Religion, Freyheit und Leben, und der andere fuͤr den Sieg und ſein Reich kaͤmpfet. Indem aber die Grie- chen auf der Landſeite muthig fechten: ſo werden die andern, die die Stadt auf der Seite des Hafens vertheidigten, durch das Geſchoß des Feindes von den Mauren herunter getrieben, und geben dadurch den tuͤrkiſchen Truppen Gele- genheit, in die Stadt zu dringen. kommt um dasLeben. 6. In dieſem Sturme kam der Kaiſer ſelbſt um das Leben, nachdem er 12 Sandſchaktar Jokuſchi] Das iſt, eine Hoͤhe oder ein Huͤgel mit Fahnen auf dem- ſelben. Es iſt ein hoher Berg, auf deſſen Spitze, nicht weit von der Domkirche, ein Tempel zu Ehren der Jungfrau Maria ge- bauet iſt. Dieſes iſt die einzige alte Kirche, [Spaltenumbruch] die die Tuͤrken den Chriſten gelaſſen haben. 13 Akſeraj] der weiße Palaſt. So nen- nen die Tuͤrken die Straße, die nach dem Meere von Marmora zu gehet, in der itzo ſchoͤne Zimmer der Jeng-itſcheri, von den ſchen
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Osmaniſche Geſchichte
noch die Mauren erreichen: ſo befiehlet Muhaͤmmed, weil er ihnen noch etwas
zu ſagen hat, daß man ſie zuruͤckrufen ſolle. Die Abgeſchickten ſetzen alſo den
Geſandten (die bereits ein gutes Stuͤck voraus waren) mit der groͤßten Eile
nach. Die Eilfertigkeit dieſer tuͤrkiſchen Bande erregte den Schildwachen auf
den Waͤllen den Verdacht, daß Muhaͤmmed argliſtiger Weiſe vorhaͤtte, mit
den Geſandten in die Stadt zu dringen. Sie geben daher Feuer auf die Tuͤr-
ken, die ſich deſſen nicht verſahen, um zu verhindern, daß ſie nicht naͤher kom-
men ſollten. Als die Tuͤrken unerwarteter Weiſe ſehen, daß ihre Geſellen
ſchwer verwundet ſind: ſo blaſen ſie zum Abzuge, kehren zu dem Sultane zu-
ruͤck, und berichten, was ihnen begegnet ſey. Muhaͤmmed bildet ſich ein, die
Griechen haͤtten ſich ihres Vergleichs reuen laſſen, und ſeine Leute verraͤtheriſcher
Weiſe verwundet. Er wird daher voll Grimmes, und giebt ſeinen Soldaten
Befehl, ſich bereit zu machen, und den meineidigen Feind durch ihre Tapferkeit
vollends aufzureiben. Als auf der andern Seite dem griechiſchen Kaiſer von
der Schildwache angezeiget wurde, das tuͤrkiſche Heer verſuche die Stadt mit
Liſt einzunehmen, und naͤhere ſich ſchon den Mauren: ſo befahl derſelbe ſeinen
Leuten, die Waffen zu ergreifen, und in dieſer hoͤchſten Noth ihr aͤußerſtes zu
thun. Die Griechen faſſen in der gegenwaͤrtigen Gefahr friſchen Muth; und
weil ſie ſehen, daß die Verzweifelung ihre einzige Zuflucht iſt: ſo entſchließen
ſie ſich, ihre Stadt tapfer zu vertheidigen. Hierauf erfolget ein hartnaͤckiges
und blutiges Gefechte, weil ein Theil fuͤr ſeine Religion, Freyheit und Leben,
und der andere fuͤr den Sieg und ſein Reich kaͤmpfet. Indem aber die Grie-
chen auf der Landſeite muthig fechten: ſo werden die andern, die die Stadt auf
der Seite des Hafens vertheidigten, durch das Geſchoß des Feindes von den
Mauren herunter getrieben, und geben dadurch den tuͤrkiſchen Truppen Gele-
genheit, in die Stadt zu dringen.
6. In dieſem Sturme kam der Kaiſer ſelbſt um das Leben, nachdem er
die groͤßte Tapferkeit, bald wie ein Feldherr, bald wie ein gemeiner Soldat,
bewieſen und ſeine Leute in der hoͤchſten Gefahr allezeit durch ſeine Gegenwart
aufgemuntert hatte. Durch dieſen Fall wurde der ganze Ruhm des griechi-
ſchen
¹² Sandſchaktar Jokuſchi] Das iſt,
eine Hoͤhe oder ein Huͤgel mit Fahnen auf dem-
ſelben. Es iſt ein hoher Berg, auf deſſen
Spitze, nicht weit von der Domkirche, ein
Tempel zu Ehren der Jungfrau Maria ge-
bauet iſt. Dieſes iſt die einzige alte Kirche,
die die Tuͤrken den Chriſten gelaſſen haben.
¹³ Akſeraj] der weiße Palaſt. So nen-
nen die Tuͤrken die Straße, die nach dem
Meere von Marmora zu gehet, in der itzo
ſchoͤne Zimmer der Jeng-itſcheri, von den
Tuͤrken
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