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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Zwischenreich
"geschwächet worden, und könnte nicht ertragen, daß zwey Häupter 6 über
"dasselbe herrscheten. Das ganze Heer sähe Musas zaghaftes Wesen, und
"wäre gesinnet, das Reich ihm allein zu übergeben. Wenn er daher eilends
"mit seinen Truppen in Europa kommen wollte: so versprächen sie demselben,
"ihm nicht nur das ganze Heer, sondern auch den Thron seines Vaters, zu-
"zuwenden."

und treibet ihn
in Servien hin-
ein.
7.

Als Muhämmed diesen Brief empfing: so machte er unverzüglich An-
stalt, nach Rumili hinüber zu gehen. Auf der andern Seite ließ Musa, den
sein letzteres Kriegesglück beherzt gemacht hatte, in aller Eile sein Heer zusam-
men kommen, um noch vor seines Bruders Ankunft sich der Meerenge von
Kallipolis zu versichern. Weil er aber wahrnahm, daß seine Feldherren nur
zum Scheine fochten, und daß nichts geschahe, wie er es haben wollte; auch
noch über dieses die Verrätherey seiner Leute deutlich merkte; so machte er sich
in dem stärksten Gefechte heimlich aus dem Felde weg, und entflohe nach Laß-
wilajeti*. Die verstrichene Jahreszeit hinderte Muhämmed, etwas weiteres
zu unternehmen und sein Reich zu befestigen: daher kehrete er mit seinem Heere
nach Prusa in das Winterlager zurück.

[Spaltenumbruch]
geben uns eine fabelhafte Nachricht von die-
sem Namen, die man in der Vorrede nachse-
hen kann. Es scheinet kein türkischer Name,
sondern von dem lateinischen Honorius ver-
derbet zu seyn, das bekannter maßen der Na-
me eines griechischen Kaisers gewesen ist.
Wenn dieses könnte bewiesen werden: so
müßten wir glauben, Ornus wäre entweder
einmal selbst ein Christ, oder von christlichen
Aeltern geboren gewesen, die ihre Religion
abgeschworen und den türkischen Aberglauben
angenommen hätten. Dem sey aber wie ihm
[Spaltenumbruch]
wolle: so sind doch die türkischen Jahrbücher
voll von den Heldenthaten desselben.
6 zwey Häupter] Sie hatten keine
rechtmäßige Ursache, von Musa Tschelebi ab-
trünnig zu werden, als der ein gerechter und
gnädiger Fürst war. Sie brauchten daher
den Vorwand, als wenn sie um die Wohl-
fahrt des osmanischen Reiches besonders be-
kümmert wären, und den Untergang dessel-
ben, als ehrliche und getreue Räthe, auf diese
Art abwenden müßten, daß sie den würdig-

8. Musa
sich entweder durch O oder durch Ew ausdrücken lässet. Folglich, wenn man nach dem r ein e ein-
rücket: so wird aus Ornus Ewrenus.] Man wird dieses noch nicht verstehen, wenn einem nicht be-
kannt ist, daß die Türken (wie auch die Araber und Perser) ordentlicher Weise keine Selbstlaute (a,
e, i, o, u), sondern nur bloß die Mitlaute schreiben: daher dann in der Aussprache solche Verände-
rungen entstehen.
* das ist, Servien.

Zwiſchenreich
“geſchwaͤchet worden, und koͤnnte nicht ertragen, daß zwey Haͤupter 6 uͤber
“daſſelbe herrſcheten. Das ganze Heer ſaͤhe Muſas zaghaftes Weſen, und
“waͤre geſinnet, das Reich ihm allein zu uͤbergeben. Wenn er daher eilends
“mit ſeinen Truppen in Europa kommen wollte: ſo verſpraͤchen ſie demſelben,
“ihm nicht nur das ganze Heer, ſondern auch den Thron ſeines Vaters, zu-
“zuwenden.„

und treibet ihn
in Servien hin-
ein.
7.

Als Muhaͤmmed dieſen Brief empfing: ſo machte er unverzuͤglich An-
ſtalt, nach Rumili hinuͤber zu gehen. Auf der andern Seite ließ Muſa, den
ſein letzteres Kriegesgluͤck beherzt gemacht hatte, in aller Eile ſein Heer zuſam-
men kommen, um noch vor ſeines Bruders Ankunft ſich der Meerenge von
Kallipolis zu verſichern. Weil er aber wahrnahm, daß ſeine Feldherren nur
zum Scheine fochten, und daß nichts geſchahe, wie er es haben wollte; auch
noch uͤber dieſes die Verraͤtherey ſeiner Leute deutlich merkte; ſo machte er ſich
in dem ſtaͤrkſten Gefechte heimlich aus dem Felde weg, und entflohe nach Laß-
wilajeti*. Die verſtrichene Jahreszeit hinderte Muhaͤmmed, etwas weiteres
zu unternehmen und ſein Reich zu befeſtigen: daher kehrete er mit ſeinem Heere
nach Pruſa in das Winterlager zuruͤck.

[Spaltenumbruch]
geben uns eine fabelhafte Nachricht von die-
ſem Namen, die man in der Vorrede nachſe-
hen kann. Es ſcheinet kein tuͤrkiſcher Name,
ſondern von dem lateiniſchen Honorius ver-
derbet zu ſeyn, das bekannter maßen der Na-
me eines griechiſchen Kaiſers geweſen iſt.
Wenn dieſes koͤnnte bewieſen werden: ſo
muͤßten wir glauben, Ornus waͤre entweder
einmal ſelbſt ein Chriſt, oder von chriſtlichen
Aeltern geboren geweſen, die ihre Religion
abgeſchworen und den tuͤrkiſchen Aberglauben
angenommen haͤtten. Dem ſey aber wie ihm
[Spaltenumbruch]
wolle: ſo ſind doch die tuͤrkiſchen Jahrbuͤcher
voll von den Heldenthaten deſſelben.
6 zwey Haͤupter] Sie hatten keine
rechtmaͤßige Urſache, von Muſa Tſchelebi ab-
truͤnnig zu werden, als der ein gerechter und
gnaͤdiger Fuͤrſt war. Sie brauchten daher
den Vorwand, als wenn ſie um die Wohl-
fahrt des osmaniſchen Reiches beſonders be-
kuͤmmert waͤren, und den Untergang deſſel-
ben, als ehrliche und getreue Raͤthe, auf dieſe
Art abwenden muͤßten, daß ſie den wuͤrdig-

8. Muſa
ſich entweder durch O oder durch Ew ausdruͤcken laͤſſet. Folglich, wenn man nach dem r ein e ein-
ruͤcket: ſo wird aus Ornus Ewrenus.] Man wird dieſes noch nicht verſtehen, wenn einem nicht be-
kannt iſt, daß die Tuͤrken (wie auch die Araber und Perſer) ordentlicher Weiſe keine Selbſtlaute (a,
e, i, o, u), ſondern nur bloß die Mitlaute ſchreiben: daher dann in der Ausſprache ſolche Veraͤnde-
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* das iſt, Servien.
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[94/0172] Zwiſchenreich “geſchwaͤchet worden, und koͤnnte nicht ertragen, daß zwey Haͤupter ⁶ uͤber “daſſelbe herrſcheten. Das ganze Heer ſaͤhe Muſas zaghaftes Weſen, und “waͤre geſinnet, das Reich ihm allein zu uͤbergeben. Wenn er daher eilends “mit ſeinen Truppen in Europa kommen wollte: ſo verſpraͤchen ſie demſelben, “ihm nicht nur das ganze Heer, ſondern auch den Thron ſeines Vaters, zu- “zuwenden.„ 7. Als Muhaͤmmed dieſen Brief empfing: ſo machte er unverzuͤglich An- ſtalt, nach Rumili hinuͤber zu gehen. Auf der andern Seite ließ Muſa, den ſein letzteres Kriegesgluͤck beherzt gemacht hatte, in aller Eile ſein Heer zuſam- men kommen, um noch vor ſeines Bruders Ankunft ſich der Meerenge von Kallipolis zu verſichern. Weil er aber wahrnahm, daß ſeine Feldherren nur zum Scheine fochten, und daß nichts geſchahe, wie er es haben wollte; auch noch uͤber dieſes die Verraͤtherey ſeiner Leute deutlich merkte; ſo machte er ſich in dem ſtaͤrkſten Gefechte heimlich aus dem Felde weg, und entflohe nach Laß- wilajeti *. Die verſtrichene Jahreszeit hinderte Muhaͤmmed, etwas weiteres zu unternehmen und ſein Reich zu befeſtigen: daher kehrete er mit ſeinem Heere nach Pruſa in das Winterlager zuruͤck. 8. Muſa geben uns eine fabelhafte Nachricht von die- ſem Namen, die man in der Vorrede nachſe- hen kann. Es ſcheinet kein tuͤrkiſcher Name, ſondern von dem lateiniſchen Honorius ver- derbet zu ſeyn, das bekannter maßen der Na- me eines griechiſchen Kaiſers geweſen iſt. Wenn dieſes koͤnnte bewieſen werden: ſo muͤßten wir glauben, Ornus waͤre entweder einmal ſelbſt ein Chriſt, oder von chriſtlichen Aeltern geboren geweſen, die ihre Religion abgeſchworen und den tuͤrkiſchen Aberglauben angenommen haͤtten. Dem ſey aber wie ihm wolle: ſo ſind doch die tuͤrkiſchen Jahrbuͤcher voll von den Heldenthaten deſſelben. ⁶ zwey Haͤupter] Sie hatten keine rechtmaͤßige Urſache, von Muſa Tſchelebi ab- truͤnnig zu werden, als der ein gerechter und gnaͤdiger Fuͤrſt war. Sie brauchten daher den Vorwand, als wenn ſie um die Wohl- fahrt des osmaniſchen Reiches beſonders be- kuͤmmert waͤren, und den Untergang deſſel- ben, als ehrliche und getreue Raͤthe, auf dieſe Art abwenden muͤßten, daß ſie den wuͤrdig- ſten * * das iſt, Servien. * ſich entweder durch O oder durch Ew ausdruͤcken laͤſſet. Folglich, wenn man nach dem r ein e ein- ruͤcket: ſo wird aus Ornus Ewrenus.] Man wird dieſes noch nicht verſtehen, wenn einem nicht be- kannt iſt, daß die Tuͤrken (wie auch die Araber und Perſer) ordentlicher Weiſe keine Selbſtlaute (a, e, i, o, u), ſondern nur bloß die Mitlaute ſchreiben: daher dann in der Ausſprache ſolche Veraͤnde- rungen entſtehen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/172>, abgerufen am 23.11.2024.