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[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.

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Betritt nach dessen Tod allein die höchste Stuffen
Des unzerrißnen Reichs/ das nach ihm keiner thut;
Den Söhnen theilet er ihr Erb- und Vater-Gut.
Constantinopel muß Arcadius behalten/
Honorius das Reich im Niedergang verwalten.
Hier endet abermahl der Zeiten schneller Lauf
400Das vierte hundert Jahr. Auf einmahl wachet
auf

Die gantze Barbarey/ ein Heer von Gothen/
Wenden/

Und Hunnen/ überschwemmt die Welt an allen En-
den/

Die nie bezwungne Stadt bezwinget Alarich/
Den Valentinian beschirmet ritterlich
Aetius/ und hemmt des Attila Beginnen/
Die Käyser nach der Zeit die können nichts gewin[-]
nen.

Es wächset hier und dar manch neues Reich her[-]
vor/

Durch Gensrichs Grausamkeit kommt Rom um
seinen Flor/

Der letzte Käyser wird Augustulus geheissen/
Ein Kind/ daß die Gewalt ihm läßt aus Händen reissen[.]
Von der Freyheit.
ICh sehe meinen Leib als ein Gewand verschleissen/
Was aber in mir wohnt/ und Seele wird geheissen/
Empfindet einen Trieb/ der nach der Freyheit strebt;
Doch eh' ich sie erlangt/ hab' ich fast ausgelebt.
Ich habe solchen Wunsch vielleicht bey mir gespühret/
So bald mein erstes Blut und Othem sich gerühret/
Wer weiß wie oft ich schon/ ich unvollkommne Frucht/
Den Fortgang zur Geburth mit Ungestüm gesucht?
Ob nicht mein freyer Geist/ sich mit den bittern Zähren/
Hernachmahls für den Zwang der Windeln wollen weh[-]
ren/

Und
Betritt nach deſſen Tod allein die hoͤchſte Stuffen
Des unzerrißnen Reichs/ das nach ihm keiner thut;
Den Soͤhnen theilet er ihr Erb- und Vater-Gut.
Conſtantinopel muß Arcadius behalten/
Honorius das Reich im Niedergang verwalten.
Hier endet abermahl der Zeiten ſchneller Lauf
400Das vierte hundert Jahr. Auf einmahl wachet
auf

Die gantze Barbarey/ ein Heer von Gothen/
Wenden/

Und Hunnen/ uͤberſchwemmt die Welt an allen En-
den/

Die nie bezwungne Stadt bezwinget Alarich/
Den Valentinian beſchirmet ritterlich
Aetius/ und hemmt des Attila Beginnen/
Die Kaͤyſer nach der Zeit die koͤnnen nichts gewin[-]
nen.

Es waͤchſet hier und dar manch neues Reich her[-]
vor/

Durch Gensrichs Grauſamkeit kommt Rom um
ſeinen Flor/

Der letzte Kaͤyſer wird Auguſtulus geheiſſen/
Ein Kind/ daß die Gewalt ihm laͤßt aus Haͤndẽ reiſſẽ[.]
Von der Freyheit.
ICh ſehe meinen Leib als ein Gewand verſchleiſſen/
Was aber in mir wohnt/ und Seele wird geheiſſen/
Empfindet einen Trieb/ der nach der Freyheit ſtrebt;
Doch eh’ ich ſie erlangt/ hab’ ich faſt ausgelebt.
Ich habe ſolchen Wunſch vielleicht bey mir geſpuͤhret/
So bald mein erſtes Blut und Othem ſich geruͤhret/
Wer weiß wie oft ich ſchon/ ich unvollkommne Frucht/
Den Fortgang zur Geburth mit Ungeſtuͤm geſucht?
Ob nicht mein freyer Geiſt/ ſich mit den bittern Zaͤhren/
Hernachmahls fuͤr den Zwang der Windeln wollen weh[-]
ren/

Und
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[70/0083] Betritt nach deſſen Tod allein die hoͤchſte Stuffen Des unzerrißnen Reichs/ das nach ihm keiner thut; Den Soͤhnen theilet er ihr Erb- und Vater-Gut. Conſtantinopel muß Arcadius behalten/ Honorius das Reich im Niedergang verwalten. Hier endet abermahl der Zeiten ſchneller Lauf Das vierte hundert Jahr. Auf einmahl wachet auf Die gantze Barbarey/ ein Heer von Gothen/ Wenden/ Und Hunnen/ uͤberſchwemmt die Welt an allen En- den/ Die nie bezwungne Stadt bezwinget Alarich/ Den Valentinian beſchirmet ritterlich Aetius/ und hemmt des Attila Beginnen/ Die Kaͤyſer nach der Zeit die koͤnnen nichts gewin- nen. Es waͤchſet hier und dar manch neues Reich her- vor/ Durch Gensrichs Grauſamkeit kommt Rom um ſeinen Flor/ Der letzte Kaͤyſer wird Auguſtulus geheiſſen/ Ein Kind/ daß die Gewalt ihm laͤßt aus Haͤndẽ reiſſẽ. Von der Freyheit. ICh ſehe meinen Leib als ein Gewand verſchleiſſen/ Was aber in mir wohnt/ und Seele wird geheiſſen/ Empfindet einen Trieb/ der nach der Freyheit ſtrebt; Doch eh’ ich ſie erlangt/ hab’ ich faſt ausgelebt. Ich habe ſolchen Wunſch vielleicht bey mir geſpuͤhret/ So bald mein erſtes Blut und Othem ſich geruͤhret/ Wer weiß wie oft ich ſchon/ ich unvollkommne Frucht/ Den Fortgang zur Geburth mit Ungeſtuͤm geſucht? Ob nicht mein freyer Geiſt/ ſich mit den bittern Zaͤhren/ Hernachmahls fuͤr den Zwang der Windeln wollen weh- ren/ Und

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Zitationshilfe: [Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/83>, abgerufen am 07.05.2024.