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[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.

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Es wird nach der Vernunfft kein Einfall ausgedrücket;
Der Bogen ist gefüllt/ eh man an sie gedacht;
Was groß ist/ das wird klein/ was klein ist/ groß gemacht;
Da doch ein jeder weiß/ daß in den Schildereyen
Allein die Aehnlichkeit das Auge kan erfreuen/
Und eines Zwerges Bild die Artigkeit verliert/
Wenn er wird in Gestalt des Riesen aufgeführt.
Wir lesen ja mit Lust Aeneas Abentheur/
Warum? stößt ihm zur Hand ein grimmig Ungeheur/
So hat es sein Virgil so glücklich vorgestellt/
Daß uns/ ich weiß nicht wie/ ein Schröcken überfällt.
Und hör' ich Dido dort von Lieb und Undanck sprechen/
So möcht ich ihren Hohn an den Trojanern rächen;
So künstlich trifft itzund kein Tichter die Natur/
Sie ist ihm viel zu schlecht/ er sucht ihm neue Spuhr:
Geußt solche Thränen aus die Lachens-würdig scheinen/
Und wenn er lachen wil/ so möchten andre weinen.
Ein Teutscher ist gelehrt wenn er sein Teutsch versteht/
Kein Wort kömmt für den Tag das nicht auf Steltzen
geht.

Fällt das geringste vor in diesen Krieges-Zeiten/
So dünckt mich hör ich schon die Wetter-Klocke leuten/
Ein Flammen-schwangrer Dampff beschwärtzt das Lufft-
Revier/

Der Straal-beschwäntzte Blitz bricht überall herfür/
Der grause Donner brüllt/ und spielt mit Schwefel-
Keilen;

Der Leser wird betrübt/ beginnet fort zu eylen/
Biß er ins Truckne kommt/ weil doch ein Wolcken-Guß/
Auf solchen starcken Knall/ nothwendig folgen muß/
Und läßt den armen Tropff der Welt zur Straffe reimen/
Wie ein Beseßner pflegt in seiner Angst zu scheumen/
Geht wo ein Schul-Regent in einem Flecken ab/
Mein GOtt! wie rasen nicht die Tichter um sein Grab;
Der Tod wird ausgefiltzt/ daß er dem theuren Leben/
Nicht eine längre Frist/ als achtzig Jahr gegeben;
Die
E
Es wird nach der Vernunfft kein Einfall ausgedruͤcket;
Der Bogen iſt gefuͤllt/ eh man an ſie gedacht;
Was groß iſt/ das wird klein/ was klein iſt/ groß gemacht;
Da doch ein jeder weiß/ daß in den Schildereyen
Allein die Aehnlichkeit das Auge kan erfreuen/
Und eines Zwerges Bild die Artigkeit verliert/
Wenn er wird in Geſtalt des Rieſen aufgefuͤhrt.
Wir leſen ja mit Luſt Aeneas Abentheur/
Warum? ſtoͤßt ihm zur Hand ein grimmig Ungeheur/
So hat es ſein Virgil ſo gluͤcklich vorgeſtellt/
Daß uns/ ich weiß nicht wie/ ein Schroͤcken uͤberfaͤllt.
Und hoͤr’ ich Dido dort von Lieb und Undanck ſprechen/
So moͤcht ich ihren Hohn an den Trojanern raͤchen;
So kuͤnſtlich trifft itzund kein Tichter die Natur/
Sie iſt ihm viel zu ſchlecht/ er ſucht ihm neue Spuhr:
Geußt ſolche Thraͤnen aus die Lachens-wuͤrdig ſcheinen/
Und wenn er lachen wil/ ſo moͤchten andre weinen.
Ein Teutſcher iſt gelehrt wenn er ſein Teutſch verſteht/
Kein Wort koͤmmt fuͤr den Tag das nicht auf Steltzen
geht.

Faͤllt das geringſte vor in dieſen Krieges-Zeiten/
So duͤnckt mich hoͤr ich ſchon die Wetter-Klocke leuten/
Ein Flammen-ſchwangrer Dampff beſchwaͤrtzt das Lufft-
Revier/

Der Straal-beſchwaͤntzte Blitz bricht uͤberall herfuͤr/
Der grauſe Donner bruͤllt/ und ſpielt mit Schwefel-
Keilen;

Der Leſer wird betruͤbt/ beginnet fort zu eylen/
Biß er ins Truckne kom̃t/ weil doch ein Wolcken-Guß/
Auf ſolchen ſtarcken Knall/ nothwendig folgen muß/
Und laͤßt den armen Tropff der Welt zur Straffe reimen/
Wie ein Beſeßner pflegt in ſeiner Angſt zu ſcheumen/
Geht wo ein Schul-Regent in einem Flecken ab/
Mein GOtt! wie raſen nicht die Tichter um ſein Grab;
Der Tod wird ausgefiltzt/ daß er dem theuren Leben/
Nicht eine laͤngre Friſt/ als achtzig Jahr gegeben;
Die
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[65/0078] Es wird nach der Vernunfft kein Einfall ausgedruͤcket; Der Bogen iſt gefuͤllt/ eh man an ſie gedacht; Was groß iſt/ das wird klein/ was klein iſt/ groß gemacht; Da doch ein jeder weiß/ daß in den Schildereyen Allein die Aehnlichkeit das Auge kan erfreuen/ Und eines Zwerges Bild die Artigkeit verliert/ Wenn er wird in Geſtalt des Rieſen aufgefuͤhrt. Wir leſen ja mit Luſt Aeneas Abentheur/ Warum? ſtoͤßt ihm zur Hand ein grimmig Ungeheur/ So hat es ſein Virgil ſo gluͤcklich vorgeſtellt/ Daß uns/ ich weiß nicht wie/ ein Schroͤcken uͤberfaͤllt. Und hoͤr’ ich Dido dort von Lieb und Undanck ſprechen/ So moͤcht ich ihren Hohn an den Trojanern raͤchen; So kuͤnſtlich trifft itzund kein Tichter die Natur/ Sie iſt ihm viel zu ſchlecht/ er ſucht ihm neue Spuhr: Geußt ſolche Thraͤnen aus die Lachens-wuͤrdig ſcheinen/ Und wenn er lachen wil/ ſo moͤchten andre weinen. Ein Teutſcher iſt gelehrt wenn er ſein Teutſch verſteht/ Kein Wort koͤmmt fuͤr den Tag das nicht auf Steltzen geht. Faͤllt das geringſte vor in dieſen Krieges-Zeiten/ So duͤnckt mich hoͤr ich ſchon die Wetter-Klocke leuten/ Ein Flammen-ſchwangrer Dampff beſchwaͤrtzt das Lufft- Revier/ Der Straal-beſchwaͤntzte Blitz bricht uͤberall herfuͤr/ Der grauſe Donner bruͤllt/ und ſpielt mit Schwefel- Keilen; Der Leſer wird betruͤbt/ beginnet fort zu eylen/ Biß er ins Truckne kom̃t/ weil doch ein Wolcken-Guß/ Auf ſolchen ſtarcken Knall/ nothwendig folgen muß/ Und laͤßt den armen Tropff der Welt zur Straffe reimen/ Wie ein Beſeßner pflegt in ſeiner Angſt zu ſcheumen/ Geht wo ein Schul-Regent in einem Flecken ab/ Mein GOtt! wie raſen nicht die Tichter um ſein Grab; Der Tod wird ausgefiltzt/ daß er dem theuren Leben/ Nicht eine laͤngre Friſt/ als achtzig Jahr gegeben; Die E

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Zitationshilfe: [Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/78>, abgerufen am 21.11.2024.