Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.Drum in die Zeit hin bergglasglockentönig Sing' ich das Rolandslied des Christenthumes. Mir mochte freilich stets auch klarer werden Daß ihm nur Rauschgoldkronen ird'schen Ruhmes Sein Volk schuf, nicht ihn selbst, den Geisterkönig, Daß er im Wesentlichen war auf Erden Wie sonder viel Beschwerden Mir Vater sagte in der Kindheit Tagen: Mir mochte das Geschichtliche begründen Theilweise sich und ründen, Doch darnach durfte nicht mein Glaube fragen. Der Glaube hat ganz anderes Verlangen: Ihm gnügt daß er das Ew'ge hält umfangen. O daß doch nicht mit Weisheit manche Weisen, Nein, ganz wie aberkluge Kinder streiten Ob die Geschichte wahr sei! Gibt doch Wahrheit Allein der Geist dem Reich der Wirklichkeiten! O heller stralt aus tausend Fabelkreisen Sie als aus eures Daseins armer Baarheit! Mir sitzt in Himmelsklarheit Zur Rechten Gottes ewiglich der Mittler, Hoch über jenen grausen Finsternissen Worin sich wißbeflissen Abmühen ernste Forscher wie auch Krittler. Wie ruhig kann ich forschen, leben, sterben! Er lebt mir ja und läßt mich nicht verderben. Drum in die Zeit hin bergglasglockentönig Sing' ich das Rolandslied des Chriſtenthumes. Mir mochte freilich ſtets auch klarer werden Daß ihm nur Rauſchgoldkronen ird'ſchen Ruhmes Sein Volk ſchuf, nicht ihn ſelbſt, den Geiſterkönig, Daß er im Weſentlichen war auf Erden Wie ſonder viel Beſchwerden Mir Vater ſagte in der Kindheit Tagen: Mir mochte das Geſchichtliche begründen Theilweiſe ſich und ründen, Doch darnach durfte nicht mein Glaube fragen. Der Glaube hat ganz anderes Verlangen: Ihm gnügt daß er das Ew'ge hält umfangen. O daß doch nicht mit Weisheit manche Weiſen, Nein, ganz wie aberkluge Kinder ſtreiten Ob die Geſchichte wahr ſei! Gibt doch Wahrheit Allein der Geiſt dem Reich der Wirklichkeiten! O heller ſtralt aus tauſend Fabelkreiſen Sie als aus eures Daſeins armer Baarheit! Mir ſitzt in Himmelsklarheit Zur Rechten Gottes ewiglich der Mittler, Hoch über jenen grauſen Finſterniſſen Worin ſich wißbefliſſen Abmühen ernſte Forſcher wie auch Krittler. Wie ruhig kann ich forſchen, leben, ſterben! Er lebt mir ja und läßt mich nicht verderben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0025" n="11"/> <lg n="8"> <l>Drum in die Zeit hin bergglasglockentönig</l><lb/> <l>Sing' ich das Rolandslied des Chriſtenthumes.</l><lb/> <l>Mir mochte freilich ſtets auch klarer werden</l><lb/> <l>Daß ihm nur Rauſchgoldkronen ird'ſchen Ruhmes</l><lb/> <l>Sein Volk ſchuf, nicht ihn ſelbſt, den Geiſterkönig,</l><lb/> <l>Daß er im Weſentlichen war auf Erden</l><lb/> <l>Wie ſonder viel Beſchwerden</l><lb/> <l>Mir Vater ſagte in der Kindheit Tagen:</l><lb/> <l>Mir mochte das Geſchichtliche begründen</l><lb/> <l>Theilweiſe ſich und ründen,</l><lb/> <l>Doch darnach durfte nicht mein Glaube fragen.</l><lb/> <l>Der Glaube hat ganz <hi rendition="#g">anderes</hi> Verlangen:</l><lb/> <l>Ihm gnügt daß er das Ew'ge hält umfangen.</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>O daß doch nicht mit Weisheit manche Weiſen,</l><lb/> <l>Nein, ganz wie aberkluge Kinder ſtreiten</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Ob die Geſchichte wahr ſei</hi>! Gibt doch Wahrheit</l><lb/> <l>Allein der Geiſt dem Reich der Wirklichkeiten!</l><lb/> <l>O heller ſtralt aus tauſend Fabelkreiſen</l><lb/> <l>Sie als aus eures Daſeins armer Baarheit!</l><lb/> <l>Mir ſitzt in Himmelsklarheit</l><lb/> <l>Zur Rechten Gottes ewiglich der Mittler,</l><lb/> <l>Hoch über jenen grauſen Finſterniſſen</l><lb/> <l>Worin ſich wißbefliſſen</l><lb/> <l>Abmühen ernſte Forſcher wie auch Krittler.</l><lb/> <l>Wie ruhig kann ich forſchen, leben, ſterben!</l><lb/> <l>Er lebt mir ja und läßt mich nicht verderben.</l><lb/> </lg> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [11/0025]
Drum in die Zeit hin bergglasglockentönig
Sing' ich das Rolandslied des Chriſtenthumes.
Mir mochte freilich ſtets auch klarer werden
Daß ihm nur Rauſchgoldkronen ird'ſchen Ruhmes
Sein Volk ſchuf, nicht ihn ſelbſt, den Geiſterkönig,
Daß er im Weſentlichen war auf Erden
Wie ſonder viel Beſchwerden
Mir Vater ſagte in der Kindheit Tagen:
Mir mochte das Geſchichtliche begründen
Theilweiſe ſich und ründen,
Doch darnach durfte nicht mein Glaube fragen.
Der Glaube hat ganz anderes Verlangen:
Ihm gnügt daß er das Ew'ge hält umfangen.
O daß doch nicht mit Weisheit manche Weiſen,
Nein, ganz wie aberkluge Kinder ſtreiten
Ob die Geſchichte wahr ſei! Gibt doch Wahrheit
Allein der Geiſt dem Reich der Wirklichkeiten!
O heller ſtralt aus tauſend Fabelkreiſen
Sie als aus eures Daſeins armer Baarheit!
Mir ſitzt in Himmelsklarheit
Zur Rechten Gottes ewiglich der Mittler,
Hoch über jenen grauſen Finſterniſſen
Worin ſich wißbefliſſen
Abmühen ernſte Forſcher wie auch Krittler.
Wie ruhig kann ich forſchen, leben, ſterben!
Er lebt mir ja und läßt mich nicht verderben.
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Zitationshilfe: | Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/25>, abgerufen am 05.07.2024. |