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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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die Eitelkeit zu empören, die jeder in seinem Her-
zen hat, und in uns die Dankbarkeit für erhaltne
Gunst zu schwächen, indem sie uns an den Be-
weggrund erinnert, der sie hervorbrachte, und an
das Bezeigen, mit dem sie begleitet war.)

(Diese Fehler weisen auf die ihnen entgegen-
gesezten Volkommenheiten, und dein eigner ge-
sunder Verstand wird dir sie natürlicher Weise
anzeigen.)


Wenn Gott dir Wiz gibt, mein Lieber, -- wel-
ches ich nicht sehr wünsche, wofern er dir nicht
ein gleiches Maaß von Urtheilskraft gibt, um
den Wiz in Ordnung zu halten -- so trage ihn wie
dein Schwert in der Scheide, und blize nicht
damit zum Schrekken der Geselschaft umher.
Wenn du wahren Wiz hast, so wird er willig
und von selbst fließen, und du wirst ihn nicht er-
zwingen dürfen. Denn hier ist die Regel des
Evangeliums umgekehrt wahr: suchet, und ihr
werdet nicht finden.

Wiz ist ein schimmerndes Talent, das jederman
bewundert: die meisten streben darnach, alle fürch-

ten

die Eitelkeit zu empoͤren, die jeder in ſeinem Her-
zen hat, und in uns die Dankbarkeit fuͤr erhaltne
Gunſt zu ſchwaͤchen, indem ſie uns an den Be-
weggrund erinnert, der ſie hervorbrachte, und an
das Bezeigen, mit dem ſie begleitet war.)

(Dieſe Fehler weiſen auf die ihnen entgegen-
geſezten Volkommenheiten, und dein eigner ge-
ſunder Verſtand wird dir ſie natuͤrlicher Weiſe
anzeigen.)


Wenn Gott dir Wiz gibt, mein Lieber, — wel-
ches ich nicht ſehr wuͤnſche, wofern er dir nicht
ein gleiches Maaß von Urtheilskraft gibt, um
den Wiz in Ordnung zu halten — ſo trage ihn wie
dein Schwert in der Scheide, und blize nicht
damit zum Schrekken der Geſelſchaft umher.
Wenn du wahren Wiz haſt, ſo wird er willig
und von ſelbſt fließen, und du wirſt ihn nicht er-
zwingen duͤrfen. Denn hier iſt die Regel des
Evangeliums umgekehrt wahr: ſuchet, und ihr
werdet nicht finden.

Wiz iſt ein ſchimmerndes Talent, das jederman
bewundert: die meiſten ſtreben darnach, alle fuͤrch-

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[70/0076] die Eitelkeit zu empoͤren, die jeder in ſeinem Her- zen hat, und in uns die Dankbarkeit fuͤr erhaltne Gunſt zu ſchwaͤchen, indem ſie uns an den Be- weggrund erinnert, der ſie hervorbrachte, und an das Bezeigen, mit dem ſie begleitet war.) (Dieſe Fehler weiſen auf die ihnen entgegen- geſezten Volkommenheiten, und dein eigner ge- ſunder Verſtand wird dir ſie natuͤrlicher Weiſe anzeigen.) Wenn Gott dir Wiz gibt, mein Lieber, — wel- ches ich nicht ſehr wuͤnſche, wofern er dir nicht ein gleiches Maaß von Urtheilskraft gibt, um den Wiz in Ordnung zu halten — ſo trage ihn wie dein Schwert in der Scheide, und blize nicht damit zum Schrekken der Geſelſchaft umher. Wenn du wahren Wiz haſt, ſo wird er willig und von ſelbſt fließen, und du wirſt ihn nicht er- zwingen duͤrfen. Denn hier iſt die Regel des Evangeliums umgekehrt wahr: ſuchet, und ihr werdet nicht finden. Wiz iſt ein ſchimmerndes Talent, das jederman bewundert: die meiſten ſtreben darnach, alle fuͤrch- ten

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/76>, abgerufen am 08.05.2024.