Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.Es gibt Grazien der Seele, so wie des Kör- (Man
Es gibt Grazien der Seele, ſo wie des Koͤr- (Man
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Es gibt Grazien der Seele, ſo wie des Koͤr-
pers; die erſtern geben dem Gedanken und dem
Ausdruk, die leztern den Bewegungen, Stel-
lungen und der ganzen Art ſich zu zeigen eine
gefaͤllige Geſtalt. Es hat ſie vielleicht nie ein
Menſch alle auf einmahl beſeſſen; ein ſolcher
wuͤrde zu gluͤklich ſein. Wenn du aber auf die
einnehmenden und gefaͤlligen Manieren, die dir
an andern am meiſten gefallen, ſorgfaͤltig merkſt,
ſo wirſt du leicht den Schluß machen, was an-
dern an dir gefallen koͤnne; du wirſt den groͤßten
Theil dieſer Goͤttinnen auf deine Seite bringen,
wirſt dich der Mehrheit der Stimmen verſichern,
und fuͤr einen liebenswuͤrdigen jungen Man er-
klaͤrt werden. Es gibt Leute, welche Moliere’s
Prezieuſe ſehr richtig, obgleich ſehr affektirt, die
Antipoden der Grazien nent; wenn die Natur
dieſe ungluͤklichen Leute mißfaͤllig, plump und
widrig gebildet hat, ſo muß man Mitleid mit
ihnen haben, und nicht ſie tadeln oder gar be-
lachen. Aber die Natur hat wirklich wenig
Menſchen ſo ſehr enterbt.
(Man
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