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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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(Man kan sich die verschiedentliche Wirkung
der nemlichen gethanen oder gesagten Dinge,
nachdem als sie mit oder ohne Grazien, oder
äusserliche Annehmlichkeiten sind, nicht genug vor-
stellen. Sie bahnen den Weg zum Herzen. Nun
hat aber das Herz so starken Einfluß auf den
Verstand, daß es gar wohl der Mühe werth ist,
es auf unsre Seite zu bringen. Die sämtliche
Frauenzimmerwelt wird fast durch nichts anders
geleitet; es hat auch bei Männern, und selbst den
geschiktesten, so viel zu sagen, daß es in jedem
Streite mit dem Verstande insgemein den Sieg
davon trägt. Herr von Rochefoucault sagt in
seinen Sittensprüchen, "der Verstand wird oft
"vom Herzen zum besten gehabt." Hätt' er
anstat oft, gesagt, fast allezeit; so wär' er der
Wahrheit näher gekommen.)

(Innerliches Verdienst allein wird es nicht
ausmachen. Es gewint dir zwar die algemeine
Hochachtung aller, nicht aber die besondre Nei-
gung, das ist, das Herz eines einzigen.)

(Um die Neigung einer besondern Person zu
gewinnen, mußt du, außer und nebst deinem

algemei-

(Man kan ſich die verſchiedentliche Wirkung
der nemlichen gethanen oder geſagten Dinge,
nachdem als ſie mit oder ohne Grazien, oder
aͤuſſerliche Annehmlichkeiten ſind, nicht genug vor-
ſtellen. Sie bahnen den Weg zum Herzen. Nun
hat aber das Herz ſo ſtarken Einfluß auf den
Verſtand, daß es gar wohl der Muͤhe werth iſt,
es auf unſre Seite zu bringen. Die ſaͤmtliche
Frauenzimmerwelt wird faſt durch nichts anders
geleitet; es hat auch bei Maͤnnern, und ſelbſt den
geſchikteſten, ſo viel zu ſagen, daß es in jedem
Streite mit dem Verſtande insgemein den Sieg
davon traͤgt. Herr von Rochefoucault ſagt in
ſeinen Sittenſpruͤchen, “der Verſtand wird oft
„vom Herzen zum beſten gehabt.„ Haͤtt’ er
anſtat oft, geſagt, faſt allezeit; ſo waͤr’ er der
Wahrheit naͤher gekommen.)

(Innerliches Verdienſt allein wird es nicht
ausmachen. Es gewint dir zwar die algemeine
Hochachtung aller, nicht aber die beſondre Nei-
gung, das iſt, das Herz eines einzigen.)

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[64/0070] (Man kan ſich die verſchiedentliche Wirkung der nemlichen gethanen oder geſagten Dinge, nachdem als ſie mit oder ohne Grazien, oder aͤuſſerliche Annehmlichkeiten ſind, nicht genug vor- ſtellen. Sie bahnen den Weg zum Herzen. Nun hat aber das Herz ſo ſtarken Einfluß auf den Verſtand, daß es gar wohl der Muͤhe werth iſt, es auf unſre Seite zu bringen. Die ſaͤmtliche Frauenzimmerwelt wird faſt durch nichts anders geleitet; es hat auch bei Maͤnnern, und ſelbſt den geſchikteſten, ſo viel zu ſagen, daß es in jedem Streite mit dem Verſtande insgemein den Sieg davon traͤgt. Herr von Rochefoucault ſagt in ſeinen Sittenſpruͤchen, “der Verſtand wird oft „vom Herzen zum beſten gehabt.„ Haͤtt’ er anſtat oft, geſagt, faſt allezeit; ſo waͤr’ er der Wahrheit naͤher gekommen.) (Innerliches Verdienſt allein wird es nicht ausmachen. Es gewint dir zwar die algemeine Hochachtung aller, nicht aber die beſondre Nei- gung, das iſt, das Herz eines einzigen.) (Um die Neigung einer beſondern Perſon zu gewinnen, mußt du, außer und nebſt deinem algemei-

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/70>, abgerufen am 30.11.2024.