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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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(Laß mich dir jezt die vorzüglichsten Regeln
bekant machen, nach denen du dein geselschaftli-
ches Betragen einrichten mußt, wenn du Beifal
und Wohlwollen zu erwerben wünschest.)

(Nim zuvörderst alle Munterkeit und Lustig-
keit, aber so wenig Unbesonnenheit der Jugend,
als du kanst, mit dir in die Geselschaften! Die
erstern werden bezaubern; die leztere wird oft,
wiewohl unschuldiger Weise, unversöhnlich belei-
digen. Forsche nach der Geselschaft Gemüths-
arten und Umständen, noch ehe du dem Raum
gibst, was deine Einbildungskraft dich antreiben
kan zu sagen! In allen Geselschaften gibt es mehr
verkehrte, als richtige Köpfe, und viel mehrere,
die Tadel verdienen, als solcher, welche ihn ertra-
gen können. Soltest du daher weitläuftig zum
Lobe irgend einer Tugend reden, an der es eini-
gen in der Geselschaft offenbar fehlte, oder wider
irgend ein Laster eifern, mit dem andre offenbar
behaftet wären: so werden deine Betrachtungen,
wenn sie gleich algemein und ohne alle Anwendung
vorgebracht worden sind, dennoch, weil sie sich

leicht

(Laß mich dir jezt die vorzuͤglichſten Regeln
bekant machen, nach denen du dein geſelſchaftli-
ches Betragen einrichten mußt, wenn du Beifal
und Wohlwollen zu erwerben wuͤnſcheſt.)

(Nim zuvoͤrderſt alle Munterkeit und Luſtig-
keit, aber ſo wenig Unbeſonnenheit der Jugend,
als du kanſt, mit dir in die Geſelſchaften! Die
erſtern werden bezaubern; die leztere wird oft,
wiewohl unſchuldiger Weiſe, unverſoͤhnlich belei-
digen. Forſche nach der Geſelſchaft Gemuͤths-
arten und Umſtaͤnden, noch ehe du dem Raum
gibſt, was deine Einbildungskraft dich antreiben
kan zu ſagen! In allen Geſelſchaften gibt es mehr
verkehrte, als richtige Koͤpfe, und viel mehrere,
die Tadel verdienen, als ſolcher, welche ihn ertra-
gen koͤnnen. Solteſt du daher weitlaͤuftig zum
Lobe irgend einer Tugend reden, an der es eini-
gen in der Geſelſchaft offenbar fehlte, oder wider
irgend ein Laſter eifern, mit dem andre offenbar
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wenn ſie gleich algemein und ohne alle Anwendung
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[43/0049] (Laß mich dir jezt die vorzuͤglichſten Regeln bekant machen, nach denen du dein geſelſchaftli- ches Betragen einrichten mußt, wenn du Beifal und Wohlwollen zu erwerben wuͤnſcheſt.) (Nim zuvoͤrderſt alle Munterkeit und Luſtig- keit, aber ſo wenig Unbeſonnenheit der Jugend, als du kanſt, mit dir in die Geſelſchaften! Die erſtern werden bezaubern; die leztere wird oft, wiewohl unſchuldiger Weiſe, unverſoͤhnlich belei- digen. Forſche nach der Geſelſchaft Gemuͤths- arten und Umſtaͤnden, noch ehe du dem Raum gibſt, was deine Einbildungskraft dich antreiben kan zu ſagen! In allen Geſelſchaften gibt es mehr verkehrte, als richtige Koͤpfe, und viel mehrere, die Tadel verdienen, als ſolcher, welche ihn ertra- gen koͤnnen. Solteſt du daher weitlaͤuftig zum Lobe irgend einer Tugend reden, an der es eini- gen in der Geſelſchaft offenbar fehlte, oder wider irgend ein Laſter eifern, mit dem andre offenbar behaftet waͤren: ſo werden deine Betrachtungen, wenn ſie gleich algemein und ohne alle Anwendung vorgebracht worden ſind, dennoch, weil ſie ſich leicht

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/49>, abgerufen am 23.04.2024.