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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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und Verachtung für alte und häßliche Frauens-
personen merken zu lassen; das ist aber ungerecht
und unverständig zugleich. Denn wir sind dem
ganzen Geschlechte ohne Ausnahme ehrerbietige
Höflichkeit schuldig; und wie könten Mangel an
Schönheit und Jugend jemahls eine gerechte Ur-
sache zur Verachtung sein? Laß es überhaupt
eine beständige Regel sein, niemahls die Verach-
tung merken zu lassen, die du oft und mit Recht
gegen ein menschliches Wesen empfinden wirst; denn
das vergibt man dir nimmer. Jede Beleidigung
wird eher verziehen, als Spot und Verachtung.

(Uebrigens muß man mit Frauenzimmern als
mit Leuten reden, die unter den Manspersonen,
aber über den Kindern sind. Sprichst du zu
ihnen zu tiefsinnig, so machst du sie nur verwirt,
und verlierst deine Mühe; sprichst du zu ihnen
zu tändelhaft, so werden sie die Verachtung inne,
und entrüsten sich darüber. Der eigentliche Ton
gegen sie ist der, den die Franzosen entregent
nennen, und der ist auch wirklich die höfliche
Sprache guter Geselschaft.)



(Laß

und Verachtung fuͤr alte und haͤßliche Frauens-
perſonen merken zu laſſen; das iſt aber ungerecht
und unverſtaͤndig zugleich. Denn wir ſind dem
ganzen Geſchlechte ohne Ausnahme ehrerbietige
Hoͤflichkeit ſchuldig; und wie koͤnten Mangel an
Schoͤnheit und Jugend jemahls eine gerechte Ur-
ſache zur Verachtung ſein? Laß es uͤberhaupt
eine beſtaͤndige Regel ſein, niemahls die Verach-
tung merken zu laſſen, die du oft und mit Recht
gegen ein menſchliches Weſen empfinden wirſt; denn
das vergibt man dir nimmer. Jede Beleidigung
wird eher verziehen, als Spot und Verachtung.

(Uebrigens muß man mit Frauenzimmern als
mit Leuten reden, die unter den Mansperſonen,
aber uͤber den Kindern ſind. Sprichſt du zu
ihnen zu tiefſinnig, ſo machſt du ſie nur verwirt,
und verlierſt deine Muͤhe; ſprichſt du zu ihnen
zu taͤndelhaft, ſo werden ſie die Verachtung inne,
und entruͤſten ſich daruͤber. Der eigentliche Ton
gegen ſie iſt der, den die Franzoſen entregent
nennen, und der iſt auch wirklich die hoͤfliche
Sprache guter Geſelſchaft.)



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[42/0048] und Verachtung fuͤr alte und haͤßliche Frauens- perſonen merken zu laſſen; das iſt aber ungerecht und unverſtaͤndig zugleich. Denn wir ſind dem ganzen Geſchlechte ohne Ausnahme ehrerbietige Hoͤflichkeit ſchuldig; und wie koͤnten Mangel an Schoͤnheit und Jugend jemahls eine gerechte Ur- ſache zur Verachtung ſein? Laß es uͤberhaupt eine beſtaͤndige Regel ſein, niemahls die Verach- tung merken zu laſſen, die du oft und mit Recht gegen ein menſchliches Weſen empfinden wirſt; denn das vergibt man dir nimmer. Jede Beleidigung wird eher verziehen, als Spot und Verachtung. (Uebrigens muß man mit Frauenzimmern als mit Leuten reden, die unter den Mansperſonen, aber uͤber den Kindern ſind. Sprichſt du zu ihnen zu tiefſinnig, ſo machſt du ſie nur verwirt, und verlierſt deine Muͤhe; ſprichſt du zu ihnen zu taͤndelhaft, ſo werden ſie die Verachtung inne, und entruͤſten ſich daruͤber. Der eigentliche Ton gegen ſie iſt der, den die Franzoſen entregent nennen, und der iſt auch wirklich die hoͤfliche Sprache guter Geſelſchaft.) (Laß

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/48>, abgerufen am 29.03.2024.