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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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Ehre und Wohlanständigkeit verwechseln! In
der guten Geselschaft gibt es gleichfals Grade,
von der blos guten bis zur besten; blos gut heißt
noch nicht eben lobenswürdig, sondern nur, wo-
wider sich nichts einwenden läßt. Strebe nach
der besten; aber welches ist die beste? Ich halte
dafür, es ist eine solche Geselschaft von Mansper-
sonen oder Frauenzimmern, oder auch von beiden
zugleich, wo gebildete feine Sitten und Wohlan-
ständigkeit mit einem hohen Grade von Recht-
schaffenheit verbunden sind.

Gesittete Frauenzimmer gehören unter die noth-
wendigen Ingredienzen guter Geselschaft. Die Auf-
merksamkeit, welche man ihnen bezeigt, (ein Tribut,
den jeder wohlerzogne Man ihnen gern bezahlt,)
dient dazu, den Ton der Wohlanständigkeit zu
unterhalten, und macht die gute Lebensart zur Ge-
wohnheit; dahingegen Männer, welche unter sich
in Geselschaften, ungemildert von dem sanfteren
Geschlechte leben, leicht sorglos, nachlässig und
rauh gegen einander werden. In Geselschaft ist
der Man, er sei, wer er wolle, dem Frauenzim-
mer untergeordnet; er darf sich ihm nicht anders,

als

Ehre und Wohlanſtaͤndigkeit verwechſeln! In
der guten Geſelſchaft gibt es gleichfals Grade,
von der blos guten bis zur beſten; blos gut heißt
noch nicht eben lobenswuͤrdig, ſondern nur, wo-
wider ſich nichts einwenden laͤßt. Strebe nach
der beſten; aber welches iſt die beſte? Ich halte
dafuͤr, es iſt eine ſolche Geſelſchaft von Mansper-
ſonen oder Frauenzimmern, oder auch von beiden
zugleich, wo gebildete feine Sitten und Wohlan-
ſtaͤndigkeit mit einem hohen Grade von Recht-
ſchaffenheit verbunden ſind.

Geſittete Frauenzimmer gehoͤren unter die noth-
wendigen Ingredienzen guter Geſelſchaft. Die Auf-
merkſamkeit, welche man ihnen bezeigt, (ein Tribut,
den jeder wohlerzogne Man ihnen gern bezahlt,)
dient dazu, den Ton der Wohlanſtaͤndigkeit zu
unterhalten, und macht die gute Lebensart zur Ge-
wohnheit; dahingegen Maͤnner, welche unter ſich
in Geſelſchaften, ungemildert von dem ſanfteren
Geſchlechte leben, leicht ſorglos, nachlaͤſſig und
rauh gegen einander werden. In Geſelſchaft iſt
der Man, er ſei, wer er wolle, dem Frauenzim-
mer untergeordnet; er darf ſich ihm nicht anders,

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[40/0046] Ehre und Wohlanſtaͤndigkeit verwechſeln! In der guten Geſelſchaft gibt es gleichfals Grade, von der blos guten bis zur beſten; blos gut heißt noch nicht eben lobenswuͤrdig, ſondern nur, wo- wider ſich nichts einwenden laͤßt. Strebe nach der beſten; aber welches iſt die beſte? Ich halte dafuͤr, es iſt eine ſolche Geſelſchaft von Mansper- ſonen oder Frauenzimmern, oder auch von beiden zugleich, wo gebildete feine Sitten und Wohlan- ſtaͤndigkeit mit einem hohen Grade von Recht- ſchaffenheit verbunden ſind. Geſittete Frauenzimmer gehoͤren unter die noth- wendigen Ingredienzen guter Geſelſchaft. Die Auf- merkſamkeit, welche man ihnen bezeigt, (ein Tribut, den jeder wohlerzogne Man ihnen gern bezahlt,) dient dazu, den Ton der Wohlanſtaͤndigkeit zu unterhalten, und macht die gute Lebensart zur Ge- wohnheit; dahingegen Maͤnner, welche unter ſich in Geſelſchaften, ungemildert von dem ſanfteren Geſchlechte leben, leicht ſorglos, nachlaͤſſig und rauh gegen einander werden. In Geſelſchaft iſt der Man, er ſei, wer er wolle, dem Frauenzim- mer untergeordnet; er darf ſich ihm nicht anders, als

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/46>, abgerufen am 24.04.2024.