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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

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weilend aus. Sage, du würdest es vielleicht
thun, wenn du sicher voraus wüßtest, daß du
verlieren würdest; da du aber eben so gut gewin-
nen köntest, so scheutest du dich vor der Be-
schwerlichkeit des Reichthums, seit der Zeit, da
du gesehen hättest, wie sehr er dem armen Har-
lekin zur Last gefallen wäre, und du hättest daher
beschlossen, es niemahls darauf zu wagen, des
Tages über zwei Pistolen zu gewinnen. Diese
leichte, scherzhafte Art, Einladungen zu Lastern
und Thorheit abzulehnen, schikt sich besser für
dein Alter, und richtet zugleich mehr aus, als
ernsthafte philosophische Weigerungen.

Einen jungen Menschen, der keinen eignen
Willen zu haben scheint, sondern alles thut, was
von ihm gefordert wird, nent man zwar einen
gutherzigen, zugleich aber hält man ihn auch für
einen sehr einfältigen jungen Menschen. Handle
du weise, nach tüchtigen Grundsäzen, aus rich-
tigen Bewegungsgründen, behalte sie aber für
dich, und rede niemahls spruchreich! Ladet man
dich zum Trinken ein, so sprich: du woltest es
zwar gern thun, köntest aber so wenig vertragen,

daß

weilend aus. Sage, du wuͤrdeſt es vielleicht
thun, wenn du ſicher voraus wuͤßteſt, daß du
verlieren wuͤrdeſt; da du aber eben ſo gut gewin-
nen koͤnteſt, ſo ſcheuteſt du dich vor der Be-
ſchwerlichkeit des Reichthums, ſeit der Zeit, da
du geſehen haͤtteſt, wie ſehr er dem armen Har-
lekin zur Laſt gefallen waͤre, und du haͤtteſt daher
beſchloſſen, es niemahls darauf zu wagen, des
Tages uͤber zwei Piſtolen zu gewinnen. Dieſe
leichte, ſcherzhafte Art, Einladungen zu Laſtern
und Thorheit abzulehnen, ſchikt ſich beſſer fuͤr
dein Alter, und richtet zugleich mehr aus, als
ernſthafte philoſophiſche Weigerungen.

Einen jungen Menſchen, der keinen eignen
Willen zu haben ſcheint, ſondern alles thut, was
von ihm gefordert wird, nent man zwar einen
gutherzigen, zugleich aber haͤlt man ihn auch fuͤr
einen ſehr einfaͤltigen jungen Menſchen. Handle
du weiſe, nach tuͤchtigen Grundſaͤzen, aus rich-
tigen Bewegungsgruͤnden, behalte ſie aber fuͤr
dich, und rede niemahls ſpruchreich! Ladet man
dich zum Trinken ein, ſo ſprich: du wolteſt es
zwar gern thun, koͤnteſt aber ſo wenig vertragen,

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[175/0181] weilend aus. Sage, du wuͤrdeſt es vielleicht thun, wenn du ſicher voraus wuͤßteſt, daß du verlieren wuͤrdeſt; da du aber eben ſo gut gewin- nen koͤnteſt, ſo ſcheuteſt du dich vor der Be- ſchwerlichkeit des Reichthums, ſeit der Zeit, da du geſehen haͤtteſt, wie ſehr er dem armen Har- lekin zur Laſt gefallen waͤre, und du haͤtteſt daher beſchloſſen, es niemahls darauf zu wagen, des Tages uͤber zwei Piſtolen zu gewinnen. Dieſe leichte, ſcherzhafte Art, Einladungen zu Laſtern und Thorheit abzulehnen, ſchikt ſich beſſer fuͤr dein Alter, und richtet zugleich mehr aus, als ernſthafte philoſophiſche Weigerungen. Einen jungen Menſchen, der keinen eignen Willen zu haben ſcheint, ſondern alles thut, was von ihm gefordert wird, nent man zwar einen gutherzigen, zugleich aber haͤlt man ihn auch fuͤr einen ſehr einfaͤltigen jungen Menſchen. Handle du weiſe, nach tuͤchtigen Grundſaͤzen, aus rich- tigen Bewegungsgruͤnden, behalte ſie aber fuͤr dich, und rede niemahls ſpruchreich! Ladet man dich zum Trinken ein, ſo ſprich: du wolteſt es zwar gern thun, koͤnteſt aber ſo wenig vertragen, daß

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/181>, abgerufen am 07.05.2024.