Da redet dich ein Herr Marquis oder ein Herr Ritter in einem schönen, mit Spizen besezten Rokke und niedlichen Aufzuge in der Komödie oder an einem andern öffentlichen Orte an; gewint auf den ersten Anblik unendliche Achtung für dich; sieht, daß du ein Fremder vom ersten Range bist; bietet dir seine Dienste an, und wünscht nichts eifriger, als dir, so viel nur in seinem geringen Vermögen steht, zu den Annehmlichkeiten des Orts zu verhelfen. Er kent einige Frauenzimmer von Stande, die eine kleine, annehmliche Ge- selschaft, eine kleine, allerliebste Abendmahlzeit mit rechtschafnen Leuten lieber haben, als den Tu- mult und die Zerstreuung der großen Welt. Er wird mit dem größten ersinlichen Vergnügen die Ehre haben, dich bei diesen vornehmen Damen einzuführen.
Gut, wenn du nun dieses freundliche Er- bieten annähmst, und mit ihm gingest, würdest du im dritten Stokwerke eine schöne, ge- schminkte, freche Hure finden, in einem verschos- senen, aus der zweiten oder dritten Hand ge- kauften, ehemahls prächtigen Kleide in Gesel-
schaft
Da redet dich ein Herr Marquis oder ein Herr Ritter in einem ſchoͤnen, mit Spizen beſezten Rokke und niedlichen Aufzuge in der Komoͤdie oder an einem andern oͤffentlichen Orte an; gewint auf den erſten Anblik unendliche Achtung fuͤr dich; ſieht, daß du ein Fremder vom erſten Range biſt; bietet dir ſeine Dienſte an, und wuͤnſcht nichts eifriger, als dir, ſo viel nur in ſeinem geringen Vermoͤgen ſteht, zu den Annehmlichkeiten des Orts zu verhelfen. Er kent einige Frauenzimmer von Stande, die eine kleine, annehmliche Ge- ſelſchaft, eine kleine, allerliebſte Abendmahlzeit mit rechtſchafnen Leuten lieber haben, als den Tu- mult und die Zerſtreuung der großen Welt. Er wird mit dem groͤßten erſinlichen Vergnuͤgen die Ehre haben, dich bei dieſen vornehmen Damen einzufuͤhren.
Gut, wenn du nun dieſes freundliche Er- bieten annaͤhmſt, und mit ihm gingeſt, wuͤrdeſt du im dritten Stokwerke eine ſchoͤne, ge- ſchminkte, freche Hure finden, in einem verſchoſ- ſenen, aus der zweiten oder dritten Hand ge- kauften, ehemahls praͤchtigen Kleide in Geſel-
ſchaft
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Da redet dich ein Herr Marquis oder ein
Herr Ritter in einem ſchoͤnen, mit Spizen beſezten
Rokke und niedlichen Aufzuge in der Komoͤdie
oder an einem andern oͤffentlichen Orte an; gewint
auf den erſten Anblik unendliche Achtung fuͤr dich;
ſieht, daß du ein Fremder vom erſten Range biſt;
bietet dir ſeine Dienſte an, und wuͤnſcht nichts
eifriger, als dir, ſo viel nur in ſeinem geringen
Vermoͤgen ſteht, zu den Annehmlichkeiten des
Orts zu verhelfen. Er kent einige Frauenzimmer
von Stande, die eine kleine, annehmliche Ge-
ſelſchaft, eine kleine, allerliebſte Abendmahlzeit mit
rechtſchafnen Leuten lieber haben, als den Tu-
mult und die Zerſtreuung der großen Welt. Er
wird mit dem groͤßten erſinlichen Vergnuͤgen die
Ehre haben, dich bei dieſen vornehmen Damen
einzufuͤhren.
Gut, wenn du nun dieſes freundliche Er-
bieten annaͤhmſt, und mit ihm gingeſt, wuͤrdeſt
du im dritten Stokwerke eine ſchoͤne, ge-
ſchminkte, freche Hure finden, in einem verſchoſ-
ſenen, aus der zweiten oder dritten Hand ge-
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/177>, abgerufen am 27.07.2024.
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