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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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mannigfaltiges Elend durch das Gegentheil des-
selben ausgedrükt wird, du würdest nicht eher
ruhen noch rasten, bis du dir recht große aus-
gebreitete Verdienste erworben, und deine Be-
dürfnisse bis auf die wirklichen Nothwendigkeiten
der Natur vereinfacht und eingeschränkt hättest!



Endlich, mein Kleon, laß mich noch zulezt
einen Punkt berühren, der die Klippe ist, an
welcher die Wohlfahrt der meisten jungen Leute
zu scheitern pflegt. Ich meine den Umgang
mit dem Frauenzimmer.

Das sicherste für einen jungen Menschen ohne
Erfahrung, ohne Weltkentniß und ohne tief ein-
gewurzelte Grundsäze der Ehre und der Tugend,
wäre freilich, sich diesem, seiner Unschuld und sei-
nem Wachsthum an Volkommenheit gefährlichen
Geschlechte, bis auf die Zeit, da er die Freundin
und Gefährtin seines Lebens wählen sol, ganz
und gar zu entziehen. Aber zum Unglük ist kein
ander Mittel vorhanden, Erfahrung, Welt- und
Menschenkentniß zu erlangen, als grade dieses

einzige,

mannigfaltiges Elend durch das Gegentheil deſ-
ſelben ausgedruͤkt wird, du wuͤrdeſt nicht eher
ruhen noch raſten, bis du dir recht große aus-
gebreitete Verdienſte erworben, und deine Be-
duͤrfniſſe bis auf die wirklichen Nothwendigkeiten
der Natur vereinfacht und eingeſchraͤnkt haͤtteſt!



Endlich, mein Kleon, laß mich noch zulezt
einen Punkt beruͤhren, der die Klippe iſt, an
welcher die Wohlfahrt der meiſten jungen Leute
zu ſcheitern pflegt. Ich meine den Umgang
mit dem Frauenzimmer.

Das ſicherſte fuͤr einen jungen Menſchen ohne
Erfahrung, ohne Weltkentniß und ohne tief ein-
gewurzelte Grundſaͤze der Ehre und der Tugend,
waͤre freilich, ſich dieſem, ſeiner Unſchuld und ſei-
nem Wachsthum an Volkommenheit gefaͤhrlichen
Geſchlechte, bis auf die Zeit, da er die Freundin
und Gefaͤhrtin ſeines Lebens waͤhlen ſol, ganz
und gar zu entziehen. Aber zum Ungluͤk iſt kein
ander Mittel vorhanden, Erfahrung, Welt- und
Menſchenkentniß zu erlangen, als grade dieſes

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[253/0283] mannigfaltiges Elend durch das Gegentheil deſ- ſelben ausgedruͤkt wird, du wuͤrdeſt nicht eher ruhen noch raſten, bis du dir recht große aus- gebreitete Verdienſte erworben, und deine Be- duͤrfniſſe bis auf die wirklichen Nothwendigkeiten der Natur vereinfacht und eingeſchraͤnkt haͤtteſt! Endlich, mein Kleon, laß mich noch zulezt einen Punkt beruͤhren, der die Klippe iſt, an welcher die Wohlfahrt der meiſten jungen Leute zu ſcheitern pflegt. Ich meine den Umgang mit dem Frauenzimmer. Das ſicherſte fuͤr einen jungen Menſchen ohne Erfahrung, ohne Weltkentniß und ohne tief ein- gewurzelte Grundſaͤze der Ehre und der Tugend, waͤre freilich, ſich dieſem, ſeiner Unſchuld und ſei- nem Wachsthum an Volkommenheit gefaͤhrlichen Geſchlechte, bis auf die Zeit, da er die Freundin und Gefaͤhrtin ſeines Lebens waͤhlen ſol, ganz und gar zu entziehen. Aber zum Ungluͤk iſt kein ander Mittel vorhanden, Erfahrung, Welt- und Menſchenkentniß zu erlangen, als grade dieſes einzige,

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/283>, abgerufen am 11.06.2024.