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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783.

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verwaiset und hülflos, und nirgends einen Ruhe-
plaz, nirgends eine Erquikkung für seine abge-
spante schmachtende Sele, nirgends ein mitem-
pfindendes Wesen erblikt, an dessen Busen er aus-
ruhen, aus dessen osnem Herzen er Trost und
Linderung und Erquikkung schöpfen mögte! Und
er sich nun gezwungen sieht zu dem einzigen, ihm
noch übrigen Mittel zu der Betäubung durch
rauschende wilde Vergnügungen, oder durch un-
mäßigen Genuß starker Getränke, seine lezte ver-
zweiflungsvolle Zuflucht zu nehmen; gleich dem
Kranken, der, aller Hofnung einer möglichen Ge-
nesung beraubt, nach Opiaten greift, um wenig-
stens dem Gefühl wüthender Schmerzen durch
unempfindlichen Todesschlaf zu entfliehen! --
O mein theurer Sohn, der algütige Gott lasse
dein Loos nie auf das Schiksal solcher unglük-
lichen lebendig todten Opfer einer unmäßigen
Wirkungsbegierde fallen! Noch jezt kömt mir
Grausen und Entsezen an, wenn ich an die nahe
Gefahr zurükdenke, in der auch ich mich einst be-
fand, dem Haufen solcher Bejammernswürdigen
zugeselt zu werden.


Um
E 4

verwaiſet und huͤlflos, und nirgends einen Ruhe-
plaz, nirgends eine Erquikkung fuͤr ſeine abge-
ſpante ſchmachtende Sele, nirgends ein mitem-
pfindendes Weſen erblikt, an deſſen Buſen er aus-
ruhen, aus deſſen oſnem Herzen er Troſt und
Linderung und Erquikkung ſchoͤpfen moͤgte! Und
er ſich nun gezwungen ſieht zu dem einzigen, ihm
noch uͤbrigen Mittel zu der Betaͤubung durch
rauſchende wilde Vergnuͤgungen, oder durch un-
maͤßigen Genuß ſtarker Getraͤnke, ſeine lezte ver-
zweiflungsvolle Zuflucht zu nehmen; gleich dem
Kranken, der, aller Hofnung einer moͤglichen Ge-
neſung beraubt, nach Opiaten greift, um wenig-
ſtens dem Gefuͤhl wuͤthender Schmerzen durch
unempfindlichen Todesſchlaf zu entfliehen! —
O mein theurer Sohn, der alguͤtige Gott laſſe
dein Loos nie auf das Schikſal ſolcher ungluͤk-
lichen lebendig todten Opfer einer unmaͤßigen
Wirkungsbegierde fallen! Noch jezt koͤmt mir
Grauſen und Entſezen an, wenn ich an die nahe
Gefahr zuruͤkdenke, in der auch ich mich einſt be-
fand, dem Haufen ſolcher Bejammernswuͤrdigen
zugeſelt zu werden.


Um
E 4
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[71/0101] verwaiſet und huͤlflos, und nirgends einen Ruhe- plaz, nirgends eine Erquikkung fuͤr ſeine abge- ſpante ſchmachtende Sele, nirgends ein mitem- pfindendes Weſen erblikt, an deſſen Buſen er aus- ruhen, aus deſſen oſnem Herzen er Troſt und Linderung und Erquikkung ſchoͤpfen moͤgte! Und er ſich nun gezwungen ſieht zu dem einzigen, ihm noch uͤbrigen Mittel zu der Betaͤubung durch rauſchende wilde Vergnuͤgungen, oder durch un- maͤßigen Genuß ſtarker Getraͤnke, ſeine lezte ver- zweiflungsvolle Zuflucht zu nehmen; gleich dem Kranken, der, aller Hofnung einer moͤglichen Ge- neſung beraubt, nach Opiaten greift, um wenig- ſtens dem Gefuͤhl wuͤthender Schmerzen durch unempfindlichen Todesſchlaf zu entfliehen! — O mein theurer Sohn, der alguͤtige Gott laſſe dein Loos nie auf das Schikſal ſolcher ungluͤk- lichen lebendig todten Opfer einer unmaͤßigen Wirkungsbegierde fallen! Noch jezt koͤmt mir Grauſen und Entſezen an, wenn ich an die nahe Gefahr zuruͤkdenke, in der auch ich mich einſt be- fand, dem Haufen ſolcher Bejammernswuͤrdigen zugeſelt zu werden. Um E 4

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/101>, abgerufen am 22.11.2024.