Die lezte Stunde des Abends wandt' er zum Nachdenken über sich selbst an. Er sezte sich nemlich entweder auf dem Gipfel des Berges nieder, wo er das ganze Sternbesäte Himmelsgewölbe über sich hatte, oder er lust- wandelte auch wohl in der Abendkühle nach dem Strande zu. Dan pflegt' er sich selbst in Gedanken folgende Fragen vorzulegen:
"Wie hast du diesen Tag nun wieder hinge- bracht? Bist du im Genuß der Gaben Got- tes, die dir heute wiederum zu Theil gewor- den sind, auch wohl des großen Gebers der- selben immer eingedenk gewesen? Hat dein Herz auch Liebe und Dankbarkeit gegen ihn em- pfunden? Hast du ihm vertrau't, wenn's dir übel ging, und hast du seiner nicht ver- gessen, wenn du frölich warest? Hast du je- den bösen Gedanken, der dir einfiel, jede böse Begierde, die in dir rege ward, auch so gleich unterdrükt? Und hast du also heute wirklich zugenommen im Guten?"
So oft nun sein Herz auf diese und ähnliche Fragen mit einem freudigen Ja! antworten
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Die lezte Stunde des Abends wandt' er zum Nachdenken uͤber ſich ſelbſt an. Er ſezte ſich nemlich entweder auf dem Gipfel des Berges nieder, wo er das ganze Sternbeſaͤte Himmelsgewoͤlbe uͤber ſich hatte, oder er luſt- wandelte auch wohl in der Abendkuͤhle nach dem Strande zu. Dan pflegt' er ſich ſelbſt in Gedanken folgende Fragen vorzulegen:
„Wie haſt du dieſen Tag nun wieder hinge- bracht? Biſt du im Genuß der Gaben Got- tes, die dir heute wiederum zu Theil gewor- den ſind, auch wohl des großen Gebers der- ſelben immer eingedenk geweſen? Hat dein Herz auch Liebe und Dankbarkeit gegen ihn em- pfunden? Haſt du ihm vertrau't, wenn's dir uͤbel ging, und haſt du ſeiner nicht ver- geſſen, wenn du froͤlich wareſt? Haſt du je- den boͤſen Gedanken, der dir einfiel, jede boͤſe Begierde, die in dir rege ward, auch ſo gleich unterdruͤkt? Und haſt du alſo heute wirklich zugenommen im Guten?„
So oft nun ſein Herz auf dieſe und aͤhnliche Fragen mit einem freudigen Ja! antworten
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Die lezte Stunde des Abends wandt' er
zum Nachdenken uͤber ſich ſelbſt an. Er ſezte
ſich nemlich entweder auf dem Gipfel des
Berges nieder, wo er das ganze Sternbeſaͤte
Himmelsgewoͤlbe uͤber ſich hatte, oder er luſt-
wandelte auch wohl in der Abendkuͤhle nach
dem Strande zu. Dan pflegt' er ſich ſelbſt
in Gedanken folgende Fragen vorzulegen:
„Wie haſt du dieſen Tag nun wieder hinge-
bracht? Biſt du im Genuß der Gaben Got-
tes, die dir heute wiederum zu Theil gewor-
den ſind, auch wohl des großen Gebers der-
ſelben immer eingedenk geweſen? Hat dein Herz
auch Liebe und Dankbarkeit gegen ihn em-
pfunden? Haſt du ihm vertrau't, wenn's
dir uͤbel ging, und haſt du ſeiner nicht ver-
geſſen, wenn du froͤlich wareſt? Haſt du je-
den boͤſen Gedanken, der dir einfiel, jede
boͤſe Begierde, die in dir rege ward, auch ſo
gleich unterdruͤkt? Und haſt du alſo heute
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/45>, abgerufen am 24.11.2024.
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