konte: o wie war ihm dan so wohl! Und mit welcher Inbrunst sang er dan ein Loblied zum Preise des großen Gottes, der zum Gutes thun ihm Seegen verliehen hatte! So oft er aber Ursache fand, mit sich selbst nicht so ganz zufrie- den zu sein: o wie schmerzte es ihn dan, einen Tag seines Lebens verloren zu haben! Denn für verloren hielt er jeden Tag, an dem er etwas gedacht oder gethan hatte, was er am Abend desselben misbilligen mußte. Neben dem Striche, womit er einen solchen Tag in seinem Kalenderbaume bezeich- nete, pflegte er ein Kreuz einzugraben, um sich beim Anblik desselben seines Unrechts zu erin- nern, und sich ins künftige destomehr davor in Acht zu nehmen.
Seht, lieben Kinder, so machte es Ro- binson, um täglich besser und frömmer zu werden. Ist es euch nun auch ein wirklicher Ernst mit der Ausbesserung eures Herzens: so rathe ich euch, ihm darin nachzuahmen. Sezt gleichfals, so wie er, eine Abendstunde fest, um über eure Aufführung an dem jedesmahl
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konte: o wie war ihm dan ſo wohl! Und mit welcher Inbrunſt ſang er dan ein Loblied zum Preiſe des großen Gottes, der zum Gutes thun ihm Seegen verliehen hatte! So oft er aber Urſache fand, mit ſich ſelbſt nicht ſo ganz zufrie- den zu ſein: o wie ſchmerzte es ihn dan, einen Tag ſeines Lebens verloren zu haben! Denn fuͤr verloren hielt er jeden Tag, an dem er etwas gedacht oder gethan hatte, was er am Abend deſſelben misbilligen mußte. Neben dem Striche, womit er einen ſolchen Tag in ſeinem Kalenderbaume bezeich- nete, pflegte er ein Kreuz einzugraben, um ſich beim Anblik deſſelben ſeines Unrechts zu erin- nern, und ſich ins kuͤnftige deſtomehr davor in Acht zu nehmen.
Seht, lieben Kinder, ſo machte es Ro- binſon, um taͤglich beſſer und froͤmmer zu werden. Iſt es euch nun auch ein wirklicher Ernſt mit der Ausbeſſerung eures Herzens: ſo rathe ich euch, ihm darin nachzuahmen. Sezt gleichfals, ſo wie er, eine Abendſtunde feſt, um uͤber eure Auffuͤhrung an dem jedesmahl
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konte: o wie war ihm dan ſo wohl! Und mit
welcher Inbrunſt ſang er dan ein Loblied zum
Preiſe des großen Gottes, der zum Gutes thun
ihm Seegen verliehen hatte! So oft er aber
Urſache fand, mit ſich ſelbſt nicht ſo ganz zufrie-
den zu ſein: o wie ſchmerzte es ihn dan, einen
Tag ſeines Lebens verloren zu haben! Denn
fuͤr verloren hielt er jeden Tag, an dem
er etwas gedacht oder gethan hatte,
was er am Abend deſſelben misbilligen
mußte. Neben dem Striche, womit er einen
ſolchen Tag in ſeinem Kalenderbaume bezeich-
nete, pflegte er ein Kreuz einzugraben, um ſich
beim Anblik deſſelben ſeines Unrechts zu erin-
nern, und ſich ins kuͤnftige deſtomehr davor in
Acht zu nehmen.
Seht, lieben Kinder, ſo machte es Ro-
binſon, um taͤglich beſſer und froͤmmer zu
werden. Iſt es euch nun auch ein wirklicher
Ernſt mit der Ausbeſſerung eures Herzens: ſo
rathe ich euch, ihm darin nachzuahmen. Sezt
gleichfals, ſo wie er, eine Abendſtunde feſt,
um uͤber eure Auffuͤhrung an dem jedesmahl
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/46>, abgerufen am 24.11.2024.
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