daß du nur lauter solche Sachen gerettet hast, die dir nüzlich werden können und nicht auch dasjenige, woran dem eigentlichen Herrn aller dieser Sachen am meisten gelegen sein muß? Wovon vielleicht sein und vieler andern Men- schen ganzer Glükszustand abhängen mag? Ro- binson! Robinson! sezt' er hinzu, indem er sich unwillig vor die Stirn schlug, wie viel fehlt noch daran, daß du schon so gut bist, als du sein soltest?
Er konte kaum die Zeit abwarten, da sie an- landen und wieder abstoßen würden, um von neuem hinzufahren; so groß war die Unruhe seines Gewissens über die Versäumung einer Pflicht, die ihm mit Recht heilig schien!
Endlich kamen sie an; aber in dem Augen- blikke, da sie ans Land stoßen wolten, liefen sie große Gefahr, ihre ganze Ladung ins Meer ver- sinken zu sehen. Weil nemlich die Ebbezeit noch dauerte, so war das Wasser am Strande so seicht, daß das Vordertheil des Flößholzes auf einmahl auf den Sand rante und daher viel höher zu stehen kam, als das Hintertheil, wel-
ches
daß du nur lauter ſolche Sachen gerettet haſt, die dir nuͤzlich werden koͤnnen und nicht auch dasjenige, woran dem eigentlichen Herrn aller dieſer Sachen am meiſten gelegen ſein muß? Wovon vielleicht ſein und vieler andern Men- ſchen ganzer Gluͤkszuſtand abhaͤngen mag? Ro- binſon! Robinſon! ſezt' er hinzu, indem er ſich unwillig vor die Stirn ſchlug, wie viel fehlt noch daran, daß du ſchon ſo gut biſt, als du ſein ſolteſt?
Er konte kaum die Zeit abwarten, da ſie an- landen und wieder abſtoßen wuͤrden, um von neuem hinzufahren; ſo groß war die Unruhe ſeines Gewiſſens uͤber die Verſaͤumung einer Pflicht, die ihm mit Recht heilig ſchien!
Endlich kamen ſie an; aber in dem Augen- blikke, da ſie ans Land ſtoßen wolten, liefen ſie große Gefahr, ihre ganze Ladung ins Meer ver- ſinken zu ſehen. Weil nemlich die Ebbezeit noch dauerte, ſo war das Waſſer am Strande ſo ſeicht, daß das Vordertheil des Floͤßholzes auf einmahl auf den Sand rante und daher viel hoͤher zu ſtehen kam, als das Hintertheil, wel-
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daß du nur lauter ſolche Sachen gerettet haſt,
die dir nuͤzlich werden koͤnnen und nicht auch
dasjenige, woran dem eigentlichen Herrn aller
dieſer Sachen am meiſten gelegen ſein muß?
Wovon vielleicht ſein und vieler andern Men-
ſchen ganzer Gluͤkszuſtand abhaͤngen mag? Ro-
binſon! Robinſon! ſezt' er hinzu, indem er ſich
unwillig vor die Stirn ſchlug, wie viel fehlt
noch daran, daß du ſchon ſo gut biſt, als du
ſein ſolteſt?
Er konte kaum die Zeit abwarten, da ſie an-
landen und wieder abſtoßen wuͤrden, um von
neuem hinzufahren; ſo groß war die Unruhe
ſeines Gewiſſens uͤber die Verſaͤumung einer
Pflicht, die ihm mit Recht heilig ſchien!
Endlich kamen ſie an; aber in dem Augen-
blikke, da ſie ans Land ſtoßen wolten, liefen ſie
große Gefahr, ihre ganze Ladung ins Meer ver-
ſinken zu ſehen. Weil nemlich die Ebbezeit
noch dauerte, ſo war das Waſſer am Strande
ſo ſeicht, daß das Vordertheil des Floͤßholzes
auf einmahl auf den Sand rante und daher viel
hoͤher zu ſtehen kam, als das Hintertheil, wel-
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/236>, abgerufen am 16.02.2025.
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