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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

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Er holte also ein Stük geräuchertes Rind-
fleisch, ein Paar Heringe, etwas Zwiebak,
Butter und Käse, und eine Flasche Wein her-
bei, sezte alles dieses auf den Tisch in der Ka-
jüte des Kapitains, und ließ sich selbst mit Frei-
tag
auf den dabei stehenden Stühlen nieder.
Schon dieses, daß er endlich einmahl wieder von
einem ordentlichen Tische, auf einem ordentlichen
Stuhle sizend, von einem ordentlichen Teller mit
Messer und Gabel essen solte, machte ihm mehr
Freude, als ich euch beschreiben kan. Und nun vol-
lends die Speisen selbst, vornehmlich das Brod,
wornach er sich so oft vergebens gesehnt hatte,
-- o, ihr könt euch gar keine Vorstellung davon
machen, wie entzükt er darüber war! Man
müste, so wie er, neun Jahre aller dieser Nah-
rungsmittel und Bequemlichkeiten des Lebens
beraubt gewesen sein, um die Freude, die er
jezt empfand, nach ihrem ganzen Umfange fas-
sen zu können.

Freitag war mit der europäischen Art zu
essen so wenig bekant, daß er gar nicht wuste, wie er
Messer und Gabel brauchen solte. Robinson

zeigt'

Er holte alſo ein Stuͤk geraͤuchertes Rind-
fleiſch, ein Paar Heringe, etwas Zwiebak,
Butter und Kaͤſe, und eine Flaſche Wein her-
bei, ſezte alles dieſes auf den Tiſch in der Ka-
juͤte des Kapitains, und ließ ſich ſelbſt mit Frei-
tag
auf den dabei ſtehenden Stuͤhlen nieder.
Schon dieſes, daß er endlich einmahl wieder von
einem ordentlichen Tiſche, auf einem ordentlichen
Stuhle ſizend, von einem ordentlichen Teller mit
Meſſer und Gabel eſſen ſolte, machte ihm mehr
Freude, als ich euch beſchreiben kan. Und nun vol-
lends die Speiſen ſelbſt, vornehmlich das Brod,
wornach er ſich ſo oft vergebens geſehnt hatte,
— o, ihr koͤnt euch gar keine Vorſtellung davon
machen, wie entzuͤkt er daruͤber war! Man
muͤſte, ſo wie er, neun Jahre aller dieſer Nah-
rungsmittel und Bequemlichkeiten des Lebens
beraubt geweſen ſein, um die Freude, die er
jezt empfand, nach ihrem ganzen Umfange faſ-
ſen zu koͤnnen.

Freitag war mit der europaͤiſchen Art zu
eſſen ſo wenig bekant, daß er gar nicht wuſte, wie er
Meſſer und Gabel brauchen ſolte. Robinſon

zeigt'
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[216/0222] Er holte alſo ein Stuͤk geraͤuchertes Rind- fleiſch, ein Paar Heringe, etwas Zwiebak, Butter und Kaͤſe, und eine Flaſche Wein her- bei, ſezte alles dieſes auf den Tiſch in der Ka- juͤte des Kapitains, und ließ ſich ſelbſt mit Frei- tag auf den dabei ſtehenden Stuͤhlen nieder. Schon dieſes, daß er endlich einmahl wieder von einem ordentlichen Tiſche, auf einem ordentlichen Stuhle ſizend, von einem ordentlichen Teller mit Meſſer und Gabel eſſen ſolte, machte ihm mehr Freude, als ich euch beſchreiben kan. Und nun vol- lends die Speiſen ſelbſt, vornehmlich das Brod, wornach er ſich ſo oft vergebens geſehnt hatte, — o, ihr koͤnt euch gar keine Vorſtellung davon machen, wie entzuͤkt er daruͤber war! Man muͤſte, ſo wie er, neun Jahre aller dieſer Nah- rungsmittel und Bequemlichkeiten des Lebens beraubt geweſen ſein, um die Freude, die er jezt empfand, nach ihrem ganzen Umfange faſ- ſen zu koͤnnen. Freitag war mit der europaͤiſchen Art zu eſſen ſo wenig bekant, daß er gar nicht wuſte, wie er Meſſer und Gabel brauchen ſolte. Robinſon zeigt'

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/222>, abgerufen am 24.11.2024.