Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

es weniger trübe, als es vorher gewesen war.
Ein zweiter Blik auf der Oberfläche des Wassers
hin überzeugte ihn, daß der Strom sich hier
getheilt habe, und daß der stärkste Arm dessel-
ben gegen Norden ströme, indeß der andere
minder schnel fliessende, auf dem ihr Nachen jezt
fortschwam, sich durch eine Krümmung nach
Süden drehte.

Mit unaussprechlicher Freude rief er seinem
schon halb todten Gefährten zu: "munter,
Freitag! Gott wil, daß wir leben sollen! "
Dan zeigt' er ihm den augenscheinlichen Grund
seiner Hofnung; und vor Freude jauchzend grif-
fen beide eiligst wieder zu den Rudern, die sie
eben aus gänzlicher Entkräftung niedergelegt hat-
ten. Gestärkt durch die unerwartete süße Hof-
nung des Lebens arbeiteten sie mit einer unbe-
schreiblichen Anstrengung dem Strome entgegen,
und sahen mit Entzükken, daß ihre Bemühung
diesmahl nicht vergebens war. Robinson,
dessen Sele durch eine lange Reihe von Unglüks-
fällen geübt war, seine Aufmerksamkeit auf je-
den besondern Umstand zu richten, bemerkte,

daß

es weniger truͤbe, als es vorher geweſen war.
Ein zweiter Blik auf der Oberflaͤche des Waſſers
hin uͤberzeugte ihn, daß der Strom ſich hier
getheilt habe, und daß der ſtaͤrkſte Arm deſſel-
ben gegen Norden ſtroͤme, indeß der andere
minder ſchnel flieſſende, auf dem ihr Nachen jezt
fortſchwam, ſich durch eine Kruͤmmung nach
Suͤden drehte.

Mit unausſprechlicher Freude rief er ſeinem
ſchon halb todten Gefaͤhrten zu: „munter,
Freitag! Gott wil, daß wir leben ſollen! „
Dan zeigt' er ihm den augenſcheinlichen Grund
ſeiner Hofnung; und vor Freude jauchzend grif-
fen beide eiligſt wieder zu den Rudern, die ſie
eben aus gaͤnzlicher Entkraͤftung niedergelegt hat-
ten. Geſtaͤrkt durch die unerwartete ſuͤße Hof-
nung des Lebens arbeiteten ſie mit einer unbe-
ſchreiblichen Anſtrengung dem Strome entgegen,
und ſahen mit Entzuͤkken, daß ihre Bemuͤhung
diesmahl nicht vergebens war. Robinſon,
deſſen Sele durch eine lange Reihe von Ungluͤks-
faͤllen geuͤbt war, ſeine Aufmerkſamkeit auf je-
den beſondern Umſtand zu richten, bemerkte,

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0170" n="164"/>
es weniger tru&#x0364;be, als es vorher gewe&#x017F;en war.<lb/>
Ein zweiter Blik auf der Oberfla&#x0364;che des Wa&#x017F;&#x017F;ers<lb/>
hin u&#x0364;berzeugte ihn, daß der Strom &#x017F;ich hier<lb/>
getheilt habe, und daß der &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te Arm de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
ben gegen Norden &#x017F;tro&#x0364;me, indeß der andere<lb/>
minder &#x017F;chnel flie&#x017F;&#x017F;ende, auf dem ihr Nachen jezt<lb/>
fort&#x017F;chwam, &#x017F;ich durch eine Kru&#x0364;mmung nach<lb/>
Su&#x0364;den drehte.</p><lb/>
          <p>Mit unaus&#x017F;prechlicher Freude rief er &#x017F;einem<lb/>
&#x017F;chon halb todten Gefa&#x0364;hrten zu: &#x201E;munter,<lb/><hi rendition="#fr">Freitag!</hi> Gott wil, daß wir leben &#x017F;ollen! &#x201E;<lb/>
Dan zeigt' er ihm den augen&#x017F;cheinlichen Grund<lb/>
&#x017F;einer Hofnung; und vor Freude jauchzend grif-<lb/>
fen beide eilig&#x017F;t wieder zu den Rudern, die &#x017F;ie<lb/>
eben aus ga&#x0364;nzlicher Entkra&#x0364;ftung niedergelegt hat-<lb/>
ten. Ge&#x017F;ta&#x0364;rkt durch die unerwartete &#x017F;u&#x0364;ße Hof-<lb/>
nung des Lebens arbeiteten &#x017F;ie mit einer unbe-<lb/>
&#x017F;chreiblichen An&#x017F;trengung dem Strome entgegen,<lb/>
und &#x017F;ahen mit Entzu&#x0364;kken, daß ihre Bemu&#x0364;hung<lb/>
diesmahl nicht vergebens war. <hi rendition="#fr">Robin&#x017F;on,</hi><lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Sele durch eine lange Reihe von Unglu&#x0364;ks-<lb/>
fa&#x0364;llen geu&#x0364;bt war, &#x017F;eine Aufmerk&#x017F;amkeit auf je-<lb/>
den be&#x017F;ondern Um&#x017F;tand zu richten, bemerkte,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0170] es weniger truͤbe, als es vorher geweſen war. Ein zweiter Blik auf der Oberflaͤche des Waſſers hin uͤberzeugte ihn, daß der Strom ſich hier getheilt habe, und daß der ſtaͤrkſte Arm deſſel- ben gegen Norden ſtroͤme, indeß der andere minder ſchnel flieſſende, auf dem ihr Nachen jezt fortſchwam, ſich durch eine Kruͤmmung nach Suͤden drehte. Mit unausſprechlicher Freude rief er ſeinem ſchon halb todten Gefaͤhrten zu: „munter, Freitag! Gott wil, daß wir leben ſollen! „ Dan zeigt' er ihm den augenſcheinlichen Grund ſeiner Hofnung; und vor Freude jauchzend grif- fen beide eiligſt wieder zu den Rudern, die ſie eben aus gaͤnzlicher Entkraͤftung niedergelegt hat- ten. Geſtaͤrkt durch die unerwartete ſuͤße Hof- nung des Lebens arbeiteten ſie mit einer unbe- ſchreiblichen Anſtrengung dem Strome entgegen, und ſahen mit Entzuͤkken, daß ihre Bemuͤhung diesmahl nicht vergebens war. Robinſon, deſſen Sele durch eine lange Reihe von Ungluͤks- faͤllen geuͤbt war, ſeine Aufmerkſamkeit auf je- den beſondern Umſtand zu richten, bemerkte, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/170
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/170>, abgerufen am 02.05.2024.