Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Meere sich bald verirren und gar nicht wissen,
nach welcher Himmelsgegend sie hinsegeln.

Vater. Hast du das verstanden, Friz?

Frizchen. Ja! Nur zu!

Vater. Da also Robinson einen solchen
Kompaß nicht hatte: so war es ihm unmöglich
wieder zurük zu finden, so bald er die Insel völ-
lig aus den Augen verloren hatte. Und welch
ein schreklicher Zustand wartete seiner dan? Mit-
ten auf den Ozean getrieben zu werden, in einem
kleinen unsichern Nachen, und nur auf einige
Tage Lebensmittel zu haben. Kan auch etwas
Fürchterlicheres erdacht werden?

Aber hier zeigt' es sich recht sichtbarlich, was
für ein unaussprechlicher großer Schaz eine wah-
re Frömmigkeit und ein gutes Gewissen in Noth
und Unglük sind! Hätte Robinson diese nicht
gehabt: wie hätt' er die überwältigende Last die-
ser neuen Leiden ertragen können? Er würde in
Verzweiflung gerathen sein und seinem gequäl-
ten Leben ein Ende gemacht haben, um dem
langsamen und schreklichen Tode des Hungers zu
entgehen.

Sein

Meere ſich bald verirren und gar nicht wiſſen,
nach welcher Himmelsgegend ſie hinſegeln.

Vater. Haſt du das verſtanden, Friz?

Frizchen. Ja! Nur zu!

Vater. Da alſo Robinſon einen ſolchen
Kompaß nicht hatte: ſo war es ihm unmoͤglich
wieder zuruͤk zu finden, ſo bald er die Inſel voͤl-
lig aus den Augen verloren hatte. Und welch
ein ſchreklicher Zuſtand wartete ſeiner dan? Mit-
ten auf den Ozean getrieben zu werden, in einem
kleinen unſichern Nachen, und nur auf einige
Tage Lebensmittel zu haben. Kan auch etwas
Fuͤrchterlicheres erdacht werden?

Aber hier zeigt' es ſich recht ſichtbarlich, was
fuͤr ein unausſprechlicher großer Schaz eine wah-
re Froͤmmigkeit und ein gutes Gewiſſen in Noth
und Ungluͤk ſind! Haͤtte Robinſon dieſe nicht
gehabt: wie haͤtt' er die uͤberwaͤltigende Laſt die-
ſer neuen Leiden ertragen koͤnnen? Er wuͤrde in
Verzweiflung gerathen ſein und ſeinem gequaͤl-
ten Leben ein Ende gemacht haben, um dem
langſamen und ſchreklichen Tode des Hungers zu
entgehen.

Sein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="160"/>
Meere &#x017F;ich bald verirren und gar nicht wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
nach welcher Himmelsgegend &#x017F;ie hin&#x017F;egeln.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vater.</hi> Ha&#x017F;t du das ver&#x017F;tanden, Friz?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Frizchen.</hi> Ja! Nur zu!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vater.</hi> Da al&#x017F;o <hi rendition="#fr">Robin&#x017F;on</hi> einen &#x017F;olchen<lb/>
Kompaß nicht hatte: &#x017F;o war es ihm unmo&#x0364;glich<lb/>
wieder zuru&#x0364;k zu finden, &#x017F;o bald er die In&#x017F;el vo&#x0364;l-<lb/>
lig aus den Augen verloren hatte. Und welch<lb/>
ein &#x017F;chreklicher Zu&#x017F;tand wartete &#x017F;einer dan? Mit-<lb/>
ten auf den Ozean getrieben zu werden, in einem<lb/>
kleinen un&#x017F;ichern Nachen, und nur auf einige<lb/>
Tage Lebensmittel zu haben. Kan auch etwas<lb/>
Fu&#x0364;rchterlicheres erdacht werden?</p><lb/>
          <p>Aber hier zeigt' es &#x017F;ich recht &#x017F;ichtbarlich, was<lb/>
fu&#x0364;r ein unaus&#x017F;prechlicher großer Schaz eine wah-<lb/>
re Fro&#x0364;mmigkeit und ein gutes Gewi&#x017F;&#x017F;en in Noth<lb/>
und Unglu&#x0364;k &#x017F;ind! Ha&#x0364;tte <hi rendition="#fr">Robin&#x017F;on</hi> die&#x017F;e nicht<lb/>
gehabt: wie ha&#x0364;tt' er die u&#x0364;berwa&#x0364;ltigende La&#x017F;t die-<lb/>
&#x017F;er neuen Leiden ertragen ko&#x0364;nnen? Er wu&#x0364;rde in<lb/>
Verzweiflung gerathen &#x017F;ein und &#x017F;einem gequa&#x0364;l-<lb/>
ten Leben ein Ende gemacht haben, um dem<lb/>
lang&#x017F;amen und &#x017F;chreklichen Tode des Hungers zu<lb/>
entgehen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sein</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0166] Meere ſich bald verirren und gar nicht wiſſen, nach welcher Himmelsgegend ſie hinſegeln. Vater. Haſt du das verſtanden, Friz? Frizchen. Ja! Nur zu! Vater. Da alſo Robinſon einen ſolchen Kompaß nicht hatte: ſo war es ihm unmoͤglich wieder zuruͤk zu finden, ſo bald er die Inſel voͤl- lig aus den Augen verloren hatte. Und welch ein ſchreklicher Zuſtand wartete ſeiner dan? Mit- ten auf den Ozean getrieben zu werden, in einem kleinen unſichern Nachen, und nur auf einige Tage Lebensmittel zu haben. Kan auch etwas Fuͤrchterlicheres erdacht werden? Aber hier zeigt' es ſich recht ſichtbarlich, was fuͤr ein unausſprechlicher großer Schaz eine wah- re Froͤmmigkeit und ein gutes Gewiſſen in Noth und Ungluͤk ſind! Haͤtte Robinſon dieſe nicht gehabt: wie haͤtt' er die uͤberwaͤltigende Laſt die- ſer neuen Leiden ertragen koͤnnen? Er wuͤrde in Verzweiflung gerathen ſein und ſeinem gequaͤl- ten Leben ein Ende gemacht haben, um dem langſamen und ſchreklichen Tode des Hungers zu entgehen. Sein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/166
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/166>, abgerufen am 02.05.2024.