Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Wunden unsers Herzens, die sie zu unserm Be-
sten schlug, und die wir in der Empfindung des
Schmerzens für unheilbar hielten, oft in einem
einzigen Augenblikke durch den Balsam unver-
hofter Freuden ganzlich wieder zu heilen! Ob
übrigens Robinson im Genuß dieser neuen
Gottesgaben auch an den Geber derselben mit
Lieb' und Dankbarkeit gedacht habe, brauch ich
euch wohl nicht erst zu sagen.

Nach der Mahlzeit lagert' er sich in seinem
Gedankenwinkel, um über die glükliche Verän-
derung seines Zustandes ernsthafte Betrachtun-
gen anzustellen. Alles hatte nun eine andere,
viel angenehmere Gestalt für ihn gewonnen.
Sein Leben war nun nicht mehr einsam; er hat-
te einen Geselschafter, mit dem er jezt zwar
noch nicht reden konte, aber dessen bloße Gesel-
schaft ihm doch schon jezt zum Troste und zur
Hülfe gereichte; er hatte wieder Feuer und der
wohlschmekkenden und gesunden Nahrungsmit-
tel genug, um die Bedürfnisse des Gaums und
des Magens hinlänglich befriedigen zu können.
"Was kan dich, dacht' er, nun noch hindern,

ver-

Wunden unſers Herzens, die ſie zu unſerm Be-
ſten ſchlug, und die wir in der Empfindung des
Schmerzens fuͤr unheilbar hielten, oft in einem
einzigen Augenblikke durch den Balſam unver-
hofter Freuden ganzlich wieder zu heilen! Ob
uͤbrigens Robinſon im Genuß dieſer neuen
Gottesgaben auch an den Geber derſelben mit
Lieb' und Dankbarkeit gedacht habe, brauch ich
euch wohl nicht erſt zu ſagen.

Nach der Mahlzeit lagert' er ſich in ſeinem
Gedankenwinkel, um uͤber die gluͤkliche Veraͤn-
derung ſeines Zuſtandes ernſthafte Betrachtun-
gen anzuſtellen. Alles hatte nun eine andere,
viel angenehmere Geſtalt fuͤr ihn gewonnen.
Sein Leben war nun nicht mehr einſam; er hat-
te einen Geſelſchafter, mit dem er jezt zwar
noch nicht reden konte, aber deſſen bloße Geſel-
ſchaft ihm doch ſchon jezt zum Troſte und zur
Huͤlfe gereichte; er hatte wieder Feuer und der
wohlſchmekkenden und geſunden Nahrungsmit-
tel genug, um die Beduͤrfniſſe des Gaums und
des Magens hinlaͤnglich befriedigen zu koͤnnen.
„Was kan dich, dacht' er, nun noch hindern,

ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0116" n="110"/>
Wunden un&#x017F;ers Herzens, die &#x017F;ie zu un&#x017F;erm Be-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;chlug, und die wir in der Empfindung des<lb/>
Schmerzens fu&#x0364;r unheilbar hielten, oft in einem<lb/>
einzigen Augenblikke durch den Bal&#x017F;am unver-<lb/>
hofter Freuden ganzlich wieder zu heilen! Ob<lb/>
u&#x0364;brigens <hi rendition="#fr">Robin&#x017F;on</hi> im Genuß die&#x017F;er neuen<lb/>
Gottesgaben auch an den Geber der&#x017F;elben mit<lb/>
Lieb' und Dankbarkeit gedacht habe, brauch ich<lb/>
euch wohl nicht er&#x017F;t zu &#x017F;agen.</p><lb/>
          <p>Nach der Mahlzeit lagert' er &#x017F;ich in &#x017F;einem<lb/>
Gedankenwinkel, um u&#x0364;ber die glu&#x0364;kliche Vera&#x0364;n-<lb/>
derung &#x017F;eines Zu&#x017F;tandes ern&#x017F;thafte Betrachtun-<lb/>
gen anzu&#x017F;tellen. Alles hatte nun eine andere,<lb/>
viel angenehmere Ge&#x017F;talt fu&#x0364;r ihn gewonnen.<lb/>
Sein Leben war nun nicht mehr ein&#x017F;am; er hat-<lb/>
te einen Ge&#x017F;el&#x017F;chafter, mit dem er jezt zwar<lb/>
noch nicht reden konte, aber de&#x017F;&#x017F;en bloße Ge&#x017F;el-<lb/>
&#x017F;chaft ihm doch &#x017F;chon jezt zum Tro&#x017F;te und zur<lb/>
Hu&#x0364;lfe gereichte; er hatte wieder Feuer und der<lb/>
wohl&#x017F;chmekkenden und ge&#x017F;unden Nahrungsmit-<lb/>
tel genug, um die Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e des Gaums und<lb/>
des Magens hinla&#x0364;nglich befriedigen zu ko&#x0364;nnen.<lb/>
&#x201E;Was kan dich, dacht' er, nun noch hindern,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0116] Wunden unſers Herzens, die ſie zu unſerm Be- ſten ſchlug, und die wir in der Empfindung des Schmerzens fuͤr unheilbar hielten, oft in einem einzigen Augenblikke durch den Balſam unver- hofter Freuden ganzlich wieder zu heilen! Ob uͤbrigens Robinſon im Genuß dieſer neuen Gottesgaben auch an den Geber derſelben mit Lieb' und Dankbarkeit gedacht habe, brauch ich euch wohl nicht erſt zu ſagen. Nach der Mahlzeit lagert' er ſich in ſeinem Gedankenwinkel, um uͤber die gluͤkliche Veraͤn- derung ſeines Zuſtandes ernſthafte Betrachtun- gen anzuſtellen. Alles hatte nun eine andere, viel angenehmere Geſtalt fuͤr ihn gewonnen. Sein Leben war nun nicht mehr einſam; er hat- te einen Geſelſchafter, mit dem er jezt zwar noch nicht reden konte, aber deſſen bloße Geſel- ſchaft ihm doch ſchon jezt zum Troſte und zur Huͤlfe gereichte; er hatte wieder Feuer und der wohlſchmekkenden und geſunden Nahrungsmit- tel genug, um die Beduͤrfniſſe des Gaums und des Magens hinlaͤnglich befriedigen zu koͤnnen. „Was kan dich, dacht' er, nun noch hindern, ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/116
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/116>, abgerufen am 04.05.2024.