Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

hielt, daß er in Leidenschaft gerieth und, von Un-
willen entbrandt, sich gar nicht einfallen ließ, daß
Freitag doch wohl unschuldig sein könte. --
Nein! so weit muß unser Mistrauen gegen an-
dere Menschen niemahls gehen, wenn wir nicht
die gewissesten Beweise ihrer Untreue in Händen
haben. In zweifelhaften Fällen muß
man von Andern immer das Beste, nie
das Schlimste, vermuthen.

Vater. Eine gute Regel! Merkt sie euch,
Kinder, und richtet euch darnach. --

Nun, unser Robinson war, wie gesagt,
vor Freuden ausser sich, da er seinen Argwohn
zernichtet und sich nun auf einmahl wieder im
Besiz des so lange entbehrten und so sehnlich ge-
wünschten Feuers sahe. Lange weidete er seine
Augen an den auflodernden Flammen und konte
sich nicht sat daran sehen. Endlich nahm er ei-
nen glühenden Feuerbrand und lief damit, von
Freitag begleitet, nach seiner Wohnung.

Hier macht' er augenbliklich ein helles Feuer
in seiner Küche an, legte einige Kartoffeln dazu
und flog darauf, wie der Wind, nach seiner

Heerde,

hielt, daß er in Leidenſchaft gerieth und, von Un-
willen entbrandt, ſich gar nicht einfallen ließ, daß
Freitag doch wohl unſchuldig ſein koͤnte. —
Nein! ſo weit muß unſer Mistrauen gegen an-
dere Menſchen niemahls gehen, wenn wir nicht
die gewiſſeſten Beweiſe ihrer Untreue in Haͤnden
haben. In zweifelhaften Faͤllen muß
man von Andern immer das Beſte, nie
das Schlimſte, vermuthen.

Vater. Eine gute Regel! Merkt ſie euch,
Kinder, und richtet euch darnach. —

Nun, unſer Robinſon war, wie geſagt,
vor Freuden auſſer ſich, da er ſeinen Argwohn
zernichtet und ſich nun auf einmahl wieder im
Beſiz des ſo lange entbehrten und ſo ſehnlich ge-
wuͤnſchten Feuers ſahe. Lange weidete er ſeine
Augen an den auflodernden Flammen und konte
ſich nicht ſat daran ſehen. Endlich nahm er ei-
nen gluͤhenden Feuerbrand und lief damit, von
Freitag begleitet, nach ſeiner Wohnung.

Hier macht' er augenbliklich ein helles Feuer
in ſeiner Kuͤche an, legte einige Kartoffeln dazu
und flog darauf, wie der Wind, nach ſeiner

Heerde,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="100"/>
hielt, daß er in Leiden&#x017F;chaft gerieth und, von Un-<lb/>
willen entbrandt, &#x017F;ich gar nicht einfallen ließ, daß<lb/><hi rendition="#fr">Freitag</hi> doch wohl un&#x017F;chuldig &#x017F;ein ko&#x0364;nte. &#x2014;<lb/>
Nein! &#x017F;o weit muß un&#x017F;er Mistrauen gegen an-<lb/>
dere Men&#x017F;chen niemahls gehen, wenn wir nicht<lb/>
die gewi&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Bewei&#x017F;e ihrer Untreue in Ha&#x0364;nden<lb/>
haben. <hi rendition="#fr">In zweifelhaften Fa&#x0364;llen muß<lb/>
man von Andern immer das Be&#x017F;te, nie<lb/>
das Schlim&#x017F;te, vermuthen.</hi></p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Vater.</hi> Eine gute Regel! Merkt &#x017F;ie euch,<lb/>
Kinder, und richtet euch darnach. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Nun, un&#x017F;er <hi rendition="#fr">Robin&#x017F;on</hi> war, wie ge&#x017F;agt,<lb/>
vor Freuden au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich, da er &#x017F;einen Argwohn<lb/>
zernichtet und &#x017F;ich nun auf einmahl wieder im<lb/>
Be&#x017F;iz des &#x017F;o lange entbehrten und &#x017F;o &#x017F;ehnlich ge-<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chten Feuers &#x017F;ahe. Lange weidete er &#x017F;eine<lb/>
Augen an den auflodernden Flammen und konte<lb/>
&#x017F;ich nicht &#x017F;at daran &#x017F;ehen. Endlich nahm er ei-<lb/>
nen glu&#x0364;henden Feuerbrand und lief damit, von<lb/><hi rendition="#fr">Freitag</hi> begleitet, nach &#x017F;einer Wohnung.</p><lb/>
          <p>Hier macht' er augenbliklich ein helles Feuer<lb/>
in &#x017F;einer Ku&#x0364;che an, legte einige Kartoffeln dazu<lb/>
und flog darauf, wie der Wind, nach &#x017F;einer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Heerde,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0106] hielt, daß er in Leidenſchaft gerieth und, von Un- willen entbrandt, ſich gar nicht einfallen ließ, daß Freitag doch wohl unſchuldig ſein koͤnte. — Nein! ſo weit muß unſer Mistrauen gegen an- dere Menſchen niemahls gehen, wenn wir nicht die gewiſſeſten Beweiſe ihrer Untreue in Haͤnden haben. In zweifelhaften Faͤllen muß man von Andern immer das Beſte, nie das Schlimſte, vermuthen. Vater. Eine gute Regel! Merkt ſie euch, Kinder, und richtet euch darnach. — Nun, unſer Robinſon war, wie geſagt, vor Freuden auſſer ſich, da er ſeinen Argwohn zernichtet und ſich nun auf einmahl wieder im Beſiz des ſo lange entbehrten und ſo ſehnlich ge- wuͤnſchten Feuers ſahe. Lange weidete er ſeine Augen an den auflodernden Flammen und konte ſich nicht ſat daran ſehen. Endlich nahm er ei- nen gluͤhenden Feuerbrand und lief damit, von Freitag begleitet, nach ſeiner Wohnung. Hier macht' er augenbliklich ein helles Feuer in ſeiner Kuͤche an, legte einige Kartoffeln dazu und flog darauf, wie der Wind, nach ſeiner Heerde,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/106
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/106>, abgerufen am 04.05.2024.