Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

dern. Und nun stand ihm der schreklichste Zu-
stand bevor, in welchen ein Mensch jemahls
gerathen kan.

"Großer Gott, dachte er, was wird aus
mir werden, wenn ich von meinem Lager nicht
mehr aufstehen kan? Wenn keine mitleidige Hand
da ist, die meiner wartet und meinem Un-
vermögen zu Hülfe kömt? Kein Freund, der
mir den Todesschweiß abwischt und mir irgend
ein Labsal reicht? -- Gott! Gott! was wird
aus mir werden?"

Er sank, von tiefer Selenangst überwälti-
get, mit diesen Worten ohnmächtig zu Boden.

War ihm nun jemahls ein festes kindliches
Vertrauen auf Gott, den algegenwärtigen
und alliebenden Vater, nöthig gewesen; so war
es jezt. Aller menschlichen Hülfe beraubt,
von seinen eigenen Kräften verlassen: was
blieb ihm nun noch übrig, wenn er in seinem
Elende nicht untergehen solte? Gott, Gott
allein; sonst niemand auf der ganzen Welt.

Er lag und rang mit Todesangst. Seine
Hände waren fest in einander geklammert;
und unfähig zu reden, unfähig zu denken,
heftete er seine starren Blikke an den Him-
mel. Gott! Gott! Erbarmung! -- Dies
war Alles, was er mit tiefen Seufzern von
Zeit zu Zeit hervorzubringen vermogte.

Aber

dern. Und nun ſtand ihm der ſchreklichſte Zu-
ſtand bevor, in welchen ein Menſch jemahls
gerathen kan.

„Großer Gott, dachte er, was wird aus
mir werden, wenn ich von meinem Lager nicht
mehr aufſtehen kan? Wenn keine mitleidige Hand
da iſt, die meiner wartet und meinem Un-
vermoͤgen zu Huͤlfe koͤmt? Kein Freund, der
mir den Todesſchweiß abwiſcht und mir irgend
ein Labſal reicht? — Gott! Gott! was wird
aus mir werden?„

Er ſank, von tiefer Selenangſt uͤberwaͤlti-
get, mit dieſen Worten ohnmaͤchtig zu Boden.

War ihm nun jemahls ein feſtes kindliches
Vertrauen auf Gott, den algegenwaͤrtigen
und alliebenden Vater, noͤthig geweſen; ſo war
es jezt. Aller menſchlichen Huͤlfe beraubt,
von ſeinen eigenen Kraͤften verlaſſen: was
blieb ihm nun noch uͤbrig, wenn er in ſeinem
Elende nicht untergehen ſolte? Gott, Gott
allein; ſonſt niemand auf der ganzen Welt.

Er lag und rang mit Todesangſt. Seine
Haͤnde waren feſt in einander geklammert;
und unfaͤhig zu reden, unfaͤhig zu denken,
heftete er ſeine ſtarren Blikke an den Him-
mel. Gott! Gott! Erbarmung! — Dies
war Alles, was er mit tiefen Seufzern von
Zeit zu Zeit hervorzubringen vermogte.

Aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0325" n="283"/>
dern. Und nun &#x017F;tand ihm der &#x017F;chreklich&#x017F;te Zu-<lb/>
&#x017F;tand bevor, in welchen ein Men&#x017F;ch jemahls<lb/>
gerathen kan.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Großer Gott, dachte er, was wird aus<lb/>
mir werden, wenn ich von meinem Lager nicht<lb/>
mehr auf&#x017F;tehen kan? Wenn keine mitleidige Hand<lb/>
da i&#x017F;t, die meiner wartet und meinem Un-<lb/>
vermo&#x0364;gen zu Hu&#x0364;lfe ko&#x0364;mt? Kein Freund, der<lb/>
mir den Todes&#x017F;chweiß abwi&#x017F;cht und mir irgend<lb/>
ein Lab&#x017F;al reicht? &#x2014; Gott! Gott! was wird<lb/>
aus mir werden?&#x201E;</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;ank, von tiefer Selenang&#x017F;t u&#x0364;berwa&#x0364;lti-<lb/>
get, mit die&#x017F;en Worten ohnma&#x0364;chtig zu Boden.</p><lb/>
          <p>War ihm nun jemahls ein fe&#x017F;tes kindliches<lb/>
Vertrauen auf Gott, den algegenwa&#x0364;rtigen<lb/>
und alliebenden Vater, no&#x0364;thig gewe&#x017F;en; &#x017F;o war<lb/>
es jezt. Aller men&#x017F;chlichen Hu&#x0364;lfe beraubt,<lb/>
von &#x017F;einen eigenen Kra&#x0364;ften verla&#x017F;&#x017F;en: was<lb/>
blieb ihm nun noch u&#x0364;brig, wenn er in &#x017F;einem<lb/>
Elende nicht untergehen &#x017F;olte? Gott, Gott<lb/>
allein; &#x017F;on&#x017F;t niemand auf der ganzen Welt.</p><lb/>
          <p>Er lag und rang mit Todesang&#x017F;t. Seine<lb/>
Ha&#x0364;nde waren fe&#x017F;t in einander geklammert;<lb/>
und unfa&#x0364;hig zu reden, unfa&#x0364;hig zu denken,<lb/>
heftete er &#x017F;eine &#x017F;tarren Blikke an den Him-<lb/>
mel. Gott! Gott! Erbarmung! &#x2014; Dies<lb/>
war Alles, was er mit tiefen Seufzern von<lb/>
Zeit zu Zeit hervorzubringen vermogte.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Aber</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0325] dern. Und nun ſtand ihm der ſchreklichſte Zu- ſtand bevor, in welchen ein Menſch jemahls gerathen kan. „Großer Gott, dachte er, was wird aus mir werden, wenn ich von meinem Lager nicht mehr aufſtehen kan? Wenn keine mitleidige Hand da iſt, die meiner wartet und meinem Un- vermoͤgen zu Huͤlfe koͤmt? Kein Freund, der mir den Todesſchweiß abwiſcht und mir irgend ein Labſal reicht? — Gott! Gott! was wird aus mir werden?„ Er ſank, von tiefer Selenangſt uͤberwaͤlti- get, mit dieſen Worten ohnmaͤchtig zu Boden. War ihm nun jemahls ein feſtes kindliches Vertrauen auf Gott, den algegenwaͤrtigen und alliebenden Vater, noͤthig geweſen; ſo war es jezt. Aller menſchlichen Huͤlfe beraubt, von ſeinen eigenen Kraͤften verlaſſen: was blieb ihm nun noch uͤbrig, wenn er in ſeinem Elende nicht untergehen ſolte? Gott, Gott allein; ſonſt niemand auf der ganzen Welt. Er lag und rang mit Todesangſt. Seine Haͤnde waren feſt in einander geklammert; und unfaͤhig zu reden, unfaͤhig zu denken, heftete er ſeine ſtarren Blikke an den Him- mel. Gott! Gott! Erbarmung! — Dies war Alles, was er mit tiefen Seufzern von Zeit zu Zeit hervorzubringen vermogte. Aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/325
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/325>, abgerufen am 19.04.2024.