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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779.

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Aber diese rauhe Jahrszeit wolte noch im-
mer nicht kommen, ohngeachtet der Oktober
schon zu Ende ging. Stat dessen fing es an
zu regnen, und zwar so unaufhörlich zu reg-
nen, als wenn die Luft in Wasser wäre ver-
wandelt worden. Robinson wußte gar nicht,
was er davon denken solte. Schon vierzehn
Tage hindurch hatte er keinen Fuß weiter aus
seiner Wohnung sezen können, als nach dem
Keller, nach dem Heuschober, und nach dem
Brunnen, um für sich und seine Lama's Le-
bensmittel und Wasser zu holen. Die übrige
Zeit mußte er, wie ein Gefangener, zubrin-
gen.

Ach! wie langsam verstrich ihm da die
Zeit! Nichts zu thun zu haben, und ganz
allein zu sein -- Kinder, was das für ein Lei-
den sei, davon habt ihr noch gar keine Vor-
stellung! Hätte ihm jemand ein Buch oder
Papier, Dinte und Feder schaffen können,
gern hätte er für jedes Blatt einen Tag sei-
nes Lebens hingegeben. O, seufzte er oft,
was war ich doch in meiner Jugend für ein

Thor,

Aber dieſe rauhe Jahrszeit wolte noch im-
mer nicht kommen, ohngeachtet der Oktober
ſchon zu Ende ging. Stat deſſen fing es an
zu regnen, und zwar ſo unaufhoͤrlich zu reg-
nen, als wenn die Luft in Waſſer waͤre ver-
wandelt worden. Robinſon wußte gar nicht,
was er davon denken ſolte. Schon vierzehn
Tage hindurch hatte er keinen Fuß weiter aus
ſeiner Wohnung ſezen koͤnnen, als nach dem
Keller, nach dem Heuſchober, und nach dem
Brunnen, um fuͤr ſich und ſeine Lama's Le-
bensmittel und Waſſer zu holen. Die uͤbrige
Zeit mußte er, wie ein Gefangener, zubrin-
gen.

Ach! wie langſam verſtrich ihm da die
Zeit! Nichts zu thun zu haben, und ganz
allein zu ſein — Kinder, was das fuͤr ein Lei-
den ſei, davon habt ihr noch gar keine Vor-
ſtellung! Haͤtte ihm jemand ein Buch oder
Papier, Dinte und Feder ſchaffen koͤnnen,
gern haͤtte er fuͤr jedes Blatt einen Tag ſei-
nes Lebens hingegeben. O, ſeufzte er oft,
was war ich doch in meiner Jugend fuͤr ein

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[251/0291] Aber dieſe rauhe Jahrszeit wolte noch im- mer nicht kommen, ohngeachtet der Oktober ſchon zu Ende ging. Stat deſſen fing es an zu regnen, und zwar ſo unaufhoͤrlich zu reg- nen, als wenn die Luft in Waſſer waͤre ver- wandelt worden. Robinſon wußte gar nicht, was er davon denken ſolte. Schon vierzehn Tage hindurch hatte er keinen Fuß weiter aus ſeiner Wohnung ſezen koͤnnen, als nach dem Keller, nach dem Heuſchober, und nach dem Brunnen, um fuͤr ſich und ſeine Lama's Le- bensmittel und Waſſer zu holen. Die uͤbrige Zeit mußte er, wie ein Gefangener, zubrin- gen. Ach! wie langſam verſtrich ihm da die Zeit! Nichts zu thun zu haben, und ganz allein zu ſein — Kinder, was das fuͤr ein Lei- den ſei, davon habt ihr noch gar keine Vor- ſtellung! Haͤtte ihm jemand ein Buch oder Papier, Dinte und Feder ſchaffen koͤnnen, gern haͤtte er fuͤr jedes Blatt einen Tag ſei- nes Lebens hingegeben. O, ſeufzte er oft, was war ich doch in meiner Jugend fuͤr ein Thor,

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/291>, abgerufen am 29.03.2024.