Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Von Angst und Beklemmung ermattet
lehnt' er sich an den Baum, von dem er
herabgestiegen war; und seiner gepresten Brust
entfuhren ohn' Unterlaß Seufzer, die mehr
Schrei, als Seufzer, waren. In dieser trostlosen
Stellung verblieb er, bis die Morgenröthe
den neuen Tag verkündigte.

Gotlieb zu Fr. R. Nun sehe ich, daß
Vater doch recht hatte.

Fr. R. Worin?

Gotlieb. Ja, ich meinte neulich, daß
Robinson nun schon ganz gebessert wäre,
und daß ihn der liebe Gott nun wohl von sei-
ner Insel erlösen könte. Da sagte Vater,
daß wüßte der liebe Gott selbst am Besten,
und daß wir das nicht beurtheilen könten.

Fr. R. Und nun?

Gotlieb. Ja, nun sehe ich wohl, daß
er doch noch nicht so viel Vertrauen zu Gott
hat, als er haben solte; und daß der liebe
Gott recht that, daß er ihn noch nicht er-
lösete.

Ni-

Von Angſt und Beklemmung ermattet
lehnt' er ſich an den Baum, von dem er
herabgeſtiegen war; und ſeiner gepreſten Bruſt
entfuhren ohn' Unterlaß Seufzer, die mehr
Schrei, als Seufzer, waren. In dieſer troſtloſen
Stellung verblieb er, bis die Morgenroͤthe
den neuen Tag verkuͤndigte.

Gotlieb zu Fr. R. Nun ſehe ich, daß
Vater doch recht hatte.

Fr. R. Worin?

Gotlieb. Ja, ich meinte neulich, daß
Robinſon nun ſchon ganz gebeſſert waͤre,
und daß ihn der liebe Gott nun wohl von ſei-
ner Inſel erloͤſen koͤnte. Da ſagte Vater,
daß wuͤßte der liebe Gott ſelbſt am Beſten,
und daß wir das nicht beurtheilen koͤnten.

Fr. R. Und nun?

Gotlieb. Ja, nun ſehe ich wohl, daß
er doch noch nicht ſo viel Vertrauen zu Gott
hat, als er haben ſolte; und daß der liebe
Gott recht that, daß er ihn noch nicht er-
loͤſete.

Ni-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0270" n="230"/>
          <p>Von Ang&#x017F;t und Beklemmung ermattet<lb/>
lehnt' er &#x017F;ich an den Baum, von dem er<lb/>
herabge&#x017F;tiegen war; und &#x017F;einer gepre&#x017F;ten Bru&#x017F;t<lb/>
entfuhren ohn' Unterlaß Seufzer, die mehr<lb/>
Schrei, als Seufzer, waren. In die&#x017F;er tro&#x017F;tlo&#x017F;en<lb/>
Stellung verblieb er, bis die Morgenro&#x0364;the<lb/>
den neuen Tag verku&#x0364;ndigte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Gotlieb zu Fr. R.</hi> Nun &#x017F;ehe ich, daß<lb/>
Vater doch recht hatte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Fr. R.</hi> Worin?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Gotlieb.</hi> Ja, ich meinte neulich, daß<lb/><hi rendition="#fr">Robin&#x017F;on</hi> nun &#x017F;chon ganz gebe&#x017F;&#x017F;ert wa&#x0364;re,<lb/>
und daß ihn der liebe Gott nun wohl von &#x017F;ei-<lb/>
ner In&#x017F;el erlo&#x0364;&#x017F;en ko&#x0364;nte. Da &#x017F;agte Vater,<lb/>
daß wu&#x0364;ßte der liebe Gott &#x017F;elb&#x017F;t am Be&#x017F;ten,<lb/>
und daß wir das nicht beurtheilen ko&#x0364;nten.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Fr. R.</hi> Und nun?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Gotlieb.</hi> Ja, nun &#x017F;ehe ich wohl, daß<lb/>
er doch noch nicht &#x017F;o viel Vertrauen zu Gott<lb/>
hat, als er haben &#x017F;olte; und daß der liebe<lb/>
Gott recht that, daß er ihn noch nicht er-<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;ete.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Ni-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0270] Von Angſt und Beklemmung ermattet lehnt' er ſich an den Baum, von dem er herabgeſtiegen war; und ſeiner gepreſten Bruſt entfuhren ohn' Unterlaß Seufzer, die mehr Schrei, als Seufzer, waren. In dieſer troſtloſen Stellung verblieb er, bis die Morgenroͤthe den neuen Tag verkuͤndigte. Gotlieb zu Fr. R. Nun ſehe ich, daß Vater doch recht hatte. Fr. R. Worin? Gotlieb. Ja, ich meinte neulich, daß Robinſon nun ſchon ganz gebeſſert waͤre, und daß ihn der liebe Gott nun wohl von ſei- ner Inſel erloͤſen koͤnte. Da ſagte Vater, daß wuͤßte der liebe Gott ſelbſt am Beſten, und daß wir das nicht beurtheilen koͤnten. Fr. R. Und nun? Gotlieb. Ja, nun ſehe ich wohl, daß er doch noch nicht ſo viel Vertrauen zu Gott hat, als er haben ſolte; und daß der liebe Gott recht that, daß er ihn noch nicht er- loͤſete. Ni-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/270
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/270>, abgerufen am 26.04.2024.