Ohne zu wissen, was er machen solte, stieg er von dem Baume herab. Da er den ganzen vorigen Tag nichts genossen hatte: so fing der Hunger an, ihm entsezlich weh zu thun. Er lief einige tausend Schritte umher: aber Alles, was er fand, waren unfruchtbare Bäume und Gras.
Seine Angst war jezt aufs höchste gestie- gen. "Ich werde vor Hunger sterben müs- sen! " rief er aus und weinte laut gen Him- mel. Indes gab die Noth ihm Muth und Kräfte, längst dem Strande hinzulaufen, um zu sehen, ob er nicht irgendwo etwas Eßbares finden würde.
Aber umsonst! Nichts, als Kampeschen und indianische Weidenbäume, nichts, als Gras und Sand! Mat und ohnmächtig warf er sich mit dem Gesicht auf die Erde, weinte laut, und wünschte, daß er doch lieber mögte ertrunken sein, als nun so jämmerlich vor Hunger sterben zu müssen!
Er hatte schon beschlossen, in dieser trost- losen Lage den langsamen und schreklichen Tod
des
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Ohne zu wiſſen, was er machen ſolte, ſtieg er von dem Baume herab. Da er den ganzen vorigen Tag nichts genoſſen hatte: ſo fing der Hunger an, ihm entſezlich weh zu thun. Er lief einige tauſend Schritte umher: aber Alles, was er fand, waren unfruchtbare Baͤume und Gras.
Seine Angſt war jezt aufs hoͤchſte geſtie- gen. „Ich werde vor Hunger ſterben muͤſ- ſen! „ rief er aus und weinte laut gen Him- mel. Indes gab die Noth ihm Muth und Kraͤfte, laͤngſt dem Strande hinzulaufen, um zu ſehen, ob er nicht irgendwo etwas Eßbares finden wuͤrde.
Aber umſonſt! Nichts, als Kampeſchen und indianiſche Weidenbaͤume, nichts, als Gras und Sand! Mat und ohnmaͤchtig warf er ſich mit dem Geſicht auf die Erde, weinte laut, und wuͤnſchte, daß er doch lieber moͤgte ertrunken ſein, als nun ſo jaͤmmerlich vor Hunger ſterben zu muͤſſen!
Er hatte ſchon beſchloſſen, in dieſer troſt- loſen Lage den langſamen und ſchreklichen Tod
des
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Ohne zu wiſſen, was er machen ſolte,
ſtieg er von dem Baume herab. Da er den
ganzen vorigen Tag nichts genoſſen hatte: ſo
fing der Hunger an, ihm entſezlich weh zu
thun. Er lief einige tauſend Schritte umher:
aber Alles, was er fand, waren unfruchtbare
Baͤume und Gras.
Seine Angſt war jezt aufs hoͤchſte geſtie-
gen. „Ich werde vor Hunger ſterben muͤſ-
ſen! „ rief er aus und weinte laut gen Him-
mel. Indes gab die Noth ihm Muth und
Kraͤfte, laͤngſt dem Strande hinzulaufen, um
zu ſehen, ob er nicht irgendwo etwas Eßbares
finden wuͤrde.
Aber umſonſt! Nichts, als Kampeſchen
und indianiſche Weidenbaͤume, nichts, als
Gras und Sand! Mat und ohnmaͤchtig warf
er ſich mit dem Geſicht auf die Erde, weinte
laut, und wuͤnſchte, daß er doch lieber moͤgte
ertrunken ſein, als nun ſo jaͤmmerlich vor
Hunger ſterben zu muͤſſen!
Er hatte ſchon beſchloſſen, in dieſer troſt-
loſen Lage den langſamen und ſchreklichen Tod
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/109>, abgerufen am 23.11.2024.
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