dacht' er, der wird mich ja auch nicht verhun- gern lassen!
Zwar Hunger spürte er eben nicht, weil die Angst und der Schrekken ihm allen Appe- tit benommen hatten. Aber destomehr sehnte er sich nach Ruhe. Er war so ermattet von Allem, was er gelitten hatte, daß er kaum mehr auf den Füßen stehen konte.
Allein wo solte er nun die Nacht über bleiben? Auf der Erde, und unter freien Him- mel? Aber da könten wilde Menschen oder Thiere kommen und ihn auffressen! Ein Haus, oder eine Hütte, oder eine Höle -- waren nirgends zu sehen. Er stand lange Zeit ganz trostlos und wuste nicht, was er thun solte.
Endlich dachte er, er wolte es, wie die Vögel machen, und sich auf einen Baum se- zen. Er fand auch bald einen, der so dikke Aeste hatte, daß er bequem darauf sizen, und mit den Rükken sich anlegen konte. Auf die- sen kletterte er hinauf, verrichtete ein andäch- tiges Gebeth zu Gott, sezte sich dan zurecht, und schlief augenbliklich ein.
Im
dacht' er, der wird mich ja auch nicht verhun- gern laſſen!
Zwar Hunger ſpuͤrte er eben nicht, weil die Angſt und der Schrekken ihm allen Appe- tit benommen hatten. Aber deſtomehr ſehnte er ſich nach Ruhe. Er war ſo ermattet von Allem, was er gelitten hatte, daß er kaum mehr auf den Fuͤßen ſtehen konte.
Allein wo ſolte er nun die Nacht uͤber bleiben? Auf der Erde, und unter freien Him- mel? Aber da koͤnten wilde Menſchen oder Thiere kommen und ihn auffreſſen! Ein Haus, oder eine Huͤtte, oder eine Hoͤle — waren nirgends zu ſehen. Er ſtand lange Zeit ganz troſtlos und wuſte nicht, was er thun ſolte.
Endlich dachte er, er wolte es, wie die Voͤgel machen, und ſich auf einen Baum ſe- zen. Er fand auch bald einen, der ſo dikke Aeſte hatte, daß er bequem darauf ſizen, und mit den Ruͤkken ſich anlegen konte. Auf die- ſen kletterte er hinauf, verrichtete ein andaͤch- tiges Gebeth zu Gott, ſezte ſich dan zurecht, und ſchlief augenbliklich ein.
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dacht' er, der wird mich ja auch nicht verhun-
gern laſſen!
Zwar Hunger ſpuͤrte er eben nicht, weil
die Angſt und der Schrekken ihm allen Appe-
tit benommen hatten. Aber deſtomehr ſehnte
er ſich nach Ruhe. Er war ſo ermattet von
Allem, was er gelitten hatte, daß er kaum
mehr auf den Fuͤßen ſtehen konte.
Allein wo ſolte er nun die Nacht uͤber
bleiben? Auf der Erde, und unter freien Him-
mel? Aber da koͤnten wilde Menſchen oder
Thiere kommen und ihn auffreſſen! Ein Haus,
oder eine Huͤtte, oder eine Hoͤle — waren
nirgends zu ſehen. Er ſtand lange Zeit ganz
troſtlos und wuſte nicht, was er thun ſolte.
Endlich dachte er, er wolte es, wie die
Voͤgel machen, und ſich auf einen Baum ſe-
zen. Er fand auch bald einen, der ſo dikke
Aeſte hatte, daß er bequem darauf ſizen, und
mit den Ruͤkken ſich anlegen konte. Auf die-
ſen kletterte er hinauf, verrichtete ein andaͤch-
tiges Gebeth zu Gott, ſezte ſich dan zurecht,
und ſchlief augenbliklich ein.
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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 1. Hamburg, 1779, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson01_1779/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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