Busoni, Ferruccio: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. 2. Aufl. Leipzig, [1916].zögernde Ansatz des Hornes, die befangene Kurzatmigkeit Vielleicht, daß noch nicht alle Möglichkeiten innerhalb Ich meine, zum abstrakten Klange, zur hindernislosen Der zum Schaffen Geborene wird zuerst die negative, zögernde Ansatz des Hornes, die befangene Kurzatmigkeit Vielleicht, daß noch nicht alle Möglichkeiten innerhalb Ich meine, zum abstrakten Klange, zur hindernislosen Der zum Schaffen Geborene wird zuerst die negative, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0035" n="35"/> zögernde Ansatz des Hornes, die befangene Kurzatmigkeit<lb/> der Oboe, die prahlhafte Geläufigkeit der Klarinette; der-<lb/> art, daß in einem neuen und selbständigeren Werke notge-<lb/> drungen immer wieder dasselbe Klangbild sich zusammen-<lb/> formt und daß der unabhängigste Komponist in all dieses<lb/> Unabänderliche hinein- und hinabgezogen wird.</p><lb/> <p>Vielleicht, daß noch nicht alle Möglichkeiten innerhalb<lb/> dieser Grenzen ausgebeutet wurden – die polyphone Har-<lb/> monik dürfte noch manches Klangphänomen erzeugen<lb/> können –, aber die Erschöpftheit wartet sicher am Ende einer<lb/> Bahn, deren längste Strecke bereits zurückgelegt ist. Wo-<lb/> hin wenden wir dann unseren Blick, nach welcher Richtung<lb/> führt der nächste Schritt?</p><lb/> <p>Ich meine, zum abstrakten Klange, zur hindernislosen<lb/> Technik, zur tonlichen Unabgegrenztheit. Dahin müssen alle<lb/> Bemühungen zielen, daß ein neuer Anfang jungfräulich<lb/> erstehe.</p><lb/> <p>Der zum Schaffen Geborene wird zuerst die negative,<lb/> die verantwortlich-große Aufgabe haben, von allem Gelern-<lb/> ten, Gehörten und Scheinbar-Musikalischen sich zu befreien;<lb/> um, nach der vollendeten Räumung, eine inbrünstig-asze-<lb/> tische Gesammeltheit in sich zu beschwören, die ihn befähigt,<lb/> den inneren Klang zu erlauschen und zur weiteren Stufe<lb/> zu gelangen, diesen auch den Menschen mitzuteilen. Diesen<lb/><persName>Giotto</persName> eines musikalischen Rinascimento wird die Weihe<lb/> der legendarischen Persönlichkeit krönen. Der ersten Offen-<lb/> barung wird sodann eine Epoche religiöser Musikgeschäftig-<lb/> keit folgen, daran kein Zunftwesen einen Teil haben kann, in-<lb/> sofern als die Berufenen und Eingeweihten unverkennbar,<lb/> und nur diese die Vollbringenden sein werden. An diesem<lb/> Zeitpunkt leuchtet die vollste Blüte, vielleicht die erste in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
zögernde Ansatz des Hornes, die befangene Kurzatmigkeit
der Oboe, die prahlhafte Geläufigkeit der Klarinette; der-
art, daß in einem neuen und selbständigeren Werke notge-
drungen immer wieder dasselbe Klangbild sich zusammen-
formt und daß der unabhängigste Komponist in all dieses
Unabänderliche hinein- und hinabgezogen wird.
Vielleicht, daß noch nicht alle Möglichkeiten innerhalb
dieser Grenzen ausgebeutet wurden – die polyphone Har-
monik dürfte noch manches Klangphänomen erzeugen
können –, aber die Erschöpftheit wartet sicher am Ende einer
Bahn, deren längste Strecke bereits zurückgelegt ist. Wo-
hin wenden wir dann unseren Blick, nach welcher Richtung
führt der nächste Schritt?
Ich meine, zum abstrakten Klange, zur hindernislosen
Technik, zur tonlichen Unabgegrenztheit. Dahin müssen alle
Bemühungen zielen, daß ein neuer Anfang jungfräulich
erstehe.
Der zum Schaffen Geborene wird zuerst die negative,
die verantwortlich-große Aufgabe haben, von allem Gelern-
ten, Gehörten und Scheinbar-Musikalischen sich zu befreien;
um, nach der vollendeten Räumung, eine inbrünstig-asze-
tische Gesammeltheit in sich zu beschwören, die ihn befähigt,
den inneren Klang zu erlauschen und zur weiteren Stufe
zu gelangen, diesen auch den Menschen mitzuteilen. Diesen
Giotto eines musikalischen Rinascimento wird die Weihe
der legendarischen Persönlichkeit krönen. Der ersten Offen-
barung wird sodann eine Epoche religiöser Musikgeschäftig-
keit folgen, daran kein Zunftwesen einen Teil haben kann, in-
sofern als die Berufenen und Eingeweihten unverkennbar,
und nur diese die Vollbringenden sein werden. An diesem
Zeitpunkt leuchtet die vollste Blüte, vielleicht die erste in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften, herausgegeben von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Humboldt-Universität zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2019-05-15T13:49:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Schaper, Maximilian Furthmüller, Theresa Menard, Vanda Hehr, Clemens Gubsch, Claudio Fuchs, Jupp Wegner, David Mews, Ullrich Scheideler: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2019-05-27T13:49:52Z)
Benjamin Fiechter: Konvertierung ins DTA-Basisformat
(2019-05-27T13:49:52Z)
Weitere Informationen:Textgrundlage von 1906 von Busoni hauptsächlich 1914 überarbeitet. Gedruckt 1916 in Altenburg; erschienen im Insel-Verlag zu Leipzig als Nr. 202 der Insel-Bücherei. Die Transkription erfolgte nach den unter https://www.busoni-nachlass.org/de/Projekt/E1000003.html, http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien. Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |