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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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lassen (§§. 8, 9). Der Anstifter würde in diesem Falle nur
einen Theil des verbrecherischen Entschlusses und somit auch
nur einen Theil der That des physischen Urhebers verursacht
haben, darum aber schon wegen seiner bloßen Mitwirksamkeit
für Entschluß und That für das Ganze verantwortlich sein.
Daher ist es nicht verständlich, warum Geyer den alten
Begriff, daß der Anstifter den physischen Urheber durchaus
bestimmt
haben müsse, wenn ihm dessen That zur Last
gesetzt solle werden können, reproducirt. Uebrigens liegt hier
ein Widerspruch zwischen §. 9 und §. 24 vor. Denn wenn
es in Betreff der Haftbarkeit des theilweisen Anstifters für
den ganzen Erfolg gleichgültig erscheint, ob der physische
Urheber die ergänzenden Motive aus sich selbst oder anders-
woher schöpft, so läßt §. 24 mit Unrecht die Haftbarkeit des
Mitanstifters für den ganzen Erfolg nur dann begründet
werden, wenn der Mitanstifter A Kenntniß von der hinzu-
tretenden mitanstiftenden Thätigkeit des B hatte. Richtig
allerdings ist nur §. 24. Der §. 9 beruht auf der, wie
ausgeführt, zu weit gehenden Ansicht, daß schon die bloße
Mitwirksamkeit für den gewollten Erfolg die subjective Ver-
antwortlichkeit für denselben nach sich ziehe, einerlei ob die
übrigen mitwirksam gewesenen Kräfte vorausgesehen gewesen
waren oder nicht.

Weiter wird Geyer durch seine unerwiesene Voraus-
setzung, daß der Anstifter dolose einen dolosen Thäter
bestimmt haben müsse, zu der Behauptung geführt, es gäbe
keine versuchte und keine culpose Anstiftung. Freilich nicht,
wenn man an dem Begriffe der Anstiftung festhält. Wohl
aber, im Falle man, was ja von G. selbst geschieht, davon
ausgeht, daß der Anstifter das Verbrechen wolle, und seine
intellectuelle Thätigkeit eine Mitwirksamkeit für dasselbe ent-
halte, man also den Anstiftungsbegriff fallen läßt und lediglich

laſſen (§§. 8, 9). Der Anſtifter würde in dieſem Falle nur
einen Theil des verbrecheriſchen Entſchluſſes und ſomit auch
nur einen Theil der That des phyſiſchen Urhebers verurſacht
haben, darum aber ſchon wegen ſeiner bloßen Mitwirkſamkeit
für Entſchluß und That für das Ganze verantwortlich ſein.
Daher iſt es nicht verſtändlich, warum Geyer den alten
Begriff, daß der Anſtifter den phyſiſchen Urheber durchaus
beſtimmt
haben müſſe, wenn ihm deſſen That zur Laſt
geſetzt ſolle werden können, reproducirt. Uebrigens liegt hier
ein Widerſpruch zwiſchen §. 9 und §. 24 vor. Denn wenn
es in Betreff der Haftbarkeit des theilweiſen Anſtifters für
den ganzen Erfolg gleichgültig erſcheint, ob der phyſiſche
Urheber die ergänzenden Motive aus ſich ſelbſt oder anders-
woher ſchöpft, ſo läßt §. 24 mit Unrecht die Haftbarkeit des
Mitanſtifters für den ganzen Erfolg nur dann begründet
werden, wenn der Mitanſtifter A Kenntniß von der hinzu-
tretenden mitanſtiftenden Thätigkeit des B hatte. Richtig
allerdings iſt nur §. 24. Der §. 9 beruht auf der, wie
ausgeführt, zu weit gehenden Anſicht, daß ſchon die bloße
Mitwirkſamkeit für den gewollten Erfolg die ſubjective Ver-
antwortlichkeit für denſelben nach ſich ziehe, einerlei ob die
übrigen mitwirkſam geweſenen Kräfte vorausgeſehen geweſen
waren oder nicht.

Weiter wird Geyer durch ſeine unerwieſene Voraus-
ſetzung, daß der Anſtifter doloſe einen doloſen Thäter
beſtimmt haben müſſe, zu der Behauptung geführt, es gäbe
keine verſuchte und keine culpoſe Anſtiftung. Freilich nicht,
wenn man an dem Begriffe der Anſtiftung feſthält. Wohl
aber, im Falle man, was ja von G. ſelbſt geſchieht, davon
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intellectuelle Thätigkeit eine Mitwirkſamkeit für daſſelbe ent-
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[132/0136] laſſen (§§. 8, 9). Der Anſtifter würde in dieſem Falle nur einen Theil des verbrecheriſchen Entſchluſſes und ſomit auch nur einen Theil der That des phyſiſchen Urhebers verurſacht haben, darum aber ſchon wegen ſeiner bloßen Mitwirkſamkeit für Entſchluß und That für das Ganze verantwortlich ſein. Daher iſt es nicht verſtändlich, warum Geyer den alten Begriff, daß der Anſtifter den phyſiſchen Urheber durchaus beſtimmt haben müſſe, wenn ihm deſſen That zur Laſt geſetzt ſolle werden können, reproducirt. Uebrigens liegt hier ein Widerſpruch zwiſchen §. 9 und §. 24 vor. Denn wenn es in Betreff der Haftbarkeit des theilweiſen Anſtifters für den ganzen Erfolg gleichgültig erſcheint, ob der phyſiſche Urheber die ergänzenden Motive aus ſich ſelbſt oder anders- woher ſchöpft, ſo läßt §. 24 mit Unrecht die Haftbarkeit des Mitanſtifters für den ganzen Erfolg nur dann begründet werden, wenn der Mitanſtifter A Kenntniß von der hinzu- tretenden mitanſtiftenden Thätigkeit des B hatte. Richtig allerdings iſt nur §. 24. Der §. 9 beruht auf der, wie ausgeführt, zu weit gehenden Anſicht, daß ſchon die bloße Mitwirkſamkeit für den gewollten Erfolg die ſubjective Ver- antwortlichkeit für denſelben nach ſich ziehe, einerlei ob die übrigen mitwirkſam geweſenen Kräfte vorausgeſehen geweſen waren oder nicht. Weiter wird Geyer durch ſeine unerwieſene Voraus- ſetzung, daß der Anſtifter doloſe einen doloſen Thäter beſtimmt haben müſſe, zu der Behauptung geführt, es gäbe keine verſuchte und keine culpoſe Anſtiftung. Freilich nicht, wenn man an dem Begriffe der Anſtiftung feſthält. Wohl aber, im Falle man, was ja von G. ſelbſt geſchieht, davon ausgeht, daß der Anſtifter das Verbrechen wolle, und ſeine intellectuelle Thätigkeit eine Mitwirkſamkeit für daſſelbe ent- halte, man alſo den Anſtiftungsbegriff fallen läßt und lediglich

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/136>, abgerufen am 09.05.2024.