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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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sondern überhaupt nicht. Denn der Gehülfe will ja mit der
fraglichen Handlung eine Mitwirkung äußern, und es kann
ihm darum deren Effect nicht zur Fahrlässigkeit zugerechnet
werden. Hatte er nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit voraus-
gesehen, daß seine Thätigkeit auch ohne Hinzutritt der
urheberischen Thätigkeit zum Erfolge hinführen werde, so
haftet er nur für Versuch, andernfalls für dolose Vollendung
-- natürlich als Gehülfe. -- G. meint, wer die Haupt-
handlung nicht mit dem Bewußtsein begehe, daß sie es sei,
könne nicht als doloser Thäter erscheinen -- mithin aber
auch Der nicht, welcher mit zwei Dosen vergiften wollte,
jedoch schon mit der ersten Dosis den Tod herbeigeführt
hat. -- Kann der Gehülfe ohne Verlust seiner Qualität die
Haupthandlung begehen, wenn er sie als solche nicht erkannt
hat, so muß man auch annehmen, daß Derjenige, welcher
seine Nebenhandlung für die Haupthandlung gehalten hat,
als Urheber zu betrachten sei. Diese wichtigste Combination
hätte G. nicht unberücksichtigt lassen sollen.

Noch schlimmer gestaltet sich der Begriff der Mitthäter-
schaft. G. geht hier (§. 38) von der Theilbarkeit des
Erfolgs aus und läßt die einzelnen Thatantheile sich durch
Mitschuld auf den Einzelnen zusammenhäufen. Sein Begriff
der Mitschuld ist jedoch ein anderer wie bei Schütze. Er
fordert hierfür nicht ein der gegenseitig bewußten gemein-
samen Absicht entspringendes Zusammenwirken der Mehreren,
Mitschuld des Einzelnen mit der Schuld des Andern liegt
vielmehr schon dann vor, wenn auch nur er allein weiß, daß
der Andere, welcher die Haupthandlung ausführt, mit ihm
(objectiv) verbrecherisch zusammenwirke. Denn er habe dann
seine eigene That zugleich wissentlich als Mitwirkung zu der
fremden ausgeführt und hafte darum als Mitthäter auch für
die dolose durch seinen Mitthäter herbeigeführte Vollendung

ſondern überhaupt nicht. Denn der Gehülfe will ja mit der
fraglichen Handlung eine Mitwirkung äußern, und es kann
ihm darum deren Effect nicht zur Fahrläſſigkeit zugerechnet
werden. Hatte er nicht mit einiger Wahrſcheinlichkeit voraus-
geſehen, daß ſeine Thätigkeit auch ohne Hinzutritt der
urheberiſchen Thätigkeit zum Erfolge hinführen werde, ſo
haftet er nur für Verſuch, andernfalls für doloſe Vollendung
— natürlich als Gehülfe. — G. meint, wer die Haupt-
handlung nicht mit dem Bewußtſein begehe, daß ſie es ſei,
könne nicht als doloſer Thäter erſcheinen — mithin aber
auch Der nicht, welcher mit zwei Doſen vergiften wollte,
jedoch ſchon mit der erſten Doſis den Tod herbeigeführt
hat. — Kann der Gehülfe ohne Verluſt ſeiner Qualität die
Haupthandlung begehen, wenn er ſie als ſolche nicht erkannt
hat, ſo muß man auch annehmen, daß Derjenige, welcher
ſeine Nebenhandlung für die Haupthandlung gehalten hat,
als Urheber zu betrachten ſei. Dieſe wichtigſte Combination
hätte G. nicht unberückſichtigt laſſen ſollen.

Noch ſchlimmer geſtaltet ſich der Begriff der Mitthäter-
ſchaft. G. geht hier (§. 38) von der Theilbarkeit des
Erfolgs aus und läßt die einzelnen Thatantheile ſich durch
Mitſchuld auf den Einzelnen zuſammenhäufen. Sein Begriff
der Mitſchuld iſt jedoch ein anderer wie bei Schütze. Er
fordert hierfür nicht ein der gegenſeitig bewußten gemein-
ſamen Abſicht entſpringendes Zuſammenwirken der Mehreren,
Mitſchuld des Einzelnen mit der Schuld des Andern liegt
vielmehr ſchon dann vor, wenn auch nur er allein weiß, daß
der Andere, welcher die Haupthandlung ausführt, mit ihm
(objectiv) verbrecheriſch zuſammenwirke. Denn er habe dann
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[119/0123] ſondern überhaupt nicht. Denn der Gehülfe will ja mit der fraglichen Handlung eine Mitwirkung äußern, und es kann ihm darum deren Effect nicht zur Fahrläſſigkeit zugerechnet werden. Hatte er nicht mit einiger Wahrſcheinlichkeit voraus- geſehen, daß ſeine Thätigkeit auch ohne Hinzutritt der urheberiſchen Thätigkeit zum Erfolge hinführen werde, ſo haftet er nur für Verſuch, andernfalls für doloſe Vollendung — natürlich als Gehülfe. — G. meint, wer die Haupt- handlung nicht mit dem Bewußtſein begehe, daß ſie es ſei, könne nicht als doloſer Thäter erſcheinen — mithin aber auch Der nicht, welcher mit zwei Doſen vergiften wollte, jedoch ſchon mit der erſten Doſis den Tod herbeigeführt hat. — Kann der Gehülfe ohne Verluſt ſeiner Qualität die Haupthandlung begehen, wenn er ſie als ſolche nicht erkannt hat, ſo muß man auch annehmen, daß Derjenige, welcher ſeine Nebenhandlung für die Haupthandlung gehalten hat, als Urheber zu betrachten ſei. Dieſe wichtigſte Combination hätte G. nicht unberückſichtigt laſſen ſollen. Noch ſchlimmer geſtaltet ſich der Begriff der Mitthäter- ſchaft. G. geht hier (§. 38) von der Theilbarkeit des Erfolgs aus und läßt die einzelnen Thatantheile ſich durch Mitſchuld auf den Einzelnen zuſammenhäufen. Sein Begriff der Mitſchuld iſt jedoch ein anderer wie bei Schütze. Er fordert hierfür nicht ein der gegenſeitig bewußten gemein- ſamen Abſicht entſpringendes Zuſammenwirken der Mehreren, Mitſchuld des Einzelnen mit der Schuld des Andern liegt vielmehr ſchon dann vor, wenn auch nur er allein weiß, daß der Andere, welcher die Haupthandlung ausführt, mit ihm (objectiv) verbrecheriſch zuſammenwirke. Denn er habe dann ſeine eigene That zugleich wiſſentlich als Mitwirkung zu der fremden ausgeführt und hafte darum als Mitthäter auch für die doloſe durch ſeinen Mitthäter herbeigeführte Vollendung

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/123>, abgerufen am 24.11.2024.