Wunder; das eigene Kloster S. Marco Dominicaner Ordens6. Abschnitt. und dann alle Dominicanerklöster Toscana's werden dessel- ben Sinnes und unternehmen eine freiwillige große Reform. Wenn man weiß, was die Klöster damals waren und wie unendlich schwer die geringste Veränderung bei Mönchen durchzusetzen ist, so wird man doppelt erstaunen über eine völlige Sinnesänderung wie diese. Als die Sache im Gange war, befestigte sie sich dadurch, daß Gleichgesinnte jetzt in bedeutender Zahl Dominicaner wurden. Söhne aus den ersten Häusern traten in S. Marco als Novizen ein.
Diese Reform des Ordens für ein bestimmtes Land war nun der erste Schritt zu einer Nationalkirche, zu welcher es bei längerer Dauer dieses Wesens unfehlbar hätte kom- men müssen. Savonarola selber wollte freilich eine Reform der ganzen Kirche und schickte deßhalb noch gegen Ende seiner Wirksamkeit an alle großen Potentaten dringende Mahnungen, sie möchten ein Concil versammeln. Allein sein Orden und seine Partei waren bereits für Toscana das allein mögliche Organ seines Geistes, das Salz der Erde geworden, während die Nachbargegenden im alten Zustande verharrten. Mehr und mehr baut sich aus Ent- sagung und Phantasie ein Zustand auf, der Florenz zu einem Reiche Gottes auf Erden machen will.
Die Weissagungen, deren theilweises Eintreffen demSeine Weissagungen und Visionen. Savonarola ein übermenschliches Ansehen verlieh, sind der- jenige Punct, auf welchem die allmächtige italienische Phan- tasie auch das bestverwahrte, liebevollste Gemüth bemeisterte. Anfangs meinten die Franciscaner von der Observanz, im Widerschein des Ruhmes, welchen ihnen S. Bernardino da Siena vermacht hatte, sie könnten den großen Domini- caner durch Concurrenz bändigen. Sie verschafften einem der Ihrigen die Domkanzel, und ließen die Unglückspro- phezeiungen Savonarola's durch noch schlimmere überbieten, bis Pietro de' Medici, der damals noch über Florenz herrschte, einstweilen Beiden Ruhe gebot. Bald darauf, als Carl VIII.
Wunder; das eigene Kloſter S. Marco Dominicaner Ordens6. Abſchnitt. und dann alle Dominicanerklöſter Toscana's werden deſſel- ben Sinnes und unternehmen eine freiwillige große Reform. Wenn man weiß, was die Klöſter damals waren und wie unendlich ſchwer die geringſte Veränderung bei Mönchen durchzuſetzen iſt, ſo wird man doppelt erſtaunen über eine völlige Sinnesänderung wie dieſe. Als die Sache im Gange war, befeſtigte ſie ſich dadurch, daß Gleichgeſinnte jetzt in bedeutender Zahl Dominicaner wurden. Söhne aus den erſten Häuſern traten in S. Marco als Novizen ein.
Dieſe Reform des Ordens für ein beſtimmtes Land war nun der erſte Schritt zu einer Nationalkirche, zu welcher es bei längerer Dauer dieſes Weſens unfehlbar hätte kom- men müſſen. Savonarola ſelber wollte freilich eine Reform der ganzen Kirche und ſchickte deßhalb noch gegen Ende ſeiner Wirkſamkeit an alle großen Potentaten dringende Mahnungen, ſie möchten ein Concil verſammeln. Allein ſein Orden und ſeine Partei waren bereits für Toscana das allein mögliche Organ ſeines Geiſtes, das Salz der Erde geworden, während die Nachbargegenden im alten Zuſtande verharrten. Mehr und mehr baut ſich aus Ent- ſagung und Phantaſie ein Zuſtand auf, der Florenz zu einem Reiche Gottes auf Erden machen will.
Die Weiſſagungen, deren theilweiſes Eintreffen demSeine Weiſſagungen und Viſionen. Savonarola ein übermenſchliches Anſehen verlieh, ſind der- jenige Punct, auf welchem die allmächtige italieniſche Phan- taſie auch das beſtverwahrte, liebevollſte Gemüth bemeiſterte. Anfangs meinten die Franciscaner von der Obſervanz, im Widerſchein des Ruhmes, welchen ihnen S. Bernardino da Siena vermacht hatte, ſie könnten den großen Domini- caner durch Concurrenz bändigen. Sie verſchafften einem der Ihrigen die Domkanzel, und ließen die Unglückspro- phezeiungen Savonarola's durch noch ſchlimmere überbieten, bis Pietro de' Medici, der damals noch über Florenz herrſchte, einſtweilen Beiden Ruhe gebot. Bald darauf, als Carl VIII.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0487"n="477"/>
Wunder; das eigene Kloſter S. Marco Dominicaner Ordens<noteplace="right"><hirendition="#b"><hirendition="#u">6. Abſchnitt.</hi></hi></note><lb/>
und dann alle Dominicanerklöſter Toscana's werden deſſel-<lb/>
ben Sinnes und <choice><sic>nnternehmen</sic><corr>unternehmen</corr></choice> eine freiwillige große Reform.<lb/>
Wenn man weiß, was die Klöſter damals waren und wie<lb/>
unendlich ſchwer die geringſte Veränderung bei Mönchen<lb/>
durchzuſetzen iſt, ſo wird man doppelt erſtaunen über eine<lb/>
völlige Sinnesänderung wie dieſe. Als die Sache im<lb/>
Gange war, befeſtigte ſie ſich dadurch, daß Gleichgeſinnte<lb/>
jetzt in bedeutender Zahl Dominicaner wurden. Söhne<lb/>
aus den erſten Häuſern traten in S. Marco als Novizen ein.</p><lb/><p>Dieſe Reform des Ordens für ein beſtimmtes Land<lb/>
war nun der erſte Schritt zu einer Nationalkirche, zu welcher<lb/>
es bei längerer Dauer dieſes Weſens unfehlbar hätte kom-<lb/>
men müſſen. Savonarola ſelber wollte freilich eine Reform<lb/>
der ganzen Kirche und ſchickte deßhalb noch gegen Ende<lb/>ſeiner Wirkſamkeit an alle großen Potentaten dringende<lb/>
Mahnungen, ſie möchten ein Concil verſammeln. Allein<lb/>ſein Orden und ſeine Partei waren bereits für Toscana<lb/>
das allein mögliche Organ ſeines Geiſtes, das Salz der<lb/>
Erde geworden, während die Nachbargegenden im alten<lb/>
Zuſtande verharrten. Mehr und mehr baut ſich aus Ent-<lb/>ſagung und Phantaſie ein Zuſtand auf, der Florenz zu<lb/>
einem Reiche Gottes auf Erden machen will.</p><lb/><p>Die Weiſſagungen, deren theilweiſes Eintreffen dem<noteplace="right">Seine<lb/>
Weiſſagungen<lb/>
und Viſionen.</note><lb/>
Savonarola ein übermenſchliches Anſehen verlieh, ſind der-<lb/>
jenige Punct, auf welchem die allmächtige italieniſche Phan-<lb/>
taſie auch das beſtverwahrte, liebevollſte Gemüth bemeiſterte.<lb/>
Anfangs meinten die Franciscaner von der Obſervanz, im<lb/>
Widerſchein des Ruhmes, welchen ihnen S. Bernardino<lb/>
da Siena vermacht hatte, ſie könnten den großen Domini-<lb/>
caner durch Concurrenz bändigen. Sie verſchafften einem<lb/>
der Ihrigen die Domkanzel, und ließen die Unglückspro-<lb/>
phezeiungen Savonarola's durch noch ſchlimmere überbieten,<lb/>
bis Pietro de' Medici, der damals noch über Florenz herrſchte,<lb/>
einſtweilen Beiden Ruhe gebot. Bald darauf, als Carl <hirendition="#aq">VIII.</hi><lb/></p></div></body></text></TEI>
[477/0487]
Wunder; das eigene Kloſter S. Marco Dominicaner Ordens
und dann alle Dominicanerklöſter Toscana's werden deſſel-
ben Sinnes und unternehmen eine freiwillige große Reform.
Wenn man weiß, was die Klöſter damals waren und wie
unendlich ſchwer die geringſte Veränderung bei Mönchen
durchzuſetzen iſt, ſo wird man doppelt erſtaunen über eine
völlige Sinnesänderung wie dieſe. Als die Sache im
Gange war, befeſtigte ſie ſich dadurch, daß Gleichgeſinnte
jetzt in bedeutender Zahl Dominicaner wurden. Söhne
aus den erſten Häuſern traten in S. Marco als Novizen ein.
6. Abſchnitt.
Dieſe Reform des Ordens für ein beſtimmtes Land
war nun der erſte Schritt zu einer Nationalkirche, zu welcher
es bei längerer Dauer dieſes Weſens unfehlbar hätte kom-
men müſſen. Savonarola ſelber wollte freilich eine Reform
der ganzen Kirche und ſchickte deßhalb noch gegen Ende
ſeiner Wirkſamkeit an alle großen Potentaten dringende
Mahnungen, ſie möchten ein Concil verſammeln. Allein
ſein Orden und ſeine Partei waren bereits für Toscana
das allein mögliche Organ ſeines Geiſtes, das Salz der
Erde geworden, während die Nachbargegenden im alten
Zuſtande verharrten. Mehr und mehr baut ſich aus Ent-
ſagung und Phantaſie ein Zuſtand auf, der Florenz zu
einem Reiche Gottes auf Erden machen will.
Die Weiſſagungen, deren theilweiſes Eintreffen dem
Savonarola ein übermenſchliches Anſehen verlieh, ſind der-
jenige Punct, auf welchem die allmächtige italieniſche Phan-
taſie auch das beſtverwahrte, liebevollſte Gemüth bemeiſterte.
Anfangs meinten die Franciscaner von der Obſervanz, im
Widerſchein des Ruhmes, welchen ihnen S. Bernardino
da Siena vermacht hatte, ſie könnten den großen Domini-
caner durch Concurrenz bändigen. Sie verſchafften einem
der Ihrigen die Domkanzel, und ließen die Unglückspro-
phezeiungen Savonarola's durch noch ſchlimmere überbieten,
bis Pietro de' Medici, der damals noch über Florenz herrſchte,
einſtweilen Beiden Ruhe gebot. Bald darauf, als Carl VIII.
Seine
Weiſſagungen
und Viſionen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/487>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.