Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

6. Abschnitt.lesen hätte; und als Alfons der Große von den Aerzten
gewarnt wurde, ja nicht in dem Livius zu lesen, den ihm
Cosimo de' Medici übersandte, antwortete er ihnen gewiß
mit Recht: höret auf so thöricht zu reden 1). Vollends
hätte jenes Gift nur sympathetisch wirken können, womit
der Secretär Piccinino's den Tragstuhl des Papstes Pius II.
nur ein wenig anstreichen wollte 2). Wie weit es sich durch-
schnittlich um mineralische oder Pflanzengifte handelte, läßt
sich nicht bestimmen; die Flüssigkeit, mit welcher der Maler
Rosso Fiorentino (1541) sich das Leben nahm, war offen-
bar eine heftige Säure 3), welche man keinem Andern hätte
Die Bravi.unbemerkt beibringen können. -- Für den Gebrauch der
Waffen, zumal des Dolches, zu heimlicher Gewaltthat hatten
die Großen in Mailand, Neapel und anderswo leider einen
unaufhörlichen Anlaß, indem unter den Schaaren von Be-
waffneten, welche sie zu ihrem eigenen Schutze nöthig hatten,
schon durch den bloßen Müssiggang hie und da sich eine
wahre Mordlust ausbilden mußte. Manche Gräuelthat
wäre wohl unterblieben wenn der Herr nicht gewußt hätte,
daß es bei Diesem und Jenem aus seinem Gefolge nur
eines Winkes bedürfe.

1) Petr. Crinitus de honesta disciplina, L. XVIII, cap. 9.
2) Pii II. comment. L. XI, p. 562. -- Jo. Ant. Campanus: vita
Pii II,
bei Murat. III, II, Col. 988.
3) Vasari IX, 82, vita di Rosso. -- Ob in unglücklichen Ehen mehr
wirkliche Vergiftungen oder mehr Besorgnisse vor solchen vorherrsch-
ten, mag unentschieden bleiben. Vgl. Bandello, II, Nov. 5 u. 54.
Sehr bedenklich lautet II, Nov. 40. In einer und derselben west-
lombardischen Stadt, die nicht näher bezeichnet wird, leben zwei
Giftköche; ein Gemahl, der sich von der Echtheit der Verzweiflung
seiner Frau überzeugen will, läßt sie einen vermeintlich giftigen
Trank, der aber nur ein gefärbtes Wasser ist, wirklich austrinken
und darauf versöhnt sich das Ehepaar. -- In der Familie des
Cardanus allein waren vier Vergiftungen vorgekommen. De propria
vita, cap.
30. 50.

6. Abſchnitt.leſen hätte; und als Alfons der Große von den Aerzten
gewarnt wurde, ja nicht in dem Livius zu leſen, den ihm
Coſimo de' Medici überſandte, antwortete er ihnen gewiß
mit Recht: höret auf ſo thöricht zu reden 1). Vollends
hätte jenes Gift nur ſympathetiſch wirken können, womit
der Secretär Piccinino's den Tragſtuhl des Papſtes Pius II.
nur ein wenig anſtreichen wollte 2). Wie weit es ſich durch-
ſchnittlich um mineraliſche oder Pflanzengifte handelte, läßt
ſich nicht beſtimmen; die Flüſſigkeit, mit welcher der Maler
Roſſo Fiorentino (1541) ſich das Leben nahm, war offen-
bar eine heftige Säure 3), welche man keinem Andern hätte
Die Bravi.unbemerkt beibringen können. — Für den Gebrauch der
Waffen, zumal des Dolches, zu heimlicher Gewaltthat hatten
die Großen in Mailand, Neapel und anderswo leider einen
unaufhörlichen Anlaß, indem unter den Schaaren von Be-
waffneten, welche ſie zu ihrem eigenen Schutze nöthig hatten,
ſchon durch den bloßen Müſſiggang hie und da ſich eine
wahre Mordluſt ausbilden mußte. Manche Gräuelthat
wäre wohl unterblieben wenn der Herr nicht gewußt hätte,
daß es bei Dieſem und Jenem aus ſeinem Gefolge nur
eines Winkes bedürfe.

1) Petr. Crinitus de honesta disciplina, L. XVIII, cap. 9.
2) Pii II. comment. L. XI, p. 562. — Jo. Ant. Campanus: vita
Pii II,
bei Murat. III, II, Col. 988.
3) Vasari IX, 82, vita di Rosso. — Ob in unglücklichen Ehen mehr
wirkliche Vergiftungen oder mehr Beſorgniſſe vor ſolchen vorherrſch-
ten, mag unentſchieden bleiben. Vgl. Bandello, II, Nov. 5 u. 54.
Sehr bedenklich lautet II, Nov. 40. In einer und derſelben weſt-
lombardiſchen Stadt, die nicht näher bezeichnet wird, leben zwei
Giftköche; ein Gemahl, der ſich von der Echtheit der Verzweiflung
ſeiner Frau überzeugen will, läßt ſie einen vermeintlich giftigen
Trank, der aber nur ein gefärbtes Waſſer iſt, wirklich austrinken
und darauf verſöhnt ſich das Ehepaar. — In der Familie des
Cardanus allein waren vier Vergiftungen vorgekommen. De propria
vita, cap.
30. 50.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0462" n="452"/><note place="left"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">6. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note>le&#x017F;en hätte; und als Alfons der Große von den Aerzten<lb/>
gewarnt wurde, ja nicht in dem Livius zu le&#x017F;en, den ihm<lb/>
Co&#x017F;imo de' Medici über&#x017F;andte, antwortete er ihnen gewiß<lb/>
mit Recht: höret auf &#x017F;o thöricht zu reden <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Petr. Crinitus de honesta disciplina, L. XVIII, cap.</hi> 9.</note>. Vollends<lb/>
hätte jenes Gift nur &#x017F;ympatheti&#x017F;ch wirken können, womit<lb/>
der Secretär Piccinino's den Trag&#x017F;tuhl des Pap&#x017F;tes Pius <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
nur ein wenig an&#x017F;treichen wollte <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Pii II. comment. L. XI, p. 562. &#x2014; Jo. Ant. Campanus: vita<lb/>
Pii II,</hi> bei <hi rendition="#aq">Murat. III, II, Col.</hi> 988.</note>. Wie weit es &#x017F;ich durch-<lb/>
&#x017F;chnittlich um minerali&#x017F;che oder Pflanzengifte handelte, läßt<lb/>
&#x017F;ich nicht be&#x017F;timmen; die Flü&#x017F;&#x017F;igkeit, mit welcher der Maler<lb/>
Ro&#x017F;&#x017F;o Fiorentino (1541) &#x017F;ich das Leben nahm, war offen-<lb/>
bar eine heftige Säure <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Vasari IX, 82, vita di Rosso.</hi> &#x2014; Ob in unglücklichen Ehen mehr<lb/>
wirkliche Vergiftungen oder mehr Be&#x017F;orgni&#x017F;&#x017F;e vor &#x017F;olchen vorherr&#x017F;ch-<lb/>
ten, mag unent&#x017F;chieden bleiben. Vgl. <hi rendition="#aq">Bandello, II, Nov.</hi> 5 u. 54.<lb/>
Sehr bedenklich lautet <hi rendition="#aq">II, Nov.</hi> 40. In einer und der&#x017F;elben we&#x017F;t-<lb/>
lombardi&#x017F;chen Stadt, die nicht näher bezeichnet wird, leben zwei<lb/>
Giftköche; ein Gemahl, der &#x017F;ich von der Echtheit der Verzweiflung<lb/>
&#x017F;einer Frau überzeugen will, läßt &#x017F;ie einen vermeintlich giftigen<lb/>
Trank, der aber nur ein gefärbtes Wa&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t, wirklich austrinken<lb/>
und darauf ver&#x017F;öhnt &#x017F;ich das Ehepaar. &#x2014; In der Familie des<lb/>
Cardanus allein waren vier Vergiftungen vorgekommen. <hi rendition="#aq">De propria<lb/>
vita, cap.</hi> 30. 50.</note>, welche man keinem Andern hätte<lb/><note place="left">Die Bravi.</note>unbemerkt beibringen können. &#x2014; Für den Gebrauch der<lb/>
Waffen, zumal des Dolches, zu heimlicher Gewaltthat hatten<lb/>
die Großen in Mailand, Neapel und anderswo leider einen<lb/>
unaufhörlichen Anlaß, indem unter den Schaaren von Be-<lb/>
waffneten, welche &#x017F;ie zu ihrem eigenen Schutze nöthig hatten,<lb/>
&#x017F;chon durch den bloßen Mü&#x017F;&#x017F;iggang hie und da &#x017F;ich eine<lb/>
wahre Mordlu&#x017F;t ausbilden mußte. Manche Gräuelthat<lb/>
wäre wohl unterblieben wenn der Herr nicht gewußt hätte,<lb/>
daß es bei Die&#x017F;em und Jenem aus &#x017F;einem Gefolge nur<lb/>
eines Winkes bedürfe.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0462] leſen hätte; und als Alfons der Große von den Aerzten gewarnt wurde, ja nicht in dem Livius zu leſen, den ihm Coſimo de' Medici überſandte, antwortete er ihnen gewiß mit Recht: höret auf ſo thöricht zu reden 1). Vollends hätte jenes Gift nur ſympathetiſch wirken können, womit der Secretär Piccinino's den Tragſtuhl des Papſtes Pius II. nur ein wenig anſtreichen wollte 2). Wie weit es ſich durch- ſchnittlich um mineraliſche oder Pflanzengifte handelte, läßt ſich nicht beſtimmen; die Flüſſigkeit, mit welcher der Maler Roſſo Fiorentino (1541) ſich das Leben nahm, war offen- bar eine heftige Säure 3), welche man keinem Andern hätte unbemerkt beibringen können. — Für den Gebrauch der Waffen, zumal des Dolches, zu heimlicher Gewaltthat hatten die Großen in Mailand, Neapel und anderswo leider einen unaufhörlichen Anlaß, indem unter den Schaaren von Be- waffneten, welche ſie zu ihrem eigenen Schutze nöthig hatten, ſchon durch den bloßen Müſſiggang hie und da ſich eine wahre Mordluſt ausbilden mußte. Manche Gräuelthat wäre wohl unterblieben wenn der Herr nicht gewußt hätte, daß es bei Dieſem und Jenem aus ſeinem Gefolge nur eines Winkes bedürfe. 6. Abſchnitt. Die Bravi. 1) Petr. Crinitus de honesta disciplina, L. XVIII, cap. 9. 2) Pii II. comment. L. XI, p. 562. — Jo. Ant. Campanus: vita Pii II, bei Murat. III, II, Col. 988. 3) Vasari IX, 82, vita di Rosso. — Ob in unglücklichen Ehen mehr wirkliche Vergiftungen oder mehr Beſorgniſſe vor ſolchen vorherrſch- ten, mag unentſchieden bleiben. Vgl. Bandello, II, Nov. 5 u. 54. Sehr bedenklich lautet II, Nov. 40. In einer und derſelben weſt- lombardiſchen Stadt, die nicht näher bezeichnet wird, leben zwei Giftköche; ein Gemahl, der ſich von der Echtheit der Verzweiflung ſeiner Frau überzeugen will, läßt ſie einen vermeintlich giftigen Trank, der aber nur ein gefärbtes Waſſer iſt, wirklich austrinken und darauf verſöhnt ſich das Ehepaar. — In der Familie des Cardanus allein waren vier Vergiftungen vorgekommen. De propria vita, cap. 30. 50.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/462
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/462>, abgerufen am 28.03.2024.