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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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so nenne man lieber diese Mischung mit ihrem Namen.6. Abschnitt.
Allerdings ist es bei den Italienern der Renaissance bis-
weilen schwer, dieses Ehrgefühl von der directen Ruhmbe-
gier zu unterscheiden, in welche dasselbe häufig übergeht.
Doch bleiben es wesentlich zwei verschiedene Dinge.

An Aussagen über diesen Punkt fehlt es nicht. EineAussagen dar-
über.

besonders deutliche mag statt vieler hier ihre Stelle finden;
sie stammt aus den erst neuerlich an den Tag getretenen 1)
Aphorismen des Guicciardini. "Wer die Ehre hochhält,
"dem gelingt Alles, weil er weder Mühe, Gefahr noch
"Kosten scheut; ich habe es an mir selbst erprobt und darf
"es sagen und schreiben: eitel und todt sind diejenigen
"Handlungen der Menschen, welche nicht von diesem starken
"Antrieb ausgehen." Wir müssen freilich hinzusetzen, daß
nach anderweitiger Kunde vom Leben des Verfassers hier
durchaus nur vom Ehrgefühl und nicht vom eigentlichen
Ruhme die Rede sein kann. Schärfer aber als vielleicht
alle Italiener hat Rabelais die Sache betont. Zwar nurRabelais.
ungern mischen wir diesen Namen in unsere Forschung;
was der gewaltige, stets barocke Franzose giebt, gewährt
uns ungefähr ein Bild davon, wie die Renaissance sich
ausnehmen würde ohne Form und ohne Schönheit2). Aber
seine Schilderung eines Idealzustandes im Thelemitenkloster
ist culturgeschichtlich entscheidend, so daß ohne diese höchste
Phantasie das Bild des XVI. Jahrhunderts unvollständig
wäre. Er erzählt 3) von diesen seinen Herren und Damen
vom Orden des freien Willens unter andern wie folgt:

En leur reigle n'estoit que ceste clause: Fay
ce que vouldras
. Parce que gens liberes, bien

1) Franc. Guicciardini, Ricordi politici e civili, N. 118. (Opere
inedite, vol. I.)
2) Seine nächste Parallele ist Merlinus Coccajus (Teofilo Folengo),
dessen Opus Macaronicorum (S. 160 und 267) Rabelais wohl
noch gekannt haben möchte.
3) Gargantua L. I, chap. 57.

ſo nenne man lieber dieſe Miſchung mit ihrem Namen.6. Abſchnitt.
Allerdings iſt es bei den Italienern der Renaiſſance bis-
weilen ſchwer, dieſes Ehrgefühl von der directen Ruhmbe-
gier zu unterſcheiden, in welche daſſelbe häufig übergeht.
Doch bleiben es weſentlich zwei verſchiedene Dinge.

An Ausſagen über dieſen Punkt fehlt es nicht. EineAusſagen dar-
über.

beſonders deutliche mag ſtatt vieler hier ihre Stelle finden;
ſie ſtammt aus den erſt neuerlich an den Tag getretenen 1)
Aphorismen des Guicciardini. „Wer die Ehre hochhält,
„dem gelingt Alles, weil er weder Mühe, Gefahr noch
„Koſten ſcheut; ich habe es an mir ſelbſt erprobt und darf
„es ſagen und ſchreiben: eitel und todt ſind diejenigen
„Handlungen der Menſchen, welche nicht von dieſem ſtarken
„Antrieb ausgehen.“ Wir müſſen freilich hinzuſetzen, daß
nach anderweitiger Kunde vom Leben des Verfaſſers hier
durchaus nur vom Ehrgefühl und nicht vom eigentlichen
Ruhme die Rede ſein kann. Schärfer aber als vielleicht
alle Italiener hat Rabelais die Sache betont. Zwar nurRabelais.
ungern miſchen wir dieſen Namen in unſere Forſchung;
was der gewaltige, ſtets barocke Franzoſe giebt, gewährt
uns ungefähr ein Bild davon, wie die Renaiſſance ſich
ausnehmen würde ohne Form und ohne Schönheit2). Aber
ſeine Schilderung eines Idealzuſtandes im Thelemitenkloſter
iſt culturgeſchichtlich entſcheidend, ſo daß ohne dieſe höchſte
Phantaſie das Bild des XVI. Jahrhunderts unvollſtändig
wäre. Er erzählt 3) von dieſen ſeinen Herren und Damen
vom Orden des freien Willens unter andern wie folgt:

En leur reigle n'estoit que ceste clause: Fay
ce que vouldras
. Parce que gens liberes, bien

1) Franc. Guicciardini, Ricordi politici e civili, N. 118. (Opere
inedite, vol. I.)
2) Seine nächſte Parallele iſt Merlinus Coccajus (Teofilo Folengo),
deſſen Opus Macaronicorum (S. 160 und 267) Rabelais wohl
noch gekannt haben möchte.
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[431/0441] ſo nenne man lieber dieſe Miſchung mit ihrem Namen. Allerdings iſt es bei den Italienern der Renaiſſance bis- weilen ſchwer, dieſes Ehrgefühl von der directen Ruhmbe- gier zu unterſcheiden, in welche daſſelbe häufig übergeht. Doch bleiben es weſentlich zwei verſchiedene Dinge. 6. Abſchnitt. An Ausſagen über dieſen Punkt fehlt es nicht. Eine beſonders deutliche mag ſtatt vieler hier ihre Stelle finden; ſie ſtammt aus den erſt neuerlich an den Tag getretenen 1) Aphorismen des Guicciardini. „Wer die Ehre hochhält, „dem gelingt Alles, weil er weder Mühe, Gefahr noch „Koſten ſcheut; ich habe es an mir ſelbſt erprobt und darf „es ſagen und ſchreiben: eitel und todt ſind diejenigen „Handlungen der Menſchen, welche nicht von dieſem ſtarken „Antrieb ausgehen.“ Wir müſſen freilich hinzuſetzen, daß nach anderweitiger Kunde vom Leben des Verfaſſers hier durchaus nur vom Ehrgefühl und nicht vom eigentlichen Ruhme die Rede ſein kann. Schärfer aber als vielleicht alle Italiener hat Rabelais die Sache betont. Zwar nur ungern miſchen wir dieſen Namen in unſere Forſchung; was der gewaltige, ſtets barocke Franzoſe giebt, gewährt uns ungefähr ein Bild davon, wie die Renaiſſance ſich ausnehmen würde ohne Form und ohne Schönheit 2). Aber ſeine Schilderung eines Idealzuſtandes im Thelemitenkloſter iſt culturgeſchichtlich entſcheidend, ſo daß ohne dieſe höchſte Phantaſie das Bild des XVI. Jahrhunderts unvollſtändig wäre. Er erzählt 3) von dieſen ſeinen Herren und Damen vom Orden des freien Willens unter andern wie folgt: Ausſagen dar- über. Rabelais. En leur reigle n'estoit que ceste clause: Fay ce que vouldras. Parce que gens liberes, bien 1) Franc. Guicciardini, Ricordi politici e civili, N. 118. (Opere inedite, vol. I.) 2) Seine nächſte Parallele iſt Merlinus Coccajus (Teofilo Folengo), deſſen Opus Macaronicorum (S. 160 und 267) Rabelais wohl noch gekannt haben möchte. 3) Gargantua L. I, chap. 57.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/441>, abgerufen am 26.04.2024.