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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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5. Abschnitt.mannsgilde einstweilen zehn Wagen bauen (wozu in der
Folge noch mehrere kommen sollten), nicht sowohl um die
Tribute zu tragen als um sie zu symbolisiren, und Andrea
del Sarto, der einige davon ausschmückte, gab denselben
ohne Zweifel die herrlichste Gestalt. Solche Tribut- und
Trophäenwagen gehörten bereits zu jeder festlichen Gelegen-
heit, auch wenn man nicht viel aufzuwenden hatte. Die
Sienesen proclamirten 1477 das Bündniß zwischen Ferrante
und Sixtus IV., wozu auch sie gehörten, durch das Her-
umführen eines Wagens, in welchem "Einer als Friedens-
göttin gekleidet auf einem Harnisch und andern Waffen
stand 1)".

Festzüge zu
Wasser.
Bei den venezianischen Festen entwickelte statt der Wa-
gen die Wasserfahrt eine wundersame, phantastische Herr-
lichkeit. Eine Ausfahrt des Bucintoro zum Empfang der
Fürstinnen von Ferrara 1491 (S. 413) wird uns als ein
ganz mährchenhaftes Schauspiel geschildert2); ihm zogen
voran zahllose Schiffe mit Teppichen und Guirlanden, be-
setzt mit prächtig costumirter Jugend; auf Schwebemaschinen
bewegten sich ringsum Genien mit Attributen der Götter;
weiter unten waren Andere in Gestalt von Tritonen und
Nymphen gruppirt; überall Gesang, Wohlgerüche und das
Flattern goldgestickter Fahnen. Auf den Bucintoro folgte
dann ein solcher Schwarm von Barken aller Art, daß man
wohl eine Miglie weit das Wasser nicht mehr sah. Von
den übrigen Festlichkeiten ist außer der schon oben ge-
nannten Pantomime besonders eine Regatta von fünfzig
starken Mädchen erwähnenswerth als etwas Neues. Im
XVI. Jahrhundert3) war der Adel in besondere Corpo-

1) Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 783. Daß ein Rad zerbrach,
galt als böses Vorzeichen.
2) M. Anton. Sabellici Epist. L. III, fol. 17.
3) Sansovino, Venezia, fol. 151, s. -- Die Gesellschaften heißen:
Pavoni, Accesi, Eterni, Reali, Sempiterni; es sind wohl die-
selben, welche dann in Academien übergingen.

5. Abſchnitt.mannsgilde einſtweilen zehn Wagen bauen (wozu in der
Folge noch mehrere kommen ſollten), nicht ſowohl um die
Tribute zu tragen als um ſie zu ſymboliſiren, und Andrea
del Sarto, der einige davon ausſchmückte, gab denſelben
ohne Zweifel die herrlichſte Geſtalt. Solche Tribut- und
Trophäenwagen gehörten bereits zu jeder feſtlichen Gelegen-
heit, auch wenn man nicht viel aufzuwenden hatte. Die
Sieneſen proclamirten 1477 das Bündniß zwiſchen Ferrante
und Sixtus IV., wozu auch ſie gehörten, durch das Her-
umführen eines Wagens, in welchem „Einer als Friedens-
göttin gekleidet auf einem Harniſch und andern Waffen
ſtand 1)“.

Feſtzüge zu
Waſſer.
Bei den venezianiſchen Feſten entwickelte ſtatt der Wa-
gen die Waſſerfahrt eine wunderſame, phantaſtiſche Herr-
lichkeit. Eine Ausfahrt des Bucintoro zum Empfang der
Fürſtinnen von Ferrara 1491 (S. 413) wird uns als ein
ganz mährchenhaftes Schauſpiel geſchildert2); ihm zogen
voran zahlloſe Schiffe mit Teppichen und Guirlanden, be-
ſetzt mit prächtig coſtumirter Jugend; auf Schwebemaſchinen
bewegten ſich ringsum Genien mit Attributen der Götter;
weiter unten waren Andere in Geſtalt von Tritonen und
Nymphen gruppirt; überall Geſang, Wohlgerüche und das
Flattern goldgeſtickter Fahnen. Auf den Bucintoro folgte
dann ein ſolcher Schwarm von Barken aller Art, daß man
wohl eine Miglie weit das Waſſer nicht mehr ſah. Von
den übrigen Feſtlichkeiten iſt außer der ſchon oben ge-
nannten Pantomime beſonders eine Regatta von fünfzig
ſtarken Mädchen erwähnenswerth als etwas Neues. Im
XVI. Jahrhundert3) war der Adel in beſondere Corpo-

1) Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 783. Daß ein Rad zerbrach,
galt als böſes Vorzeichen.
2) M. Anton. Sabellici Epist. L. III, fol. 17.
3) Sansovino, Venezia, fol. 151, s. — Die Geſellſchaften heißen:
Pavoni, Accesi, Eterni, Reali, Sempiterni; es ſind wohl die-
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[422/0432] mannsgilde einſtweilen zehn Wagen bauen (wozu in der Folge noch mehrere kommen ſollten), nicht ſowohl um die Tribute zu tragen als um ſie zu ſymboliſiren, und Andrea del Sarto, der einige davon ausſchmückte, gab denſelben ohne Zweifel die herrlichſte Geſtalt. Solche Tribut- und Trophäenwagen gehörten bereits zu jeder feſtlichen Gelegen- heit, auch wenn man nicht viel aufzuwenden hatte. Die Sieneſen proclamirten 1477 das Bündniß zwiſchen Ferrante und Sixtus IV., wozu auch ſie gehörten, durch das Her- umführen eines Wagens, in welchem „Einer als Friedens- göttin gekleidet auf einem Harniſch und andern Waffen ſtand 1)“. 5. Abſchnitt. Bei den venezianiſchen Feſten entwickelte ſtatt der Wa- gen die Waſſerfahrt eine wunderſame, phantaſtiſche Herr- lichkeit. Eine Ausfahrt des Bucintoro zum Empfang der Fürſtinnen von Ferrara 1491 (S. 413) wird uns als ein ganz mährchenhaftes Schauſpiel geſchildert 2); ihm zogen voran zahlloſe Schiffe mit Teppichen und Guirlanden, be- ſetzt mit prächtig coſtumirter Jugend; auf Schwebemaſchinen bewegten ſich ringsum Genien mit Attributen der Götter; weiter unten waren Andere in Geſtalt von Tritonen und Nymphen gruppirt; überall Geſang, Wohlgerüche und das Flattern goldgeſtickter Fahnen. Auf den Bucintoro folgte dann ein ſolcher Schwarm von Barken aller Art, daß man wohl eine Miglie weit das Waſſer nicht mehr ſah. Von den übrigen Feſtlichkeiten iſt außer der ſchon oben ge- nannten Pantomime beſonders eine Regatta von fünfzig ſtarken Mädchen erwähnenswerth als etwas Neues. Im XVI. Jahrhundert 3) war der Adel in beſondere Corpo- Feſtzüge zu Waſſer. 1) Allegretto, bei Murat. XXIII, Col. 783. Daß ein Rad zerbrach, galt als böſes Vorzeichen. 2) M. Anton. Sabellici Epist. L. III, fol. 17. 3) Sansovino, Venezia, fol. 151, s. — Die Geſellſchaften heißen: Pavoni, Accesi, Eterni, Reali, Sempiterni; es ſind wohl die- ſelben, welche dann in Academien übergingen.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/432>, abgerufen am 19.04.2024.