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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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König in italienischen Versen alle bisherigen Allegorien er-5. Abschnitt.
klärte und sich dann dem Zuge einordnete. Sechzig Flo-
rentiner, alle in Purpur und Scharlach, machten den Beschluß
dieser prächtigen Exhibition der festkundigen Heimath. Dann
aber kam eine Schaar von Catalanen zu Fuß, mit vorn
und hinten angebundenen Scheinpferdchen und führten gegen
eine Türkenschaar ein Scheingefecht auf, ganz als sollte das
florentinische Pathos verspottet werden. Darauf fuhr ein
gewaltiger Thurm einher, dessen Thür von einem Engel
mit einem Schwert bewacht wurde; oben standen wiederum
vier Tugenden, welche den König, jede besonders, ansangen.
Der übrige Pomp des Zuges war nicht besonders charac-
teristisch.

Beim Einzug Ludwigs XII. in Mailand 1507 1) gab
es außer dem unvermeidlichen Wagen mit Tugenden auch
ein lebendes Bild: Jupiter, Mars und eine von einem
großen Netz umgebene Italia; hernach kam ein mit Tro-
phäen beladener Wagen u. s. w.

Wo aber in Wirklichkeit keine Siegeszüge zu feiernDer Siegeszug
in der Poefie.

waren, da hielt die Poesie sich und die Fürsten schadlos.
Petrarca und Boccaccio hatten (S. 406) die Repräsentanten
jeder Art von Ruhm als Begleiter und Umgebung einer
allegorischen Gestalt aufgezählt; jetzt werden die Celebritäten
der ganzen Vorzeit zum Gefolge von Fürsten. Die Dichterin
Cleofe Gabrielli von Gubbio besang 2) in diesem Sinne
den Borso von Ferrara. Sie gab ihm zum Geleit sieben
Königinnen (die freien Künste nämlich), mit welchen er
einen Wagen besteigt, ferner ganze Schaaren von Helden,
welche zu leichterer Unterscheidung ihre Namen an der
Stirn geschrieben tragen; hernach folgen alle berühmten
Dichter; die Götter aber kommen auf Wagen mitgefahren.
Um diese Zeit ist überbaupt des mythologischen und alle-

1) Prato, Arch. stor. III, p. 260.
2) Ihre drei Capitoli in Terzinen, Anecdota litt. IV, p. 461, s.
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König in italieniſchen Verſen alle bisherigen Allegorien er-5. Abſchnitt.
klärte und ſich dann dem Zuge einordnete. Sechzig Flo-
rentiner, alle in Purpur und Scharlach, machten den Beſchluß
dieſer prächtigen Exhibition der feſtkundigen Heimath. Dann
aber kam eine Schaar von Catalanen zu Fuß, mit vorn
und hinten angebundenen Scheinpferdchen und führten gegen
eine Türkenſchaar ein Scheingefecht auf, ganz als ſollte das
florentiniſche Pathos verſpottet werden. Darauf fuhr ein
gewaltiger Thurm einher, deſſen Thür von einem Engel
mit einem Schwert bewacht wurde; oben ſtanden wiederum
vier Tugenden, welche den König, jede beſonders, anſangen.
Der übrige Pomp des Zuges war nicht beſonders charac-
teriſtiſch.

Beim Einzug Ludwigs XII. in Mailand 1507 1) gab
es außer dem unvermeidlichen Wagen mit Tugenden auch
ein lebendes Bild: Jupiter, Mars und eine von einem
großen Netz umgebene Italia; hernach kam ein mit Tro-
phäen beladener Wagen u. ſ. w.

Wo aber in Wirklichkeit keine Siegeszüge zu feiernDer Siegeszug
in der Poefie.

waren, da hielt die Poeſie ſich und die Fürſten ſchadlos.
Petrarca und Boccaccio hatten (S. 406) die Repräſentanten
jeder Art von Ruhm als Begleiter und Umgebung einer
allegoriſchen Geſtalt aufgezählt; jetzt werden die Celebritäten
der ganzen Vorzeit zum Gefolge von Fürſten. Die Dichterin
Cleofe Gabrielli von Gubbio beſang 2) in dieſem Sinne
den Borſo von Ferrara. Sie gab ihm zum Geleit ſieben
Königinnen (die freien Künſte nämlich), mit welchen er
einen Wagen beſteigt, ferner ganze Schaaren von Helden,
welche zu leichterer Unterſcheidung ihre Namen an der
Stirn geſchrieben tragen; hernach folgen alle berühmten
Dichter; die Götter aber kommen auf Wagen mitgefahren.
Um dieſe Zeit iſt überbaupt des mythologiſchen und alle-

1) Prato, Arch. stor. III, p. 260.
2) Ihre drei Capitoli in Terzinen, Anecdota litt. IV, p. 461, s.
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[419/0429] König in italieniſchen Verſen alle bisherigen Allegorien er- klärte und ſich dann dem Zuge einordnete. Sechzig Flo- rentiner, alle in Purpur und Scharlach, machten den Beſchluß dieſer prächtigen Exhibition der feſtkundigen Heimath. Dann aber kam eine Schaar von Catalanen zu Fuß, mit vorn und hinten angebundenen Scheinpferdchen und führten gegen eine Türkenſchaar ein Scheingefecht auf, ganz als ſollte das florentiniſche Pathos verſpottet werden. Darauf fuhr ein gewaltiger Thurm einher, deſſen Thür von einem Engel mit einem Schwert bewacht wurde; oben ſtanden wiederum vier Tugenden, welche den König, jede beſonders, anſangen. Der übrige Pomp des Zuges war nicht beſonders charac- teriſtiſch. 5. Abſchnitt. Beim Einzug Ludwigs XII. in Mailand 1507 1) gab es außer dem unvermeidlichen Wagen mit Tugenden auch ein lebendes Bild: Jupiter, Mars und eine von einem großen Netz umgebene Italia; hernach kam ein mit Tro- phäen beladener Wagen u. ſ. w. Wo aber in Wirklichkeit keine Siegeszüge zu feiern waren, da hielt die Poeſie ſich und die Fürſten ſchadlos. Petrarca und Boccaccio hatten (S. 406) die Repräſentanten jeder Art von Ruhm als Begleiter und Umgebung einer allegoriſchen Geſtalt aufgezählt; jetzt werden die Celebritäten der ganzen Vorzeit zum Gefolge von Fürſten. Die Dichterin Cleofe Gabrielli von Gubbio beſang 2) in dieſem Sinne den Borſo von Ferrara. Sie gab ihm zum Geleit ſieben Königinnen (die freien Künſte nämlich), mit welchen er einen Wagen beſteigt, ferner ganze Schaaren von Helden, welche zu leichterer Unterſcheidung ihre Namen an der Stirn geſchrieben tragen; hernach folgen alle berühmten Dichter; die Götter aber kommen auf Wagen mitgefahren. Um dieſe Zeit iſt überbaupt des mythologiſchen und alle- Der Siegeszug in der Poefie. 1) Prato, Arch. stor. III, p. 260. 2) Ihre drei Capitoli in Terzinen, Anecdota litt. IV, p. 461, s. 27*

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/429>, abgerufen am 26.04.2024.