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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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5. Abschnitt.(1443) enthielt sich wenigstens des Lorbeerkranzes, welchen
bekanntlich Napoleon bei seiner Krönung in Notredame nicht
verschmähte. Im Uebrigen war Alfonso's Zug (durch eine
Mauerbresche und dann durch die Stadt bis zum Dom)
ein wundersames Gemisch von antiken, allegorischen und
rein possirlichen Bestandtheilen. Der von vier weißen Pferden
gezogene Wagen, auf welchem er thronend saß, war gewal-
lig hoch und ganz vergoldet; zwanzig Patrizier trugen die
Stangen des Baldachins von Goldstoff, in dessen Schatten
er einherfuhr. Der Theil des Zuges, den die anwesenden
Florentiner übernommen hatten, bestand zunächst aus ele-
ganten jungen Reitern, welche kunstreich ihre Speere schwan-
gen, aus einem Wagen mit der Fortuna und aus sieben
Tugenden zu Pferde. Die Glücksgöttin 1) war nach der-
selben unerbittlichen Allegorik, welcher sich damals auch die
Künstler bisweilen fügten, nur am Vorderhaupt behaart,
hinten kahl, und der auf einem untern Absatz des Wagens
befindliche Genius, welcher das leichte Zerrinnen des Glückes
vorstellte, mußte deßhalb die Füße in einem Wasserbecken
stehen (?) haben. Dann folgte, von derselben Nation ausge-
stattet, eine Schaar von Reitern in den Trachten verschie-
dener Völker, auch als fremde Fürsten und Große costumirt,
und nun auf hohem Wagen, über einer drehenden Welt-
kugel ein lorbeergekrönter Julius Cäsar 2), welcher dem

Scheu vor allzugroßem triumphalem Glanz zeigt sich schon bei den
tapfern Komnenen. Vgl. Cinnamus I, 5. VI, 1.
1) Es gehört zu den rechten Naivetäten der Renaissance, daß man der
Fortuna eine solche Stelle anweisen durfte. Beim Einzug des
Massimiliano Sforza in Mailand (1512) stand sie als Hauptfigur
eines Triumphbogens über der Fama, Speranza, Audacia und
Penitenza; lauter lebendige Personen. Vgl. Prato, Arch. stor. III,
p. 305.
2) Der oben S. 414 geschilderte Einzug des Borso von Este in Reggio
zeigt, welchen Eindruck der alfonsinische Triumph in ganz Italien
gemacht hatte.

5. Abſchnitt.(1443) enthielt ſich wenigſtens des Lorbeerkranzes, welchen
bekanntlich Napoleon bei ſeiner Krönung in Notredame nicht
verſchmähte. Im Uebrigen war Alfonſo's Zug (durch eine
Mauerbreſche und dann durch die Stadt bis zum Dom)
ein wunderſames Gemiſch von antiken, allegoriſchen und
rein poſſirlichen Beſtandtheilen. Der von vier weißen Pferden
gezogene Wagen, auf welchem er thronend ſaß, war gewal-
lig hoch und ganz vergoldet; zwanzig Patrizier trugen die
Stangen des Baldachins von Goldſtoff, in deſſen Schatten
er einherfuhr. Der Theil des Zuges, den die anweſenden
Florentiner übernommen hatten, beſtand zunächſt aus ele-
ganten jungen Reitern, welche kunſtreich ihre Speere ſchwan-
gen, aus einem Wagen mit der Fortuna und aus ſieben
Tugenden zu Pferde. Die Glücksgöttin 1) war nach der-
ſelben unerbittlichen Allegorik, welcher ſich damals auch die
Künſtler bisweilen fügten, nur am Vorderhaupt behaart,
hinten kahl, und der auf einem untern Abſatz des Wagens
befindliche Genius, welcher das leichte Zerrinnen des Glückes
vorſtellte, mußte deßhalb die Füße in einem Waſſerbecken
ſtehen (?) haben. Dann folgte, von derſelben Nation ausge-
ſtattet, eine Schaar von Reitern in den Trachten verſchie-
dener Völker, auch als fremde Fürſten und Große coſtumirt,
und nun auf hohem Wagen, über einer drehenden Welt-
kugel ein lorbeergekrönter Julius Cäſar 2), welcher dem

Scheu vor allzugroßem triumphalem Glanz zeigt ſich ſchon bei den
tapfern Komnenen. Vgl. Cinnamus I, 5. VI, 1.
1) Es gehört zu den rechten Naivetäten der Renaiſſance, daß man der
Fortuna eine ſolche Stelle anweiſen durfte. Beim Einzug des
Maſſimiliano Sforza in Mailand (1512) ſtand ſie als Hauptfigur
eines Triumphbogens über der Fama, Speranza, Audacia und
Penitenza; lauter lebendige Perſonen. Vgl. Prato, Arch. stor. III,
p. 305.
2) Der oben S. 414 geſchilderte Einzug des Borſo von Eſte in Reggio
zeigt, welchen Eindruck der alfonſiniſche Triumph in ganz Italien
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[418/0428] (1443) enthielt ſich wenigſtens des Lorbeerkranzes, welchen bekanntlich Napoleon bei ſeiner Krönung in Notredame nicht verſchmähte. Im Uebrigen war Alfonſo's Zug (durch eine Mauerbreſche und dann durch die Stadt bis zum Dom) ein wunderſames Gemiſch von antiken, allegoriſchen und rein poſſirlichen Beſtandtheilen. Der von vier weißen Pferden gezogene Wagen, auf welchem er thronend ſaß, war gewal- lig hoch und ganz vergoldet; zwanzig Patrizier trugen die Stangen des Baldachins von Goldſtoff, in deſſen Schatten er einherfuhr. Der Theil des Zuges, den die anweſenden Florentiner übernommen hatten, beſtand zunächſt aus ele- ganten jungen Reitern, welche kunſtreich ihre Speere ſchwan- gen, aus einem Wagen mit der Fortuna und aus ſieben Tugenden zu Pferde. Die Glücksgöttin 1) war nach der- ſelben unerbittlichen Allegorik, welcher ſich damals auch die Künſtler bisweilen fügten, nur am Vorderhaupt behaart, hinten kahl, und der auf einem untern Abſatz des Wagens befindliche Genius, welcher das leichte Zerrinnen des Glückes vorſtellte, mußte deßhalb die Füße in einem Waſſerbecken ſtehen (?) haben. Dann folgte, von derſelben Nation ausge- ſtattet, eine Schaar von Reitern in den Trachten verſchie- dener Völker, auch als fremde Fürſten und Große coſtumirt, und nun auf hohem Wagen, über einer drehenden Welt- kugel ein lorbeergekrönter Julius Cäſar 2), welcher dem 2) 5. Abſchnitt. 1) Es gehört zu den rechten Naivetäten der Renaiſſance, daß man der Fortuna eine ſolche Stelle anweiſen durfte. Beim Einzug des Maſſimiliano Sforza in Mailand (1512) ſtand ſie als Hauptfigur eines Triumphbogens über der Fama, Speranza, Audacia und Penitenza; lauter lebendige Perſonen. Vgl. Prato, Arch. stor. III, p. 305. 2) Der oben S. 414 geſchilderte Einzug des Borſo von Eſte in Reggio zeigt, welchen Eindruck der alfonſiniſche Triumph in ganz Italien gemacht hatte. 2) Scheu vor allzugroßem triumphalem Glanz zeigt ſich ſchon bei den tapfern Komnenen. Vgl. Cinnamus I, 5. VI, 1.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/428>, abgerufen am 18.04.2024.